„Da sind wir ja fast Nachbarn. Ich wohne mit meinen Kumpels auch beim Central Park in der Upper West Site. Jetzt müssen wir aber erst einmal diese Monster loswerden.“ Kanaj zuckt mit den Schultern. „Aber das sollten wir hinbekommen. Meiner Meinung nach, sind das Kroks.“ „Was sind Kroks?“ fragt Lenny verwundert. „Die Kroks sind die Hilfstruppen des Kanzlers“ erklärt Kanaj. „Das ist der Typ, der aktuell in New York das Sagen hat. Aber zu dem Kapitel kommen wir später. Der Kanzler, wir nennen ihn aufgrund seiner schnabelartigen Nase nur die Krähe, macht sich die Ängste der Menschen zu nutzen. Er spürt, was Deine tiefsten Ängste sind und lässt Wesen erstehen, die Dich mit Deinem eigenen Grauen und Entsetzen konfrontieren. Er blockiert Dich damit und entzieht Dir Deine Energie und Kraft.
Es gibt nur wenige Menschen, die sich gegen die Kroks zur Wehr setzen und noch weniger, die bereits ihre Kroks besiegt haben. Jeder Mensch hat andere Ängste und daher hat auch jeder seine eigenen, persönlichen Kroks, mit denen er zu kämpfen hat. Kanaj erklärt Lenny weiter, dass es wichtig ist, sich seiner Ängstebewusst zu werden. Aufkommende Ängste schwächen extrem das eigene Energiepotential. Sie saugen einem die Kraft aus dem Körper. Ängste lähmen Dich. Und darauf bauen die Kroks. Ihr Anblick erzeugt bei Dir diese überdimensionale Angst. Das Gift der Angst dringt erst in Deine Gedanken, dann in Deine Gefühle und später blockiert es, wie bei dem Gift der Schlange, Deinen ganzen Körper. Du bist unfähig, Deine Potentiale, Deine Stärke abzurufen. Du bist in diesem Augenblick schwach und besiegbar. Der Krähe weiß genau, dass er ängstliche Menschen besser kontrollieren kann. Die Angst ist der Schatten der Krähe, des Negativen, der sich auf Deine Seele legt. Ängste sind keine Realität und die wenigsten werden Wirklichkeit in unserem Leben. Leben wir jedoch in einem ständigen Zustand der Angst, dann ziehen wir das Negative, das, was wir nicht wollen, in unser Leben. Der Kanzler Crow und die Kroks dominieren uns, weil wir sie mit der Angst in unser Leben lassen. Angst ist negative Energie, die sich über unsere Gedanken in unseren Geist einschleicht und sich in unseren Gefühlen manifestiert. „Wie ist es bei Dir Lenny, wie oft beschäftigst Du Dich mit Ängsten.“ fragt Kanaj. „Hast Du Angst, vor der nächsten Klassenarbeit in der Schule, weil Du vielleicht nicht gelernt hast. Hast Du eventuell Angst, dass Dein bester Freund nicht mehr zu Dir hält, dass er sich eventuell von Dir abwenden könnte. Hast Du Angst davor, dass sich manchmal andere Kinder über Dich lustig machen könnten. Wenn Du all diese Ängste annimmst, machst Du Dich kleiner, als Du bist. Du wirst immer so leben und handeln, um Ängste zu vermeiden. Sie werden Deine wirklichen Potentiale blockieren. Sie verhindern, dass Du wirklich glücklich und zufrieden bist. Mit der Angst auf dem Rücken, mit dieser Last wirst Du nie dauerhaft Erfolge in Deinem Leben erzielen. Daher gibt es, wenn Du dies erkannt hast, nur einen Weg für Dich. Du wirst Dich ein für alle Mal entscheiden und Dich von der Angst in Deinem Leben verabschieden. Die Angst und Du selbst werden getrennte Wege gehen. Du wirst ihr ab sofort nicht mehr gestatten, bei Dir zu verweilen. Die Angst ist es nicht wert, in Deinem Leben einen Platz zu finden. Sie ist ein Parasit, ein Blut- bzw. Energiesauger. Sie ernährt sich von Dir. Sie wird stark, wenn Du dadurch schwächer wirst.“
Lenny ist nachdenklich geworden. Ja es stimmt. Die Angst hatte ihn schon immer begleitet. Und er hatte oft den Schutz seines Vaters gesucht. Als Baby hatte er gern auf der Brust seines Vaters geschlafen. Dann fühlte er sich sicher und geborgen. Viele Dinge in der Außenwelt hatten ihn immer etwas erschreckt und er hatte immer einen großen Respekt vor jedem neuen Schritt in seinem Leben gehabt.
Kanaj legt die Hand auf Lennys Schulter. „Ich werde Dir verraten, wie Du ab sofort mit der Angst umgehen kannst. Wichtig ist schon einmal, dass Du Dir Deiner Angst bewusst bist. Du weist, dass sie für Dich nicht gut ist. Und das ist der Anfang vom Ende der Angst.
Das positive Gegenstück der Angst ist die Aufmerksamkeit, die bewusste VorSICHT. Wir schauen voraus, auf unseren Lebens-Weg und berechnen vorab, welche Gefahren auf uns lauern und wie wir diese meistern werden. Unsere 6 Sinne reagieren intuitiv bewusst, auch wenn unser Geist sich auf Abwegen befindet. Bewusstheit und Aufmerksamkeit sind unser positiver Filter. Er erkennt unbewusste Ängste und stellt diese in unseren Focus. Dieser Filter erlaubt ihnen nicht, unbemerkt in unsere Gefühle vorzudringen. Wir erkennen, was sich hinter der Angst verbirgt und überlegen uns, welchen positiven Wunsch wir dem entgegenstellen, was wir wirklich für unser Lebensglück möchten. Wir manifestieren diesen Wunsch mit unserem starken positiven Glauben. Und dann entwickeln wir eine Strategie, eine Idee, wie wir unserem Wunsch näher kommen. Durch Wünschen, Glauben, Handeln ziehen wir bewusst das in unser Leben, was uns gut tut.
