Er schien verärgert.
„Warum bist du sauer?“
„Wieso stellst du mich als einen Idioten dar?“
„Mache ich gar nicht“, wehrte ich mich und zeigte auf das Gatter. „Es geht darum, dass du nicht einfach den Bolzen reinschieben kannst und das war es dann. Wichtig ist, dass du hier unten noch den Bolzen reinschiebst und auf der anderen Seite auch, da unten.“
„Wofür so viele Sicherungen?“
„Weil Shetland Ponys verdammt schlau sind. Vor ein paar Jahren sind uns die Pferde ausgebrochen. Mehrmals. Wir haben ein paar Tage gebraucht, bis wir Penny auf frischer Tat dabei ertappt hatten, wie sie den Bolzen aufschob. Den Rest macht ein Stubser mit der Nase oder der Wind. Seitdem haben wir noch die zusätzlichen Bolzen hier unten.“
Chris schwieg und ich lachte.
„Nicht ganz das, was du von der feinen Lady erwartet hättest, was?“
Ich ging zu Penny, Rick und Chris folgte mir. Ich zeigte ihm, wie der Führstrick befestigt war und wie er ihn abnahm. Danach zeigte ich ihm, wie er das Halfter richtig auszog.
„Penny und Rick brauchen es auf der Weide nicht. Die anderen haben ihres auch auf der Weide an“, erklärte ich ihm. Derweil machten sich Rick und Penny auf den Weg zur Weide, was wiederum zur Folge hatte, dass Dash und Thunder ihren Unmut preisgaben. Mit einem Lächeln löste ich erst den einen dann den anderen Führstrick und die beiden verloren keine Zeit, Penny und Rick zu folgen.
Ich ließ Chris das Gatter verschließen und dann machten wir die Prozedur noch mit den anderen Pferden durch, wobei er sich gegenüber den großen Pferden noch offensichtlicher zurückhielt. Ich wusste nicht, ob es direkt Furcht war, aber er war unsicher.
Nachdem wir die Pferde endlich auf die Weide gebracht hatten, gingen wir zu den Boxen. Ich drückte ihm eine Mistgabel in die Hand.
„Zuerst mal ausmisten. Die obere, nasse Schicht und die Pferdeäpfel. So wie ich es dir gestern gesagt habe.“
Ich stellte die Schubkarre in die Stallgasse zwischen uns. „Du kannst die eine Seite machen, ich die andere.“
Nach zehn Minuten behauptete er, fertig zu sein und ich zeigte ihm, welche Stellen er übersehen hatte und wo er genauer ausmisten musste. Etwa eine Dreiviertelstunde später war der Stall ausgemistet, der Mist weggefahren und Chris beklagte seine dreckig gewordenen Turnschuhe.
„Willst du jetzt doch ein paar Reitstiefel von uns?“
„Nein, danke“, grollte er. „War es das hier drin?“
Ich schüttelte den Kopf. „Komm mit, ich zeig dir, wie man das Heu wirft, und es dann zu den Boxen transportiert. Die müssen aufgefüllt werden.“
Die Tröge hatte ich sauber gemacht, während er den Mist weggefahren hatte. Vermutlich hatte er sich den Dreck an seinen Schuhen dort geholt. Da war es nämlich viel matschiger, als hier drin.
Die nächste Stunde verbrachten wir mit dem Auffüllen der Boxen und dem Ausfegen des Stalls.
„Das war es erstmal“, erklärte ich und Chris sah auf die Uhr. „Zwei Stunden“, er nickte. „Und erst neun Uhr. Das frühe Aufstehen hat auch seine Vorteile.“
Ich lächelte. „Sieht so aus. Also machen wir es doch einfach so, dass du in der Vorlesungszeit um halb sieben zu uns kommst und den Stall übernimmst. Das wären zwei Stunden, wie vereinbart und es ist auch nicht sonderlich schwierig. Deine Kurse fangen ja alle erst mittags an, nicht wahr?“
Er lächelte mich an und nickte dabei. „Nicht schlecht. Du hast mir zugehört.“
„Tja, nur weil ich auf einer Ranch aufgewachsen bin, heißt es nicht, dass ich nicht klug bin.“
Ich verließ den Stall und Chris folgte mir. „Dann kann ich jetzt gehen?“
„Was?“
„Zwei Stunden sind ja vorbei. Der Stall fertig. Es gibt nichts mehr zu tun.“ Er brach ab, als ich laut zu lachen begonnen hatte.
