„Schon klar“, murmelte sie. „Mit den Typen im Nacken wäre ich, glaub ich, auch überall reingerannt.“
Siedendheiß wurde ihr bewusst, was sein Stocken vermutlich bedeutete. Dieser Kodex von dem Robert immer gesprochen hatte, traf wahrscheinlich auf alle anderen Kreaturen ebenso zu.
Angst kroch wieder in ihr hoch.
In diesem Moment klingelte es an der Haustür.
Entschlossen richtete sie sich auf und griff nach ihrem Bademantel.
Als seine Hand auf ihre Schulter sank, schob sie diese vorsichtig aber entschieden hinunter und sah ihm fest in die Augen.
„Keine Sorge. Wenn das wieder diese Typen sind, kommen sie diesmal nicht an mir vorbei.“
Sie ignorierte sein belustigtes Schnaufen und schnappte sich auf dem Weg zur Tür einen Feuerhaken.
Dann erst öffnete sie.
Entgeistert starrte sie auf den jungen Mann, der vor ihr stand.
Er war groß, schlank, mit einer blonden Wuschelfrisur und lächelte sie entwaffnend an.
Als sie in seine Augen sah, schnappte sie hörbar nach Luft.
Sie waren grün-irisierend und beängstigend vertraut.
„Hallo“, meinte er mit einer angenehmen Baritonstimme. „Ich hab hier die Spur eines Freundes verloren. Vielleicht können Sie mir weiterhelfen?“
Sara umklammerte den Schürhaken und war vor Schreck sprachlos.
„Hach“, krächzte sie nur. Nach einer Pause räusperte sie sich und fragte: „Wie sieht Ihr Freund denn aus?“
Sein Blick ruhte nachdenklich auf der Eisenstange in ihren Händen.
„Nun“, meinte er langsam. „Er ist groß, dunkelhaarig und etwas ungestüm. – Außerdem, hmm, vielleicht haben sie auch seinen Hund gesehen. Der ist ziemlich groß und eher schwarz, mit ähnlichem Temperament.“
„Oh“, meinte sie. „Ja, den hab ich kennengelernt. Der war hier. Die Jäger haben ihn erwischt. Der hat meinen Teppich völlig versaut.“
Seine Augen wurden so plötzlich dunkel und drohend, dass sie unwillkürlich zurückwich und die Stange hob. Er sprang auf sie zu und seine Wucht hätte sie quer durch den Raum geschleudert, – aber er packte sie am Kragen und hob sie hoch.
„Wo ist er? Was ist mit ihm?“
Die Frage war ein lautes Knurren.
Sara schnappte nach Luft, unfähig sich zu rühren.
„Woher soll ich wissen, dass Sie wirklich sein Freund sind?“, keuchte sie zurück.
Er ließ sie so plötzlich los, dass sie fast zu Boden gesackt wäre.
Ohne Mühe nahm er ihr den Feuerhaken aus der Hand und ließ ihn einfach fallen.
„Er ist mein Freund.“ Sein Tonfall ließ keinen weiteren Zweifel zu. „Also, wo ist er?“
Sara rieb sich die schmerzenden Arme.
„Oh, ich denke, es geht ihm prima. Er hat sein Schappi bekommen, sein – äh – Verdauungsschläfchen gemacht und ist wahrscheinlich ganz der Alte, – soweit ich das mit meinem nichtvorhandenen Kennerblick beurteilen kann.“
Er betrachtete sie argwöhnisch, aber bevor er sie wieder etwas fragen konnte, ertönte vom Schlafzimmer ein Räuspern.
„Hallo Simon. Was machst du denn hier? Nachts, so allein im Wald.“
Simon starrte ihn an.
„Du verdammter Idiot“, knurrte er so wild, dass Sara zurücksprang. Ihr Blick wanderte zwischen den beiden Männern hin und her. Dann meinte sie laut und deutlich:
„Scheiße, auch noch zwei von der Sorte.“
Damit drehte sie sich um und ließ sich aufs Sofa plumpsen.
Sie spürte mehr, als dass es zu hören war, wie der Dunkelhaarige sich näherte und hinter ihr aufbaute.
Der Mann namens Simon verschränkte die Arme.
„Max“, knurrte er. „Was ist hier los?“
Der Angesprochene beugte sich zu Sara herunter und legte seine Hände sanft auf ihre Schultern.
„Na ja, ich schätze, ich habe Mist gebaut“, brummte er und vergrub sein Gesicht in Saras Haaren.
„Und wie …“
Max riss den Kopf hoch und funkelte ihn frustriert an.
