„ Es tut mir leid, aber damit kann ich nicht dienen.“
Als Cora aufstöhnte setzte er hinzu :
„ Ich könnte Ihnen eine Spritze geben, wenn Sie das möchten ? “
Kaum merklich zögerte Cora, dann sagte sie :
„ Ja, bitte, tun Sie das ! “
„ Ihnen muß es wirklich schlimm gehen, “
murmelte Jim, während er die Injektion aufzog. Nachdem er Cora die Spritze verabreicht hatte, wechselte er das Kissen auf ihren Augen gegen ein feuchtwarmes Tuch aus. Nach wenigen Minuten fühlte sie bereits, wie der Schmerz nachließ und sie hob vorsichtig den Wickel von ihren Augen.
Sie beobachtete Jim, der mit dem Rücken zu ihr stand und seine Tasche wieder einräumte und dachte plötzlich daran, daß er in der ganzen Zeit, seit sie zusammengetroffen waren noch nie die Ruhe verloren hatte. Wie der berühmte Fels in der Brandung, schoß es ihr durch den Kopf. Aber sofort schob sie diesen unsinnigen Gedanken wieder beiseite.
„ Sind Sie Arzt, Jim? “
Jim lachte auf und drehte sich zu ihr um:
„ Sie sind wirklich das eigenartigste Wesen, das ich jemals getroffen habe ! - Oder glauben Sie nicht, daß diese Frage v o r h e r angebracht gewesen wäre ? “
Unter seinem sarkastischen Blick wurde Cora tatsächlich rot. Als er das sah, vertiefte sich sein Lachen noch.
„ Aber um Ihre Frage zu beantworten : Ja,- ich bin Chirurg,- wenn ich auch zur Zeit nicht praktiziere. Momentan arbeite ich freiberuflich für die Forschung. Zufrieden? “
Wieder ernster werdend fragte er:
„ Haben Sie öfter solche Attacken ? “
Cora nickte:
„ Ja, ziemlich häufig sogar.“
„Und haben Sie sich noch nie deswegen untersuchen lassen?“
„ Doch, schon ein paar mal. Aber man hat nie eine Ursache gefunden. Normalerweise habe ich immer meine Tabletten in der Handtasche. “
„ Morgen besorge ich Ihnen welche, okay ? - Wie sieht es aus, haben Sie jetzt auch Hunger? Wir könnten uns Steaks braten; - wer ist eigentlich der bessere Koch von uns beiden ? “
„ Nun, das weiß ich nicht, aber eigentlich müssen S i e kochen !“
„ Warum ? “
„ Weil ich ihr ... “
zum erstenmal zeichnete sich jetzt auf Cora`s Gesicht ein zaghaftes spöttische Grinsen ab :
„ ... Gast bin. “
Verblüfft sah Jim sie an:
„ Eins zu null : diese Runde geht an Sie. Aber morgen finde bestimmt i c h eine Ausrede. “
Die friedliche Stimmung zwischen den beiden hielt bis zum Abend an. Doch je später es wurde, desto unruhiger wurde Cora. Sie hatte Angst vor der Nacht.
Jim schien ihre Gedanken zu erraten :
„ Haben Sie über meinen Vorschlag von gestern nachgedacht? Wollen Sie mir nicht Ihr Wort geben? Glauben Sie mir, ihr Leben - und vor allem Ihre Nächte - werden dadurch bedeutend leichter.“
Cora schluckte an dem Kloß, der sich wieder einmal in ihrem Hals festsetzen wollte. Energisch schüttelte sie den Kopf.
Jim seufzte resigniert auf. Sie tat ihm leid, aber er wußte auch, daß das Risiko zu groß war, solange sie den Gedanken an Flucht nicht aufgab. Er konnte sie schließlich nicht rund um die Uhr bewachen.
Also verbrachte Cora erneut eine fast durchwegs schlaflose Nacht, in der ihr Arm angekettet war. Die letzte, so schwor sie sich, würde es sein. Morgen mußte sich eine Möglichkeit zur Flucht ergeben.
So konnte es nicht weitergehen. Nicht zuletzt auch deshalb, weil Cora sich eingestand, daß Jim gar nicht so unsympathisch war.
Sie war auf dem besten Weg ihm Vertrauen zu schenken und das wollte sie nicht.
Sie brauchte ihr `Feindbild ´.
*
Der nächste Morgen lief betont friedlich an.
Als Jim sie loskettete, verlor keiner ein Wort über ihren Zustand . Als sie schließlich zum Frühstück kam, war Jim bereits in seinen Arbeitsräumen verschwunden. Cora nahm dies mit Zufriedenheit auf. Ihre Gedanken kreisten nur noch um ihre Flucht und sie hatte Angst, daß Jim sie durchschauen könnte.
