Flirt, Flucht
&
Fiasko
von Liane Leicht
1. Auflage 2016
Copyright © 2016 Liane Leicht
Copyright deutsche Erstausgabe © 2016
Alle Rechte vorbehalten
ISBN: 978-1533637246
Umschlaggestaltung und -Typographie:
Andreas Müller, Alling
Homepage: www.ephresta.de
Außerdem von der Autorin erschienen:
Die ewige Mondnacht
Die Legende einer Schwertkämpferin
Die Wahrhaftigen
Selmingen - Das Geheimnis der mystischen Insel
Wolfsnacht
Über den Autor:
Liane Leicht lebt und arbeitet in einer Kleinstadt nahe bei München. Seit ihrem 8. Lebensjahr schreibt sie mit Begeisterung eigene Geschichten. Den Roman "Flirt, Flucht & Fiasko" verfasste sie im Alter von 15 Jahren.
Ein unglaubliches Angebot
Im Einkaufszentrum war die Hölle los. Es war Samstagmorgen. Alle waren unterwegs. Aber Annika brauchte unbedingt noch ein Kleid für das große Volksfest nächste Woche. Ich hatte nachgegeben und eingewilligt ihr bei der Suche zu helfen. Ich hätte mir das nicht antun müssen. Schließlich ging ich noch nicht einmal selbst hin. Ich war in keiner Beziehung und jemand anderes hatte mich nicht gefragt, ob wir gemeinsam hingehen könnten. Alleine dort aufzukreuzen würde ich nicht wagen. Niemand würde das. Damit würde man ja zeigen, dass man Single war und keine Begleitung fand. Dann lieber gar nicht.
Außerdem machte das Fest nur dann Spaß, wenn man ein Liebespaar war. Denn das Highlight des Abends war die romantische Bootsfahrt unter dem Vollmondhimmel über den mit Kerzenschein beleuchteten See.
Annika würde natürlich mit Dominik, ihrem Freund, dort sein. Aber ich? Ich würde mal wieder zu Hause sitzen. Es war nichts Besonderes, ich war nie auf dem Fest gewesen. Ich kannte das alles nur aus den Erzählungen von anderen. Es hörte sich toll an und ich würde wirklich liebend gerne hingehen, aber was sollte ich machen? Alleine? Niemals!
„Glaubst du, wir finden was?“, fragte ich gerade meine Freundin.
„Wir müssen , Miriam!“, erklärte mir Annika mit Verzweiflung in der Stimme und zerrte mich in ein Geschäft zu unserer Rechten.
Wir waren ungefähr eine geschlagene halbe Stunde darin, ohne fündig zu werden. An jedem Kleid hatte sie etwas auszusetzen. Es war nicht festlich genug. Die Farbe stand ihr nicht. Es saß nicht richtig. Es hatte zu viele Rüschen (Annika fand, dass sie in einem Rüschenkleid wie eine 3-jährige wirkte, deren Mutter ihr das Kleidchen aufgezwängt hätte). Falls dann doch alles passte, gab es noch immer Dominik, dem es angeblich aus irgendwelchen fadenscheinigen Gründen nicht gefallen würde.
Nichts stellte sie auch nur annähernd zufrieden. Ich hatte gewusst, dass es schwierig werden würde mit Annika einkaufen zu gehen, doch nach zwei Stunden und gefühlt zehn Läden gab ich die Hoffnung auf, dass wir je etwas finden könnten.
Erschöpft ließ ich mich auf einen Stuhl fallen und betrachtete meine Freundin missmutig. Mit unermüdlicher Energie verschwand sie in der Umkleidekabine, eine Handvoll Kleider auf dem Arm. Kurze Zeit später kam sie wieder heraus. Sie trug ein dunkelblaues Kleid, drehte sich einmal vor mir im Kreis und fragte: „Wie sehe ich aus?“
„Toll.“ Das war inzwischen zu meinem Standardspruch geworden. Man hörte es mir vielleicht nicht an, aber ich meinte es immer ehrlich.
Annika hatte lange seidig-glänzende Haare und ein hübsches Porzellangesicht. Sie sah in jedem Kleid umwerfend aus. Ich verstand gar nicht, welches Problem sie hatte.
