Cora brachte es nicht fertig, wieder zu den anderen zurück zu gehen und gute Mine zum, für sie bösen, Spiel zu machen. Allerdings würde man sie irgendwann vermissen und suchen. Dann mußte sie einen Grund angeben, warum sie sich hier verkroch - und damit gab sie sich dann wohl endgültig der Lächerlichkeit preis.
Sie richtete sich auf und versuchte ihre Gefühle unter Kontrolle zu bringen. Wenn sie hierblieb, mußte sie Piet nehmen, wie er war, mit all seinen Affären und Affärchen. Dann mußte sie sich damit abfinden, daß es stets andere Frauen neben ihr geben würde.
Aber wollte sie das wirklich? Nein, sie konnte mit Piet`s Auffassung von einer Beziehung nichts anfangen. Sie war hier absolut fehl am Platze.
Nachdem sie mit ihren Überlegungen so weit gekommen war, beschloß sie, sofort abzureisen.
Sie stand auf , ging ins Bad und kühlte erst einmal ihr Gesicht, erneuerte ihr Make up. Dann zog das blaue Wildseidenkleid aus und schlüpfte in Jeans und eine karierte Bluse. Sie holte die Koffer aus dem Schrank und begann zu packen. Jedes Teil, das sie verstaute, hielt ihr höhnisch vor Augen, dass sie einem Traum nachgelaufen war. Einem Traum, der nun wie eine Seifenblase geplatzt war. Jetzt blieb ihr nichts anderes übrig, als wieder nach Hause zu fahren. Na ja, vielleicht hatte sie Glück und bekam ihre alte Stelle wieder.
Als sie das Abendkleid in die Hand nahm, strich sie bedauernd über den Stoff. Es hatte ein riesiges Loch in ihre Finanzen gerissen und nun würde sie es so schnell wohl nicht wieder tragen können.
Sie schloß die Koffer und sah sich noch einmal prüfend um. Sie durfte nichts vergessen, denn wiederkommen würde sie mit Sicherheit nicht mehr.
Dann nahm sie ihr Gepäck auf und verließ leise das Haus.
Jetzt, da sie ihre Entscheidung getroffen hatte, fühlte sie sich etwas wohler. Hier gab es nichts mehr, was sie noch halten konnte.
Sie glaubte sich unbemerkt und war gerade dabei, die Koffer in ihrem Kleinwagen zu verstauen , als sie plötzlich am Arm zurückgezogen wurde.
Das Hausmädchen, dem sie vorhin begegnet war, hatte ihren Aufbruch beobachtet und Piet unterrichtet. Dieser war sich klar, dass Cora ohne Ortskenntnis nicht weit kommen würde. Und er haßte es, wenn jemand seine Einladung nicht entsprechend würdigte, das verletzte seinen Stolz.
„ Cora, was soll denn der Unsinn? Wir haben dich bereits vermißt...“
Jetzt erst fiel sein Blick auf das Gepäck in ihrem Wagen:
„Bist Du von allen guten Geistern verlassen?"
wütend starrte er sie an:
„ Darf ich fragen, was Du jetzt vorhast? Du bist absolut fremd hier, weißt Du eigentlich, wie leicht Du Dich hier Nachts verirren kannst? Du bleibst hier, verstanden? "
„ Das werde ich nicht, “
Sie versuchte seine Hand abzuschütteln :
„Und Du kannst mich nicht zwingen.“
Grimmig verstärkte Piet seinen Griff :
„Glaubst Du? Weißt Du überhaupt was Du da tust? Du kennst Dich hier nicht aus. In den Bergen ist es nachts nicht ganz ungefährlich. Ich hab keine Lust nach Dir zu suchen.“
„Laß mich sofort los" zischte Cora
„Geh zurück zu Deinen Schäfchen, die Dich dämlich anblöcken und laß mich in Ruhe. "
Piet versuchte, sie vom Auto weg zu ziehen .
„Komm jetzt endlich und hör auf damit.“
Und in versöhnlicherem Ton fügte er hinzu:
„ Weißt Du was, wir werden über alles reden. Gleich morgen früh! Okay? “
„ Nein, Piet, wenn Dir etwas an mir liegt, dann reden wir jetzt. Auf der Stelle !“
„ Du weißt, daß das nicht geht, ich habe Gäste. Sei doch vernünftig.“
„ Vernünftig? Oh ja, Piet, das bin ich. Und deshalb werde ich jetzt in mein Auto steigen und verschwinden. --- und wenn Du mich nicht sofort losläßt, dann schreie ich, dass nicht nur Deine Gäste, sondern auch die ganze Nachbarschaft hier antanzt. "
Mit einem resignierten Achselzucken gab Piet nach.