Dieser seinerseits registrierte erleichtert, wenn auch ein wenig mißtrauisch, Cora`s neue Gefügigkeit.
So ganz glaubte er noch nicht an den Frieden.
Aber nichts deutete darauf hin, daß Cora Ärger machen würde. Sie hatte sogar das Frühstücksgeschirr, das noch in der Küche stand, gespült und weggeräumt.
Danach holte sie aus der Bibliothek ein Buch und setzte sich damit auf eines der Sofas in der Halle. So war sie auch für Jim jederzeit sichtbar, sobald er sein Zimmer verließ.
Hätte er Cora besser gekannt, dann wären bei dieser scheinbaren Kapitulation sämtliche Alarmglocken in seinem Inneren zum Schwingen gekommen.
So jedoch ahnte er nicht, daß dies genau berechnet war.
Von ihrem Platz aus wurde Cora nicht nur gesehen. Vielmehr konnte auch sie ihn ständig beobachten, ohne Verdacht zu erregen und sie würde ihre Chance nutzen können, sollte sie sich bieten.
Ihre Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt. Am Spätnachmittag schien es aber dann doch noch zu klappen. Jim war aus seinem Arbeitszimmer gekommen und ließ die Türe einen Spalt offen. Cora konnte an der gegenüberliegenden Wand ein Fenster sehen - ein Fenster mitGriff.
Jim sah Cora mit ihrem Buch in der Ecke sitzen und kam auf sie zu:
„ Es ist schon spät. Haben Sie keinen Hunger? “
„ Nun, eigentlich schon...“
„ Gut, dann suchen wir uns etwas Eßbares“
„ Nein,- das heißt, noch nicht: - ich will erst noch dieses ...“
Jim lachte leise auf:
„ Ich verstehe, --- angenommen, ich würde uns jetzt ein paar Rühreier in die Pfanne schlagen, kommen Sie dann zum Essen ?“
Cora`s Herz schlug bis zum Hals. Das lief ja leichter als sie gedacht hatte. Wenn Jim jetzt in die Küche ging, ...!
„ Das ist ein verlockendes Angebot. - Bis dahin bin ich auch durch dieses Kapitel “
Würde er ihr Manöver durchschauen?
Aber Jim war im Moment nicht allzu mißtrauisch. Kopfschüttelnd verzog er sich in die Küche.
Cora wartete noch, bis sie ihn mit dem Geschirr hantieren hörte, dann legte sie leise ihr Buch weg und schlich in das Arbeitszimmer. Sie öffnete das Fenster und stieg auf das Brett.
Sie mochte sich ungefähr zwei Meter über dem Boden befinden. Einen Moment zögerte sie noch, die Höhe machte ihr etwas zu schaffen. Schließlich kniff sie die Augen zu und sprang entschlossen hinunter. Der grobe Schotter knirschte, als sie darauf landete. Da sie außerdem nicht sehr sportlich war, knickte sie auch noch mit dem rechten Knöchel um. Nur mühsam unterdrückte sie einen Schmerzensschrei und humpelte mehr als sie lief, davon.
Jim hatte den Aufprall auf dem Schotter gehört. Als er in die Halle kam, sah er sofort, daß die Tür zum Arbeitszimmer ebenso wie das dortige Fenster offen war.
Mit einem wütenden Fluch schaltete er schnell den Herd ab und setzte Cora nach. Durch ihre Verletzung war es nicht schwer für ihn sie einzuholen.
Cora hörte ihn kommen und fiel nun wirklich in Panik.
Sie ahnte, daß sie den Bogen endgültig überspannt hatte und sie lief um ihr Leben. Gleichzeit war ihr klar, daß sie keine Möglichkeit hatte, ihn abzuschütteln.
Jim kam auf gleiche Höhe mit ihr und riß sie an den Schultern zurück. Durch die Wucht der Bewegung verlor sie den Halt und stürzte zu Boden. Jim , der sie immer noch festhielt, landete auf ihr.
Verzweifelt versuchte Cora unter ihm wegzukommen, aber sein Gewicht hielt sie am Boden fest.
„ Verdammtes Weib ! “
Jim hatte alle Hände voll zu tun um Cora zu bändigen, die wie wild um sich schlug. Schließlich schaffte er es doch. Er kniete auf ihren Armen und verurteilte sie so zur Bewegungslosigkeit. Sein Gesicht war von Wut und Anstrengung verzerrt.
Cora schrie verzweifelt auf, als sich seine Hände um ihren Hals legten. Seine Daumen drückten leicht auf ihren Kehlkopf.
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