„Meinst du nicht, es ist ein bisschen zu weit ausgeschnitten?“
„Blödsinn. Das steht dir gut.“
„Aber dann glaubt Dominik vielleicht, ich würde aufreizend erscheinen wollen.“
„Das ist dein gutes Recht als Frau!“, kofferte ich mich auf. „Er soll froh sein, dass er so eine gutaussehende Freundin hat. Dann muss er auch riskieren, dass dir andere Männer einen Blick zuwerfen. Aber da auf dem Fest sowieso alle als Paar unterwegs sein werden, halte ich die Chance für relativ gering.“
Annika ging gar nicht auf meine Rechtfertigungen ein. „Ich glaube, der Rock ist zu lang. Ich werde die ganze Zeit über den Saum stolpern und ihn dreckig machen.“
„Du brauchst höhere Schuhe, dann ist er gleich viel kürzer.“
„Aber da ist so eine komische Schleife am Rücken. Sieht das nicht zu verspielt aus?“
Ich gab auf. „Nein“, erwiderte ich einsilbig, mir der Tatsache bewusst, dass ich nichts tun oder sagen könnte, um sie dazu zu bringen, das Kleid zu kaufen.
Nach weiteren vier Anproben ließ sie sich neben mich plumpsen. „Kannst du mir ‘nen Kaffee holen? Es gibt hier, glaube ich, einen Automaten. Zumindest sehe ich ständig Leute mit Pappbechern durch die Gegend laufen. Ich geh so lange in den Laden gegenüber und schau mich ein bisschen um.“ Sie holte ihren Geldbeutel heraus und drückte mir einen Euro in die Hand. „Sei so lieb, ja?“, sagte sie in einem zuckersüßen Tonfall, dem ich nicht wiedersprechen konnte. Tatsächlich war ich sogar ganz froh über die Ablenkung.
Wir verließen gemeinsam das Geschäft und fanden uns sogleich im allgemeinen Samstagmorgengewühl wieder. Dann trennten sich unsere Wege. Sie ging in den Laden gegenüber und ich stand ziemlich hilflos da und schaute mich um. Wo um alles in der Welt sollte ich jetzt diesen Kaffeeautomaten finden? Völlig orientierungslos bog ich nach links ab und trottete den dichtgedrängten Gang entlang.
Mein Blick streifte einen Typen. Er kniete auf dem Boden und wischte mit einem Stapel Papiertücher eine braune Flüssigkeit auf. Seine schulterlangen blonden Haare verdeckten dabei zur Hälfte sein Gesicht, doch ich schätzte, dass er in meinem Alter war. Neben ihm stand ein fast leerer Pappbecher. Scheinbar hatte er Kaffee verschüttet. Das war meine Chance!
Ich ging auf ihn zu und fragte ihn freundlich, wo denn der Kaffeeautomat wäre. Er musste es ja schließlich wissen.
Schwer in seine Arbeit vertieft, deutete er nach rechts und meinte: „Da hinten irgendwo.“
Wow, wie präzise!
Er sah kurz auf, zögerte. Seine blauen Augen musterten mich ein paar Sekunden lang. „Ich kann es dir zeigen, wenn du willst“, bot er an. „Ich brauch‘ sowie einen neuen Kaffee.“ Seine veränderte Haltung irritierte mich, aber ich nickte trotzdem. So würde ich den Automaten wenigstens finden.
Ich schaffte es sogar noch ein „Das wäre nett“ hervorzubringen.
Er hob seinen Pappbecher auf, trank schnell den letzten Schluck aus und stopfte die feuchten Papiertücher hinein. Dann stand er auf und spazierte voraus. Ich folgte ihm mit einem mulmigen Gefühl im Bauch. Vielleicht wollte er meine Orientierungslosigkeit ausnutzen und mich ganz wo anders hinlocken? Aber wie viele Möglichkeiten gab es denn in einem Kaufhaus schon und vor allem: Warum sollte er?
Trotzdem war mir nicht ganz wohl bei der Sache. Schließlich hatte er am Anfang überhaupt nicht den Eindruck erweckt, mich irgendwo hinführen zu wollen.
Nur mit Mühe schaffte ich es mit seinen langen Beinen Schritt zu halten und ihn nicht in der Menge zu verlieren. Er führte mich im Zick-zack-Kurs durch die Gänge, bis wir nach etwa fünf Minuten tatsächlich vor dem Kaffeeautomaten standen. Er befand sich etwas Abseits von dem Gedränge, direkt neben der Fluchttür.
Der Junge warf seine schulterlangen strähnigen Haare nach hinten und lächelte mich leicht überheblich an. So als wolle er dafür gelobt werden, dass er mir den richtigen Weg gezeigt hatte.
Wahrscheinlich traute er mir nicht zu, die Maschine ohne seine Anleitung bedienen zu können, denn er warf etwas Geld ein, drückte einen Knopf und wartete, bis ein Pappbecher mit Flüssigkeit gefüllt wurde. In der Zwischenzeit schmiss er den bisherigen Becher in den nebenstehenden Mülleimer.
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