„Mann, es ging so schnell. Die Kerle haben mir aufgelauert und mir ein paar Elefantenkaliber ins Fell geschossen. Das war verdammt knapp.“
„Wie knapp?“
Max schwieg und vergrub wieder sein Gesicht in den blonden Locken.
Simon stieß grollend den Atem aus und betrachtete die Frau vor ihm.
Sie war ausgesprochen hübsch. Seine Nase verriet ihm ihre Anspannung und ihre Angst.
Irritiert horchte er in sich hinein. Sie fürchtete sich – zweifellos – aber überraschend wenig.
Dafür, dass ihr offenbar bewusst war, wer oder besser, was vor ihr stand, wirkte sie erstaunlich gefasst.
Außerdem war da noch etwas anderes. Irgendetwas an ihr roch seltsam. Es war schwach, aber wahrnehmbar. Aber vor allem duftete sie umwerfend gut.
Er hockte sich vor ihr nieder, und sie erwiderte gefasst seinen Blick.
„Wissen Sie, wir haben da jetzt ein kleines Problem.“
„Ach“, Sara schluckte. „Lassen Sie mich raten. Da gibt’s wahrscheinlich so eine Art Gesetz. Nach dem Motto – keiner soll’s wissen.“
„So ist es“, nickte Simon und überlegte, wie erstaunt er jetzt sein müsste.
„Scheiße, Simon.“ Maxs Stimme klang ärgerlich. „Sie hat mir den Pelz gerettet.“
„Zweifellos“, bestätigte Simon trocken und ließ Saras Mienenspiel nicht aus den Augen.
Diese fragte sich, wie hoch die Wahrscheinlichkeit war, dass ihretwegen drei nichtmenschliche Kreaturen dieses dämliche Gesetz brachen. Sie kam zu keinem beruhigenden Ergebnis.
Ob sie von Robert erzählen sollte? Aber der war in diesem Punkt mehr als deutlich gewesen.
Simons Augen hielten ihren Blick weiterhin fest, als wollte er ihre Gedanken lesen.
„Was sollen wir jetzt nur mit ihr machen?“
Seine Stimme war nicht unfreundlich, was Sara ein wenig hoffen ließ.
„Also wir könnten ja erstmal ganz entspannt was trinken“, schlug sie vor. „Was ... äh … ist denn bei euch so angesagt?“
Simon grinste bereitwillig.
„Oh, ein Bier wäre nicht schlecht.“
Sie versuchte, sich hochzustemmen, aber Maxs Hände ließen es nicht zu.
„Er soll’s selber holen“, knurrte er. Dann zog er sie halb hoch und zerrte ihr ungeduldig den Bademantel vom Leib.
Simon sah interessiert zu, wie sein Freund über die Frau herfiel.
Maxs Erregung war für ihn deutlich zu riechen – und ansteckend. Der nackte Frauenkörper war so verlockend nah und verströmte in zunehmendem Maße betörende Duftstoffe aus.
Sara kam sich vor wie in einem Traum. Ihre Sinne waren vernebelt von den Gerüchen und Geräuschen, der Erregung, die über sie zusammenschlug. Schon einer dieser Männer war überwältigend, aber als sich plötzlich auch Simon an sie drängte, verlor sie völlig die Kontrolle über sich.
Es ging nicht nur ihr so.
Die beiden Männer verfielen in einen wilden Rausch, der kein Ende zu nehmen schien.
Als Sara wieder in der Lage war, klar zu denken, lag sie auf dem Boden, unter und über sich Arme und Beine.
Ächzend schob sie die schweren Gliedmaßen von sich und richtete sich auf.
Aufgewühlt sah sie auf die beiden Männer herunter, die mit geschlossen Augen und ineinander verknäuelt am Boden lagen.
Dann seufzte sie leise und tappte ins Badezimmer.
Zwei Augenpaare folgten ihr unter halbgeschlossenen Lidern.
Kurze Zeit später drangen Duschgeräusche aus dem Bad.
Simon schob seinen Freund zur Seite, so dass er sich aufrichten konnte, und hockte sich in einen der burgunderfarbenen Sessel.
„Wir haben da ein verdammt großes Problem!“
Max folgte seinem Beispiel und nahm auf der Couch Platz.
„Ich weiß“, seufzte er. „Aber ehrlich. Das war alles andere als geplant.“
„Schon klar, aber was machen wir jetzt mit ihr?“
„Ich hab keine Ahnung“, gab Max zu. „Ich weiß ja, dass wir sie zumindest dem Rudel melden müßten, aber ... ach verdammt, ich will nicht, dass ihr etwas passiert. Frag mich nicht wieso, aber das geht mir dermaßen gegen den Strich, dass es beinahe wehtut.“
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