1 ...6 7 8 10 11 12 ...16 „Sie rechnen auch mit keinerlei Problemen in Neapel?“
„Nein. Sie kennen sich augenscheinlich nicht wirklich im Detail mit europäischen Häfen aus. Der Hafen von Neapel wird durch - nun sagen wir einmal ein neapolitanisches Schwesterunternehmen unseres Unternehmens kontrolliert.“
Er meinte die Camorra , jedoch hatten solche Worte nichts im durch die Amerikaner und andere Staaten nahezu lückenlos überwachten Internet zu suchen, auch wenn die Geschäftsleitung von skype nicht müde wurde zu betonen, dass über skype geführte Gespräche nicht abgehört werden könnten - man konnte nie wissen.
„Unsere italienischen Partner garantieren die problemlose Abfertigung der Sendung. Wir werden Ihnen in Kürze die entsprechenden Containernummern, die dazugehörigen Packing-Lists , die Commercial Invoice und den Namen des Schiffes mitteilen, das die Sendung weiter nach Jebel Ali befördern wird. Wir liefern die Ware vereinbarungsgemäß bis in die Zollfreizone von Jebel Ali. Ab dann ist die Lieferung Ihre Angelegenheit - inklusive der gesamten Zollabwicklung mit den Behörden von Dubai. Sie erhalten die Unterlagen per e-mail, sobald die Ware auf See ist und Sie natürlich die letzte Teilzahlung beglichen haben.“
Vasilenko zog ein letztes Mal an seiner Zigarette und warf sie achtlos in den neben dem Computer stehenden Aschenbecher.
„Machen Sie sich keine Sorgen, sobald die Lieferung auf See ist, werde ich die letzte Teilzahlung freigeben.“
„Wenn ich der sorgenvolle Typ Mann wäre, würde ich wohl kaum meinen Lebensunterhalt in dieser Branche verdienen. Ich möchte nur noch einmal unterstreichen, dass - obwohl Sie bereits eine beträchtliche Anzahlung geleistet haben - ich das Schiff eher versenken würde, als Ihnen die Lieferung ohne vollständige Bezahlung zu überlassen. Ich habe als kleine Rückversicherung eine Sprengladung in einem der Container anbringen lassen. Nur damit keine Unklarheiten aufkommen. “
„ Es gibt keinerlei Veranlassung für Drohungen . Ich bin dafür bekannt, dass ich mein gegebenes Wort auch halte. Ich bin jedoch auch dafür bekannt, dass ich ein Mann bin, dem man besser nicht drohen sollte. “, gab der Orientale kalt zurück.
Die beiden Männer starrten sich für einen Augenblick durch Ihre Webcams an, als seien sie zwei Tiger, die sich, in benachbarte Käfige gesperrt, durch die Gitterstäbe taxierten.
Raubtiere unter sich.
„Wir brauchen noch eine weitere saubere e-mail-Adresse von Ihnen, um die sichere Übermittlung der Dokumente zu gewährleisten.“, fuhr Vasilenko fort.
„Wir werden sie Ihrem Kontaktmann in Rom auf dem üblichen Weg zukommen lassen.“
„Haben Sie noch irgendwelche Fragen?“
„Nein.“
„Wir werden Sie wissen lassen, wann es Zeit für die letzte Teilzahlung wird.“
„Wir erwarten Ihre Mitteilung.“
Vasilenko beendete ohne ein weiteres Wort die Verbindung.
„Was für ein verdammter Hurensohn . Glaubt der wirklich, ich scheiße mir vor ihm die Hosen voll? Was glaubt er, wer ich bin? “, brach es aus Dimitri heraus.
„ Du kennst doch diese Geheimdienstler - halten sich immer für die härtesten der Harten. Vergiss es. Wir nehmen sein Geld und dann: Geschissen auf ihn!“, versuchte Sergej seinen Boss milde zu stimmen.
„Du hast Recht: Geschissen auf ihn! Den Hurensohn!“, sagte Vasilenko und goss sich einen weiteren Wodka ein.
„Lass den Laptop verschwinden. Und schick mir Irina rauf. Ich brauche dringend Entspannung.“
Guter Freund weist sich in schlechter Zeit.
Sein Finger lag am Abzug.
Noch ein letzer Moment der Selbstkontrolle, der Disziplin und alles würde vorbei sein.
Reitan hörte plötzlich durch die Bürotür gedämpfte Stimmen aus seinem Vorzimmer, glaubte die Stimme seiner Sekretärin zu erkennen.
