Als erstes einmal: Sie haben sich für einen Hund als neuen Partner entschieden. Sei es als Spielkamerad für die Kinder, als Wachhund oder auch als Begleiter für einsame Stunden.
Und hier liegt auch schon die Wurzel vieler, wenn nicht der meisten Probleme die Hundebesitzer so haben.
Ein Hund ist kein Mensch!(Und wird es auch nie werden.)
Sie sind intelligente, lebendige, einfühlsame Tiere, jeder eine eigene einzigartige Persönlichkeit. Jeder hat seinen eigenen unverwechselbaren Charakter. Sie wollen lieben und geliebt werden, aber als Hund nicht als Ersatzmensch. Sie können zu guten Freunden und Begleitern werden, aber keinen menschlichen Partner ersetzen. Und das wollen sie auch nicht. Hunde möchten wie Hunde behandelt werden!
Hunde sind vielleicht die besten Freunde des Menschen, aber zu einem „besten Freund“, wie wir ihn uns vorstellen, werden sie nie werden. Hunde kennen gar keine Freundschaften wie wir. Weil Hunde anders denken! Sie denken in Hierarchien. Bei ihnen gibt es ein Oben und Unten aber keine gleichberechtigte Partnerschaft, wie wir sie uns als das Ideal einer glücklichen Beziehung wünschen.
Wer einen Hund wie einen Menschen behandelt, überfordert ihn. Das setzt das Tier unter Stress und es reagiert entsprechend aggressiv oder ängstlich, je nach Typ und Temperament. Der eine bekommt Beißattacken, der andere macht Häufchen auf den Teppich. Noch andere beschließen diesen Menschen, der dauert komische Dinge will, ab sofort einfach zu ignorieren und ihr eigenes (Hunde)-Leben zu führen.
Jetzt denken Sie einmal an den Alltag Ihres Hundes. Ständig neue unangenehme Situationen. Immer wieder neue Herausforderungen. Neue Menschen, neue Gerüche, Fahrstühle, eine andere Umgebung, etc. Wie soll ein Hund, der nicht ein Minimum an Selbstbewusstsein hat, diese immer wieder anstrengenden, für ihn unsicheren, Situationen überstehen, ohne von einer Panik in die nächste zu fallen, Ängste zu durchleben, Widerwillen zu spüren, sich zu verweigern, Aggressionen zu entwickeln?
Nur lassen sich solche Situationen bei einem Zusammenleben mit dem Menschen nicht ausschließen. Es sei denn der Mensch verzichtet seinerseits auf sein eigenes Sozialleben, baut sich eine Laubhütte im Wald und geht wieder auf die Jagd. Für den Hund ideal!
Für die meisten Menschen wohl eher nicht. Aber das macht deutlich, woher fast alle Spannungen im Zusammenleben von Mensch und Hund kommen. In den allermeisten Fällen lässt sich das (in unseren Augen) Fehlverhalten von Hunden auf Stress zurückführen. Nur lässt sich Stress für den Hund in unserer modernen Welt nun einmal nicht verhindern.
Fragen wir uns wieder: Wie reagieren wir Menschen auf Stress? Gereizt, genervt, ängstlich oder aggressiv! Hält der Stress an, werden wir krank: Magengeschwüre, Allergien, Depressionen, Phobien, Neurosen. Und das sind auch (wohl nicht ganz zufällig) die typischen modernen Hundekrankheiten!
Und: Was hilft uns Menschen, Stress abzubauen, wenn wir ihn nicht vermeiden können? Genau, einen Gegenpol zu setzen, zu entspannen. Dazu brauchen wir aber einen Ort an dem wir uns wohlfühlen. Das ist in den allermeisten Fällen das eigene Heim, denn dort ist uns alles vertraut, wir fühlen uns sicher.
Dazu kommt die Familie, zu der wir Vertrauen haben, in der wir einen festen Platz haben und uns verstanden und geborgen fühlen. Manchmal brauchen wir auch ein wenig Freiraum, Freizeit und idealerweise Bewegung um negative Energien abzubauen und Kraft zu tanken.
Und unser Hund? Braucht genau dasselbe. Eine Familie (Vertrauen, Geborgenheit), einen Rückzugsort (Sicherheit, Entspannung) , Beschäftigung (Freizeit) und Bewegung (Stress abbauen, Energie tanken).
Aber nicht umsonst ist der Hund das wohl älteste Haustier des Menschen. Schon seit tausenden Jahren funktioniert diese Beziehung. Und das, obwohl beide, Mensch wie Hund, Raubtiere sind. Denn Sie haben eine entscheidende Gemeinsamkeit. Sie sind nämlich Teamplayer! Beide leben (normalerweise) in Familienverbänden. Sie sind es also gewohnt mit anderen zusammen zu leben. Ihr Verhalten, ja ihr ganzes Wesen, sind darauf ausgerichtet. Sie sind es gewohnt ständig mit anderen zu interagieren.