„ All right ! Wenn Du unbedingt willst. - Aber die Rolle kannst Du dann vergessen. Ich hoffe, das ist Dir klar. Glaub mir, Anwärterinnen habe ich genug. Du brauchst nicht zurückzukommen! “
Cora versetzte seine zynische Rede einen heftigen Stich. Ihre Eifersucht ließ sich nicht so ohne weiteres abstellen.
Einen Moment zögerte sie und kämpfte mit der Versuchung umzukehren. Aber ein Blick in seine spöttischen Augen hielt sie zurück. Nein, es hatte keinen Sinn. So wollte sie nicht leben und Piet würde sich für sie nicht ändern.
Sie nahm den letzten Koffer, der noch neben ihr stand und warf ihn ins Fahrzeug.
Kurz zögerte sie, dann drehte sie sich noch einmal zu ihm um und sagte bedauernd:
„ Leb wohl, Piet , uns trennen Welten, da kann man nun mal nichts machen."
Dann setzte sie sich in das Auto, warf die Tür zu und ließ den Motor an. Sie rollte aus der Auffahrt und war schon bald in der Dunkelheit verschwunden.
*
Los Angeles, am Morgen des selben Tages:
Über dem Sunset Boulevard, der Prunkstraße von L.A., war gerade der Tag angebrochen. Die Lichtreklamen waren zum Teil abgeschaltet und die letzten Besucher der diversen Lokale steuerten müde ihre Betten an.
In einem der vielen Hotels lief ein Mann ruhelos durch sein Zimmer. Jason Bennett bot ein Bild der Verzweiflung. Die Krawatte hing lose über dem, zur Hälfte geöffneten, Hemd. Seine Augen stachen rot vor Übermüdung aus seinem blassen Gesicht, das dringend einer Rasur bedurfte.
Gehetzt beobachtete er die Straße unter seinem Fenster. Die halbleere Whiskyflasche in seiner Hand
zeugte von dem vergeblichen Versuch, seine panische Angst im Alkohol zu ertränken.
Und Grund für diese Panik hatte er nun wirklich genug.
*
Vor zwei Jahren war Jason gerade aus dem Gefängnis entlassen worden, wo er wegen Waffenschieberei eingesessen hatte und versuchte in San Francisco wieder Fuß zu fassen. Er war entschlossen, die Finger von solchen Dingen zu lassen. Aber dann war da dieses Mädchen, das er im `Hill Inn` - Club kennenlernte. Lissy war schön, und sie wollte verwöhnt werden. Im Nu war Jason verschuldet.
Eines Abends machte Lissy ihn mit einem Mann aus Boston bekannt.
Sie hatten gerade in einer kleinen Pizzeria zu abend gegessen, als der Fremde auftauchte. Lissy begrüßte ihn überschwenglich und stellte ihn Jason schließlich als ihren Cousin Bud Smith aus Boston vor. Bud mochte um Anfang Vierzig sein. Er war nicht sehr groß und wirkte leicht bullig. Das faszinierendste waren seine Augen. Sie waren von einem hellen Blau, das an einen Bergsee erinnerte - und sie wirkten genau so kalt. Obwohl der Mann lachend seinen Arm um Lissy gelegt hatte und sich äußerst charmant gab, fror Jason unter seinem Blick.
Wie sich herausstellen sollte, war dieses Zusammentreffen nicht zufällig geschehen, Bud hatte gezielt nach einem Mann mit Jasons Wissen und Verbindungen gesucht. Sie zogen zu dritt durch diverse Bars und als sie sich trennten, waren Bud und Jason beiderseits überaus zufrieden. Allerdings fiel Jason erst später auf, daß Bud zwar sehr spendabel gewesen war, selbst aber keinen Tropfen Alkohol zu sich genommen hatte.
Bud blieb einige Tage in San Francisco und als er wieder abfuhr, hatte Jason genug Geld, um seine Schulden zu bezahlen und die Aussicht, auch in Zukunft im warmen Regen zu stehen.
Er organisierte für Bud nun Kapitäne, die bereit waren Waffen aus China und Fernost nach San Francisco zu schmuggeln. In welchen Kanälen diese dann verschwanden, wußte Jason nicht.
Ein halbes Jahr, nachdem er Bud kennengelernt hatte, heiratete er Lissy und mittlerweile war er stolzer Vater von einem Zwillingspäarchen. Alles lief bestens!
Ja, bis vor einem Monat dieser FBI-Mann auftauchte und Jason`s Leben zerstörte. Er hatte herausgefunden, womit Jason seinen Lebensunterhalt bestritt - und er konnte es beweisen.
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