1 ...8 9 10 12 13 14 ...17 Brian stockte der Atem. War das sein Mann? Möglich. Die Initialen, die Epoche, alles passte. Sogar das Jahr seines Todes stimmte mit der Jahreszahl auf der Uhr überein. Aber warum hatte er seine Initialen auf eine Uhr graviert? War dies vielleicht seine eigene Entwicklung, die nicht für eine Manufaktur erstellt wurde? Dann wäre die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass es sich doch um ein Einzelstück handelte. Und das bedeutete, es hätte einen immensen Wert.
Wusste vielleicht die süße Verkäuferin mehr über die Herkunft der Uhr? Aber sie zu finden glich der Suche nach der Nadel im Heuhaufen. Aber hatte sie nicht gesagt, sie käme nächsten Samstag nochmals auf den Flohmarkt? Das wäre vielleicht die Chance, sie noch mal zu treffen und nach der Uhr zu befragen. Er musste ja nichts über den tatsächlichen Wert erwähnen. Vielleicht könnte er das Mädchen doch auf ein Abendessen einladen, somit hätte er zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Dafür müsste er allerdings noch eine Woche warten. So lange wollte er wiederum nicht in Paris bleiben. Aber je nach dem, was sich noch mit seinem Vater ergab, müsste er ohnehin noch hierbleiben. Oder er kam noch einmal wieder. Er wollte die Chance nicht versäumen mehr über seinen Neuerwerb zu erfahren.
Brian notierte sich die Informationen auf seinem Zettel. Er versuchte im Netz noch weitere Informationen über Chevalier zu finden, aber hatte keinen Erfolg, dieser Uhrmacher war doch offenbar eher unbekannt. Es gab noch ein paar Einträge, die allerdings ins Leere liefen und keine wirklichen Informationen enthielten.
Nun galt es, noch etwas über die Krone in Erfahrung zu bringen. Wenn er das fehlende Teil eventuell sogar hier vor Ort finden könnte, wäre eine vollständige Instandsetzung kurzfristig möglich.
Die Neuigkeiten hatten ihn jetzt dermaßen erregt, dass er durstig geworden war. Er holte sich bei dem Marokkaner ein weiteres Glas Wasser, der ihn gleichzeitig darauf hinwies, dass die bezahlte Stunde gleich um sei, und der Betrag für die nächste Stunde fällig wurde. Brian bezahlte und begab sich wieder ungeduldig an seinen Bildschirm. Offensichtlich benahm er sich dabei so auffällig, dass ihn die Männer in dem Raum wieder beobachteten. Einer von ihnen, der nicht weit von ihm entfernt ebenfalls an einem PC saß, beugte sich sogar extrem weit herüber, um scheinbar erkennen zu können, was sein Bildschirm anzeigte. Dabei erkannte Brian eine Tätowierung an seinem Hals, die einen springenden Panther zeigte. Der Mann war offenbar ebenfalls Nordafrikaner, Tunesien, Algerien oder diese Ecke. Er war etwa Ende zwanzig und entsprach optisch dem Klischee des Straßengangsters, durchtrainiert und Angst einflößend, trotzdem hatte er kein unfreundliches Lächeln auf den Lippen. Er trug eine seltsame Kombination aus Jogginganzug und schwarzem Ledermantel. Brian kannte diese Kombination aus den Ghettos der amerikanischen Großstädte, aber auch in Berlin liefen kleine Dealer, die sich für besonders cool hielten in einer solchen Aufmachung herum. Offensichtlich hatte der Araber schon länger die geöffneten Seiten auf Brians PC verfolgt und dort Bilder von Uhren erkannt, denn jetzt kam er zu Brian herüber und flüsterte in stark arabisch akzentuiertem Englisch: „Wenn du Original Uhren brauchst, kann ich dir welche besorgen. Super Preis. Rolex, Breitling, was suchst du?“
Brian hob abwehrend die Hände und antwortete höflich: „Nein danke, ich bin nicht auf der Suche nach Uhren. Sehr freundlich von ihnen, aber ich brauche nichts!“
„Hey Mann“, versuchte der Araber ihn zu überzeugen und grinste breit. „So billig kommst du da nie wieder ran. Kann dir auch andere Sachen besorgen. Handys, Fernseher. Oder brauchst du guten Stoff? Das Beste vom Besten. Was brauchst du? Sag schon, Mann!“
„Nein, wirklich“, beteuerte Brian. „Ich brauche gar nichts, Danke!“
Ein zweiter Mann hatte sich plötzlich dazu gesellt und sah Brian misstrauisch an. Er setzte dabei ein falsches Lächeln auf und seine Goldzähne blitzten. Auch er hatte dieses Panther-Tattoo auf dem Hals. Obwohl kleiner und kräftiger als der andere hatten die beiden doch eine gewisse Ähnlichkeit.
