Beide fanden Trost in anderen Armen, auch Kinder wurden geboren, doch die durch Amors Pfeil Verletzten, konnten einander nie vergessen. Immer wieder trafen sich ihre Wege und in diesen Momenten ward alles um sie herum gut.
Zwei Jahrzehnte später, längst ein stolzer Mann und eine Frau, die erkannt hatte, an der Seite Anderer keine Rast zu finden, trug es sich zu, dass sie, als Freunde, erneut zum Feste gehen wollten, das die Schützen gaben, um ihren neuen König zu wählen. Und auch dieses Mal sollte Amor der Ehrengast sein.
Wohlweislich hatte der Liebesgott, seit jenem verhängnisvollen Tag, den kleinen Ort gemieden. Sein Zusammenbruch, mit der Folge, sich an nichts mehr zu erinnern, samt der Erkenntnis, nicht zum ersten Mal dem Trinkbecher mehr zugesprochen zu haben, als ihm gut tat, ließ ihn lange zurückgezogen bleiben. Aber auch das half nicht gegen sein Verlangen nach dem Rausch, bis er sich einen weisen Mann und Heiler suchte, der, abgeschieden im dunklen und tiefen Wald lebend, Amor seine Hilfe anbot. Lange dauerte es, bis das Verlangen zur Trunkenheit im Liebesgott erloschen war, doch dann hatte er es überwunden und kehrte in die Zivilisation zurück, um dort neu zu beginnen, aber auch, sich der Vergangenheit zu stellen. Dazu gehörte auch, an den Ort zurück zu kehren an dem er seinen letzten Rausch hatte. So schlenderte er just in dem Jahr über das Spektakel, zu dem auch der Mann und die Frau, als Freunde, die sich voneinander nicht lösen konnten, gegangen waren.
Lange beobachtete der Liebesgott die Menschen, als ihm plötzlich etwas auffiel: Da trugen zwei Menschen Narben seines Pfeils! Streifschüsse, deutliche Spuren, nicht angezielt gesetzt worden zu sein und mit einem Mal kamen die Erinnerungen in Amor zurück, wie er einst, an fast der gleichen Stelle, zwanzig Jahre zuvor, den Pfeil losgelassen hatte, während er bewusstlos vom Suff wurde.
Hatte dieser Pfeil etwa?
Es konnte gar nicht anders sein, denn dies waren deutlich die Narben seines eigenen Pfeils und er wusste nicht, wie sie sonst zu den einstigen Wunden hätten gekommen sein können.
Was hatte er nur angerichtet?
Voller Scham und sich bewusst, dass der Streifschuss diese beiden Menschen auf eine Odyssee ihre Gefühle allein gelassen hatte, einem Weg, auf dem sie kein Ziel hätten finden können, da verloren zwischen unschuldiger Freundschaft und grenzenloser Liebe, regte sich in Amor das unstillbare Bedürfnis, den Schaden, den er einst anrichtete, wieder gut zu machen. So griff er in seinen Köcher, zog den goldenen Pfeil heraus, spannte die Sehne seines Bogens und zielte genau, wie noch nie zuvor. Er ließ die Sehne los und kaum einen Wimpernschlag später, waren die Herzen des Mannes und der Frau getroffen. Diesmal richtig und mit allen Konsequenzen.
Als wären sie all die Jahre mit Blindheit füreinander geschlagen gewesen, sahen sie sich tief in die Augen, fielen sich in die Arme und Amor sah, dass es endlich gut war. Er hatte einen großen Fehler rückgängig gemacht und zwei Herzen, die zueinander gehörten, den Weg gewiesen.
Und wie er ihn gewiesen hatte!
Fünf Sommer später, wieder einmal war Amor Ehrengast der Schützen, diesmal trank er aber immer noch nicht wieder und hatte es auch nicht mehr vor, ging er seine Runde über den Festplatz und durch die Menschenmengen. Es kribbelte ihm im Nacken, als spüre er, etwas erwarte ihn und dann sah er es: Den Mann und die Frau, ihre beiden Kinder und den runden Leib der Frau, in dem sie ein weiteres Kind trug.
Zufrieden lächelte er. Ja, diese Familie hatte er geschaffen und darauf war er stolz. Auch wenn er, ohne den Rausch von damals, vielleicht nie beabsichtigt dieses Paar zueinander geführt hätte. Doch nun war alles gut.
Die Moral von der Geschicht?
Ohne versoffenen Amor gäb's die Chaosbande nicht!
Und wenn diese nicht gestorben ist, dann lebt sie auch noch heute.
Ich habe es wahr gemacht!