„Nichts zu tun? Auf einer Pferderanch?“ Ich schüttelte den Kopf. „Das denkst aber auch nur du. Mir fallen noch jede Menge Dinge ein, die erledigt werden müssen und bei denen gerade du besonders gut helfen kannst.“
„Ach echt?“
„Aber sicher.“
Als wir hinaus in den Hof kamen, fuhr gerade ein Wagen vor. Es war John Alcott. Der älteste Sohn der Alcotts. Er war Mitte zwanzig und ritt Quake bei den Westernshows. Seinem Bruder Andy gehörte Lightning.
„Hi, John“, begrüßte ich ihn im Näherkommen. „Wo hast du Andy gelassen?“
„Der liegt mit seiner Erkältung immer noch im Bett. Meinst du, Ghita könnte sich heute um Lightning kümmern?“
„Ich bin mir nicht sicher. Am besten fragst du sie selbst.“
„Ist sie schon da?“
„Nein, aber sie sollte jeden Moment kommen.“
Erst jetzt wurde mir klar, dass Chris die gesamte Zeit neben mir stand. Ertappt deutete ich auf ihn. „Das ist Chris Channing, er hilft uns für eine Weile auf der Farm. Heute ist sein erster Tag.“
„Toll, Hilfe kann man doch immer gebrauchen.“ John schüttelte Chris Hand. Danach ging er zu seinem Pferd auf der Weide.
Als Ghita wenig später kam, sagte ich ihr Bescheid, dass John sie sprechen wollte. Dabei fiel mir auf, dass Chris Ghita auf den Hintern starrte, als sie zu den Pferden ging.
Kopfschüttelnd wandte ich mich dem eingetroffenen Laster zu.
„Guten Morgen, Sam“, begrüßte ich unseren Heulieferanten.
„Hi, Schätzchen.“ Er klopfte mir auf die Schulter. „Wirst auch von Tag zu Tag hübscher.“
Ich tat sein Kompliment verlegen ab. Normalerweise fiel es mir leicht, Sam nicht so ernst zu nehmen. Aber in Chris Gegenwart war es irgendwie peinlicher.
„Schau mal, das ist Chris. Er kann dir heute zur Hand gehen.“
„Klasse.“ Sam freute sich sichtlich.
„Und du?“ Chris sah mich fragend an. „Wo gehst du hin?“
„Na ich arbeite mit den Pferden. Ob du es glaubst oder nicht, die stehen nicht einfach den ganzen Tag auf der Weide und fressen bloß.“
„Du willst mich mit ihm und dem ganzen Heu allein lassen?“
„Heute hast du noch keine Vorlesung und damit stehst du uns sechs Stunden zur Verfügung. Natürlich habe ich vor, das auszunutzen. Aber keine Sorge, Sam passt auf dich auf, er ist ein ganz Lieber.“
Mit einem breiten Grinsen im Gesicht ließ ich ihn stehen und ging zur Weide, um zu sehen, ob ich Ghita helfen sollte. Wenn sie meine Hilfe nicht benötigte und für Dash und Lightning Zeit hatte, würde ich mit Autumn Fire arbeiten. Ich freute mich mehr darauf, als ich mir eingestehen wollte.
Sobald ich Ghita erreichte, drehte sie sich mit einem Lächeln zu mir. John dagegen verabschiedete sich mit einem Wink und ging zu seinem Hengst. Es machte fast den Eindruck, als hätte ich ihn in Verlegenheit gebracht. Auch wenn ich mir nicht erklärten konnte, wie ich das angestellt haben sollte.
„Brauchst du meine Hilfe?“
„Wobei?“
„Wegen Andys Pferd.“
„Ach so.“ Ghita lächelte. „Es könnte knapp werden. Andererseits ist Sam bereits da.“
„Du brauchst Mom und Sam nicht helfen. Ich habe Chris zu ihnen geschickt“, unterbrach ich sie.
Ghitas Lächeln wurde noch breiter. „Stimmt, wir haben ja jetzt eine Aushilfe. Der Gedanke gefällt mir gerade richtig gut.“
Ich erwiderte ihr Lächeln. „Also kommst du mit Lightning und Dash klar?“
„Das schaffe ich.“ Sie legte den Kopf schief. „Und was ist mit dir?“
„Ich kümmere mich um Rick und Penny und außerdem wollte ich ein bisschen mit Autumn Fire arbeiten.“
„Die neue Stute?“
Ich nickte.
„Sie ist eine Schönheit.“
„Ja“, erwiderte ich schlicht. Es war die Wahrheit und es hatte keinen Zweck, es abzustreiten.
„Du hast mich gar nicht nach dem Rennen gefragt“, stellte Ghita fest und klang ernst.
„Ich weiß“, gestand ich ein. „Ich kann dir gar nicht sagen, warum. Irgendwie … ging es nicht.“
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