Hätte ich doch besser einen anderen Ort gesucht, dachte sich Brian und versuchte dennoch freundlich aber bestimmt auszusehen. Er wollte nicht auch noch in ein Handgemenge verwickelt werden. Mit den beiden Gangstern hätte er es noch aufnehmen können, aber wahrscheinlich hätte er die ungefähr acht anderen Männer auch direkt gegen sich gehabt. Unauffällig zog er seinen Jackenärmel etwas nach unten, um seine Armbanduhr zu verdecken. Sein Lieblingsstück von Mont-Blanc, nicht sehr wertvoll, aber eine Marke, die der Araber bestimmt in seinem Sortiment gebrauchen könnte. Plötzlich griff der Mann in seine Tasche und Brian zuckte, bereit sich gegen seinen Angreifer zu werfen, sollte dieser jetzt eine Waffe zücken. Aber der Hehler zog nur eine Visitenkarte heraus, streckte sie Brian entgegen und beugte sich noch näher zu ihm hinunter.
„Falls du es dir anders überlegst, ruf mich an. Egal, was du brauchst. Frauen, Waffen, Autos. Ich mach dir einen Freundschaftspreis. Für amerikanischen Freund. Ich bin sicher, wir können gute Geschäfte machen.“
Damit drehte sich der Araber unvermittelt um und verließ nach einem kurzen Nicken Richtung Besitzer gemeinsam mit seinem Kumpel das Lokal.
Brian atmete tief durch und sah sich um. Keiner der Anwesenden schien durch den Zwischenfall irritiert zu sein, offensichtlich waren solche Geschäfte hier an der Tagesordnung. Er versuchte sich wieder auf seinen Bildschirm zu konzentrieren, hatte aber Mühe sich von den Gedanken an das soeben Geschehene nicht ablenken zu lassen. Die Visitenkarte, die nur mit einer Handynummer, einem Panther und dem Namen Farid bedruckt war, steckte er in die Jackentasche. Vielleicht würde man es hier als Affront betrachten, ließe er sie hier liegen.
Die Suche nach der Durowe-Krone war nicht so langwierig, wie Brian es befürchtet hatte. Es gab viele Informationen dazu, jedoch nichts, was von Interesse war. Brian suchte ja vielmehr nach einem Anbieter. Konkretes fand er allerdings nicht, dennoch einige Adressen von Juwelieren, die Einzelteile anboten, allerdings nur in Zusammenhang mit einer Reparaturleistung. Auf einer Internet-Verkaufsplattform allerdings gab es tatsächlich einen Anbieter namens „Watch out for watches“, der Ersatzteile für Uhren anbot und als Beispiel unter Anderem Uhren von Jean-Pierre Chevalier nannte. Dies war insofern verwunderlich, da der Schweizer ja scheinbar gar keine Uhren in eigenem Namen konstruiert hatte. Oder hatte Brian doch etwas übersehen? Wie auch immer, die Firma schien ihren Sitz in Paris zu haben, was ihm natürlich entgegen kam. Er beschrieb auf der Kontaktseite des Anbieters, welches Ersatzteil er suchte und gab seine Email-Adresse an mit der Bitte um schnelle Antwort. Er notierte sich auch diese Informationen auf seinem Notizzettel, der damit nicht nur vollgeschrieben war, sondern auch nahezu abgearbeitet. Jetzt musste nur noch der russische Text übersetzt werden. Schade, dachte Brian mit einem Schmunzeln, dass es nicht arabisch war, sonst hätte er vielleicht seinen neu gewonnenen Freund von vorhin dazu befragen können. Er schloss sorgfältig alle geöffneten Seiten, löschte Cookies und Verlauf im Browser und beendete den Internetzugang. Dann stellte er sein leeres Glas auf den Tresen und verabschiedete sich höflich.
Als Brian aus dem Haus trat merkte er erst, wie sehr seine Augen brannten und wie sehr er die verpestete Stadtluft genoss, die ihm wie purer Sauerstoff im Vergleich zu den Nebelschwaden in dem Internetcafé erschien. Er hatte nun Hunger bekommen und machte sich auf die Suche nach einem Restaurant. Nachdem er schon am Mittag nur ein Sandwich gegessen hatte, wollte er sich an diesem Abend doch etwas Besseres gönnen. Alles in Allem war es ja ein erfreulicher und ereignisreicher Tag gewesen. Morgen war Sonntag und Brian überlegte beim Dahinschlendern, was er da unternehmen könnte. Die Polizei brauchte er erst gar nicht aufzusuchen, die würden ihn nur auf Montag vertrösten. Und sonst hatte er nichts mehr zu tun. Vielleicht würde er irgendwo einen Russen finden zum Übersetzen. Und er musste seine Mails checken. Und vielleicht würde er ja doch noch den Eiffelturm besuchen können.
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