Das gute, alte Moppelchen hat sich ein neues Tattoo gegönnt. Nicht mein erstes, denn am Oberkörper habe ich ja schon welche. An den Armen und eine selbstgemachte Jugendsünde am Bauch, die, nach einigen Jahrzehnten und Schwangerschaften jetzt bestenfalls wie die Landkarte von Peter Pan wirkt.
Niemals, so schwor ich mir einst, würde ich mir den Namen meines Partners tätowieren lassen. Wie sieht das denn aus, wenn die Beziehung in die Brüche geht und ein neuer Mann ins Leben tritt? Kommt dann ein dicker Balken und der neue Name darunter? Und wenn dieser Mann auch nicht der richtige fürs Leben war, sieht man bald aus, wie ein Telefonbuch.
Nun, gut, ich werde älter, wählerischer und da ich mir absolut sicher bin an der Seite meines Traummannes alt werden zu können, war es zuerst nur ein spontaner Gedanke, den ich immer wieder verwarf, schob er sich verschämt kichernd in meinen Kopf.
Doch immer öfter stahl sich der Gedanke meine Zeit und ein bisschen wehmütig seufzte ich dann doch schon, bei der Vorstellung, mit seinem Namen, auf meinem Körper, zu zeigen, wem mein Herz, auf alle Ewigkeit, gehört.
Es sollte symbolisch sein, dezent, dennoch auffällig. Mystisch, zeitlos und für meine Liebe stehen.
Die erste Aufgabe war, mir zu überlegen, an welcher Körperstelle es gut zur Geltung kommen würde, eben sichtbar und doch wie ein dezenter Schmuck.
Welch schadenfrohe Macht mir auch im Geheimen zu geflüstert hatte, ideal sei die Region, um meinen linken Knöchel, sie muss sich herzlich amüsiert haben, als ich ihr zustimmte.
Aber in dem Moment schien es mir, als die perfekte Stelle. Leicht zu bedecken oder zu betonen, schmückend, vor allem im Sommer, auf der Seite meines Herzens. Nein, einen bessern Platz gäbe es wohl kaum. Außerdem musste ich an die Folgen des Alterns denken. Ich bin schließlich kein Benjamin Button , der sich immer weiter verjüngt. Mein Körper wird an so vielen Partien weicher, fürsorglicher, durch immer mehr Falten, die sich wärmend um mich legen wollen, wie eine lockere Decke und insgesamt huldigt die Haut der Mutter Erde indem sie sich ihr entgegen neigt. Nicht aber am Knöchel, der straff, wie eh und je, auch noch die nächsten Jahre relativ knitterfrei bleibend zu versprechen schien.
Nachdem ich also wusste, wohin ich das Tattoo haben wollte, ging es daran, das Motiv zu finden und zu entwerfen. Geheimnisvoll sollte die Schrift sein, umrankt von Efeu, das für mich Beständigkeit und Kraft symbolisiert. Und dann fasste ich mein Mütchen an der Hand, um es zum Tätowierer zu schleppen, mit dem ich alle Details besprach, meine Anzahlung leistete und den Termin bekam.
Heute war es schließlich soweit.
Vor Aufregung hatte ich kaum geschlafen und mein Mann beobachtete mich mit zunehmender Skepsis. Er ahnte, dass ich ein Geheimnis hatte, doch nicht welches. Und das rührte auch eine kleine Dosis Misstrauen. Mich störte es nicht einmal. Im Gegenteil, denn ich war überzeugt davon, umso überraschter würde er staunen, käme ich mit dem Tattoo, zu Ehren meiner Liebe zu ihm, nach Hause.
Nervös betrat ich das Studio. Hatte ich etwa Angst? Natürlich nicht! Es war doch nicht mein erstes Tattoo und ich wusste, dass es zwar nicht sonderlich angenehm würde, aber durchaus aushaltbar. Was sollte ich, die mehrere Kinder geboren hatte, schon fürchten? In weniger als 3 Stunden, trüge ich mein neues, mich lebenslang begleitendes Schmuckstück stolz heim. Das musste einfach nur übergroße Vorfreude sein, aber ganz sicher keine Angst.
Ich saß auf der Liege, erst noch den Fuß auf einen Hocker gestützt, damit der Tätowierer die Schablone auftragen konnte. Was würde das schön werden! Ich grinste, dass meine Mundwinkel sich am Hinterkopf trafen. Das tat ich auch noch, als es endlich losging, ich mich entspannt hinlegte, das Surren der Maschine begann und ich die Hand des Tätowierers an meinem Bein spürte.
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