Kanaj fährt in flüsterndem Ton fort: „Lenny, ich gebe Dir eine einfache Regel mit auf den Weg. Wenn Du vor etwas Angst hast, dann tue es. Überlege, ob die Angst berechtigt ist, ob Du Dich gefährlich verletzen könntest, oder ob sie Dich Dein Leben kosten könnte. Dann verneige Dich mit Respekt und gehe der Gefahr aus dem Weg. Wenn Du jedoch nur blaue Flecken davon tragen wirst, dann trete der Angst unbedingt entgegen. Es ist wichtig, sich jeder seiner Ängste zu stellen. Natürlich bist Du aufgeregt, wenn Du etwas Wichtiges vor Dir hast. Jeder Mensch ist aufgeregt. Das ist auch gut so. Das Adrenalin in Deinen Adern, der erhöhte Puls setzt Dich in die Bereitschaft, alles zu geben. Also stelle Dich immer Deiner Angst. Finde Wege mit ihr umzugehen. Wenn Du ein Angstgefühl hast, dann stelle Dich dieser Angst. Trete ihr entgegen. Und tue genau das, wovor Du Angst hast. Du wirst sehen, dass Du sie besiegen wirst. Die Angst wird sich durch Dein bewusstes Denken und Handeln in NICHTS auflösen, denn sie ist NICHTS. Sie ist nur ein Hirngespinst. Jede Angst, die Du persönlich besiegt hast, wird Dich stärker machen. Mutig ist nicht der, der keine Angst hat, sondern vor allem der, der seine Angst zu überwinden weiß und es tut.
Wenn Du von nun ab einen hässlichen Krok siehst, dann weist Du, dass es nur eine Angstgestalt, ein Phantasiebild ist. Lasse nicht zu, dass der Krok sich vermehrt und weitere Ängste zu Hilfe ruft. Fixiere ihn und stelle ihn zum Kampf. Lasse keine Gefühle der Angst zu. Bündele Deine positive Energie. Erfülle Deinen Geist damit, dass Du ihn besiegen möchtest. Sei stark und fest in diesem Glauben. Blicke ihm fest in die blutunterlaufenen Augen. Bleibe ruhig, konzentriert und bewusst. Unerwartet schnell wird er sich in schwarzen Rauch, in NICHTS auflösen.“
Kanaj hat eine Pause eingelegt. „So und nun werden wir sehen, ob Du schon etwas gelernt hast. Jetzt bist Du an der Reihe.“ „Was soll ich tun?“ fragt Lenny verdutzt. „Du willst doch nicht etwa, dass ich jetzt aufstehe und mich der Horde der Spinnenwesen stelle? Das kannst Du vergessen! Die werden mich in Stücke zerreißen und genüsslich verspeisen.“ „Los jetzt!“ reagiert Kanaj bestimmt. „Ich habe keine Lust, mich hier ewig zu verbarrikadieren. Wenn Du in eine Zwickmühle gerätst, werde ich Dir helfen.“ Lenny erhebt sich zögerlich und späht über den Tresen in den Lesesaal hinein. Was er sieht, lässt seinen Mut sinken. Mehr als 20 Vogelspinnen kriechen im Saal zwischen den Tischen herum. Weitere quellen durch die Eingangstür in den Raum. „Was hat Kanaj gesagt: „Wenn Du Angst hast, vermehren sich die Kroks umso mehr.“ Lenny beginnt, sich auf seine Angst zu konzentrieren. Er spürt sie tief in seiner Bauchgegend. Seine Aufmerksamkeit gilt seinen Gefühlen, die tief in ihm sitzen und seinen Magen zu einem Klumpen zusammenschnüren. Durch seine Konzentration auf die Angst selbst und ihre Auswirkungen auf seinen Körper, durch die reine Beobachtung der Situation spürt er, wie plötzlich seine Panik nachlässt. Die Angst, das Grauen scheinen unreal und unwichtig. Lenny spürt, wie sich der Energieschub reduziert und der Angstlevel sich allmählich verringert. Er steht hinter dem Tresen auf und hat plötzlich keine Hemmung mehr, auf die Kroks zuzugehen. Diese verharren und scharren unsicher mit den Spinnenbeinen. Nein sie weichen sogar zurück. Lenny nimmt ein Spinnenwesen ins Visier und fixiert es. Die blutunterlaufenen, giftgelben Raubtieraugen starren ihn hasserfüllt an. Nach wenigen Sekunden wirkt es jedoch irritiert und blinzelt. Schritt für Schritt reduziert Lenny den Abstand zu dem Ungeheuer. Als ihn nur wenige Meter von dem Monster trennen, gibt es ein Zischen und Lenny ist samt Vogelspinne in eine graue Rauchwolke gehüllt. Als sich die Rauchschwaden auflösen, ist die Vogelspinne verschwunden. Weitere Spinnen beginnen, wie Silvesterknaller, zu explodieren. Lenny spürt einen eigenartigen Geruch in der Luft. „Oh, denkt er, das riecht, wie ein Angstpups.“ Unwillkürlich muss er grinsen und das gibt auch der letzten Vogelspinne den Rest, die sich in eine graue Wolke auflöst. „Gut gemacht!“ Kanaj taucht applaudierend hinter dem Ausgabetresen auf. „Du hast Deine Lektion gelernt. Das muss man Dir lassen.“ Er kommt auf Lenny zu und klopft ihm anerkennend auf die Schulter.
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