Jeder Mensch fragt sich dauernd, wie er denn bei anderen ankommt. Manche richten ihr ganzes Verhalten darauf aus anderen zu gefallen. Und keiner mag es ausgegrenzt zu werden. Ablehnung durch eine geliebte Person und Mobbing, also Ablehnung durch andere Menschen, sind wohl die schlimmsten Erfahrungen, die wir machen können.
Menschen sind hochgradig soziale Tiere, die es gewohnt sind in komplexen Strukturen zu denken, zu leben und zu handeln. Wir sind darauf angewiesen in einer Gruppe aufgenommen und akzeptiert zu werden. Und das hat einen entscheidenden Grund: Die Gruppe gibt uns Sicherheit!
Unsere erste und meist auch beständigste Gruppe ist unsere Familie. Jedes Kind braucht Eltern bzw. Bezugspersonen an die es sich anlehnen kann, die es beschützen. Zu denen es aufblicken kann, von denen es lernen kann. Die aber auch für Essen, Kleidung und ein Dach über den Kopf sorgen.
Später kommt dann der Freundeskreis hinzu. Gerade Jugendliche in der verwirrenden Pubertät fühlen sich in einer Gruppe Gleichaltriger sicherer und stärker. Dagegen werden Jugendliche ohne oder ohne die richtigen Freunde, Klamotten oder MP3-Player gnadenlos gemobbt.
Als Erwachsener legt sich das Ganze dann vielleicht wieder ein wenig, aber auch wir haben ein grundlegendes Interesse daran, das uns wenigstens einige Bekannte mögen und die Arbeitskollegen wenn nicht auch mögen, so doch zumindest akzeptieren.
Bei Hunden ist dies ganz ähnlich. Will man aber das Wesen eines Hundes besser verstehen, sollte man sich das Verhalten der Wölfe in freier Wildbahn zum Beispiel nehmen, denn hier kann man das artgerechte Verhalten sozusagen im Original erleben.
Da erlebt man erst einmal eine kleine Überraschung. In einem freilebenden Wolfsrudel wird nicht permanent um Weibchen, Rangfolge oder Rudelführerschaft gerungen. Es wird nicht ständig darum gestritten wer als Erster essen darf oder das meiste Futter bekommt. Dies sind Beobachtungen in der Gefangenschaft, wo die Rudel auf engstem Raum ohne z.B. das typische Abwandern von erwachsen gewordenen Jungtieren, zusammen leben. Dies schürt Konflikte, die es so in der freien Wildbahn nie geben würde.
Das Leben in einem Wolfsrudel in freier Natur ist eben kein erbarmungsloser Konkurrenzkampf wie ihn uns quotensüchtige Dokumentarfilmer manchmal weismachen wollen. Das Leben in einem solchen Rudel ist geprägt von Zusammenhalt, gegenseitiger Hilfe, Vertrauen und Schutz, denn eine Wolfsfamilie kann in der Natur nur überleben, wenn sie als Team handeln und sich dabei aufeinander verlassen können.
Meist leben die Eltern zusammen mit ihrem Nachwuchs und einigen Verwandten. Die größeren Jungtiere helfen sogar bei der Aufzucht der jüngsten Geschwister. Wenn sie dann als zweijährige geschlechtsreif werden, verlassen sie aber das Rudel und suchen sich ein eigenes Territorium.
Das Sagen haben grundsätzlich nur die Eltern, denn sie haben auch die Verantwortung. Anführer ist dabei nicht der lauteste, sondern der kompetenteste, also das Tier, welches durch Ruhe und Überblick am besten für das Wohl der Familie sorgen kann. Also eine echte Führungspersönlichkeit . Und das ist nicht selten das Weibchen.
Wie bei den Menschen haben Wolfsjunge eine enge Verbindung zu ihren Eltern, denn auch hier sorgen diese für Nahrung, Obdach und Schutz vor Feinden. Diese Bindung bleibt bestehen, solange das Jungtier im Rudel bleibt. Es stellt die Führungsrolle der Eltern nicht in Frage. Natürlich benehmen sich diese Jungtiere auch nicht immer brav und artig. Auch sie testen, genauso wie Kinder und Jugendliche gelegentlich ihre Grenzen aus und benehmen sich mal daneben. So kommt es schon mal zu Rangeleien mit Geschwistern und Verwandten, aber diese arten nie in ernste Konflikte aus, denn das würde das Leittier sofort unterbinden.
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