„Sie können jetzt unmöglich zu ihm, er will auf keinen Fall gestört werden.“
Verdammt , schoss es ihm im Bruchteil einer Sekunde durch den Kopf, er hatte die Tür nicht abgeschlossen!
Er riss den Revolver von der Schläfe und warf ihn in die vor ihm stehende Kiste - im selben Augenblick flog die Tür auf und Matthias Propfe, sein Bereichsleiter Logistik, langjähriger Wegbegleiter und Freund aus Kindertagen stürmte in das Büro.
„Ich weiß sehr gut, wann und vor allem mit was ich Claus stören kann und wann nicht.“, sagte Propfe im Hineinkommen erbost in Richtung der hinter ihm befindlichen Sekretärin.
„Claus, wir haben ein Problem!“ Er stockte kurz. „Sag mal: Du trinkst? Um diese Zeit?“, fragte er Reitan mit Blick auf die Flasche.
Die Sekretärin schloss diskret die Tür von außen.
Reitan klappte die Holzkiste zu, sein Puls raste.
„Das überlässt Du mal schön mir, wann ich was trinke. Ich bin schon seit einigen Jahren volljährig und zwar Dein Freund, aber auch Dein Chef, schon vergessen? “
Wäre Matthias nur drei Sekunden später gekommen, wäre er wahrscheinlich noch etwas entsetzter gewesen als er es jetzt war.
„Was gibt es denn so wichtiges, dass Du hier so einfach reinplatzt? Es ist unglaublich . Noch nicht mal in meinem eigenen Büro habe ich auch nur fünf Minuten Ruhe.“, sagte Reitan aufgebracht.
Propfe ließ sich unbeeindruckt in den Reitan gegenüberstehenden Sessel fallen.
„Es geht um Deinen neuen Großkunden - Beta One Energy Systems. Diese Russen. Du hast selbst gesagt, dass alles was mit diesem Kunden zu tun hat, ausschließlich über Deinen Schreibtisch geht. Was ist nur los mit Dir? Du trinkst jetzt schon Whisky? Wieder Probleme mit Gracia? “
„Jetzt lass mal den Whisky. Was gibt es für ein Problem?“ , fragte Reitan gereizt und hoffte, dass er Propfe schnell wieder loswerden konnte. Er würde sich kaum vor den Augen seines Freundes erschießen.
Für so etwas hatte er jetzt wirklich keine Nerven.
„Na ja, mit dem Kunden direkt eigentlich gar keins. Zahlungsmoral hervorragend und sie verschicken über uns Container im Dutzend. Aber mit einer ihrer Sendungen, die sich gerade bei uns auf dem Gelände befindet… “
„Matthias, ich wäre Dir wirklich sehr verbunden, wenn Du zum Punkt kommen würdest. Ich wollte heute eigentlich überhaupt nicht gestört werden. Also sag jetzt, was Du zu sagen hast und dann lass mich allein. Ich habe zu tun. “
Was genau hatte Reitan denn gerade zu tun , fragte sich Matthias, sein Blick wanderte unwillkürlich wieder zu der zwischen ihnen stehenden Flasche.
Nun ja, das ging ihn wohl nichts an.
Propfe fuhr fort.
„Wir haben gestern eine Sendung von Beta One, bestehend aus acht Vierzig-Fuß-Containern in Rotterdam übernommen. Sind mit dem Schiff aus Sosnowy Bor, einem russischen Ostseehafen gekommen, wir sollen sie mit Tiefladern weiter nach Neapel verfrachten und von dort weiter nach Jebel Ali verschiffen. So weit, so gut.“
„Und?“ fragte Reitan entnervt - er hätte Matthias sofort wieder rauswerfen sollen, Freundschaft hin, Freundschaft her.
„Na ja, einer der Container wurde wohl auf See oder beim Abladen vom Schiff beschädigt. Beim Umladen bei uns auf dem Gelände mittels Kran hat sich der Container geöffnet und die Frachtstücke sind ziemlich unsanft auf unserem Hof gelandet.“
„Und damit kommst Du zu mir? Lass eine Meldung an die Versicherung machen und das war‘s dann. So etwas passiert doch ständig .“
„Warte. Es geht nicht um eine Beschädigung der Fracht.“
„Sondern?“
„Der Mitarbeiter, der das anschließende Umladen in einen unserer Container überwacht hat, hat die neu verladenen Frachtstücke mit der Packing List des Containers abgeglichen, um sicherzugehen, dass auch alles verladen wurde und nichts fehlt. Es ist ein Frachtstück mehr in dem Container, als die Liste verzeichnet.“
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