Das Fatum [Schicksal, Geschick, Verhängnis, der geschichtliche Verlauf?] schließt Verbesserung [eine Neigung zum Komplexeren!] in sich. Kein Zustand des Universums kann ein gesunder sein, wenn er nicht eine aufstrebende Anstrengung zulässt. Die Richtung des Ganzen ist zum Besten und im Verhältnis zur Gesundheit.
Da schien Emerson der Natur so etwas wie eine „Übermensch-Tendenz“ zu unterstellen und so hat N das übernommen! In diesem zentralen Zusammenhang war das für den ja sehr kranken N von Emerson hier vorgegebene „Verhältnis zur Gesundheit“ sogar von besonderem Interesse, bedeutet es doch, wie es Ns „Lebenspraxis“ erweisen wird, dass und wie sehr N seine Bestrebungen um die Erhebung, „Erhöhung des Typus“, die „Züchtung des Übermenschen“, immer unmittelbar mit der Gewinnung seiner eigenen „ höheren “ oder überhaupt nur dauerhaft erscheinenden „ Gesundheit “, über die er nie verfügte, verbunden hat !
Hinter jedem Individuum schließt sich die Organisation, vor ihm öffnet sich die Freiheit. Die ersten und geringsten Rassen sind tot, die zweiten und unvollkommenen sterben aus oder bleiben, um zu höheren heranzureifen.
Zum Übermenschen? Überaffen? Überelefanten? Zu Überhund und Überkatze? Oder was noch alles - um die Lächerlichkeit dieses Bestrebens deutlich zu machen! - Weil ja auch das denkbar wäre? An dergleichen erlebte N die „philosophische“ Eigendynamik seines falsch verstandenen Wertens!
Bei der letzten Rasse, dem Menschen, ist die Großherzigkeit, jede neue Erkenntnis, die Liebe und der Dank; die er seinen Mitmenschen abzwingt, ein Beweis von seinem Vorwärtsbewegen aus den Kreisen des Fatums heraus nach denen der Freiheit; Befreiung des Willens von den Scheiden und Klötzen der Organisation, aus welcher er heraus gewachsen, ist das Ziel und der Zweck dieser Welt. EL.25
Das ergab zwar ein hübsches „Weltbild“ für die eigene Vorstellungskraft, hat aber nichts mit der Wirklichkeit dieser Welt zu schaffen. Sie ist ganz einfach nicht so. Das ist alles! Einmal jedoch in dieser Vorstellung befangen, wird sie in zig Varianten vorgeführt, wie beispielsweise in Emersons Ansichten „Von der Macht“, - eingeleitet wieder einmal mit wohl selbst verfertigten Versen, deren Superlativierungen Ns Seele geschmeichelt haben:
Seine Rede war Glockentönen, Seine Hand warb Künstlers Lohn, Sein Gesicht war das Urbild des Schönen, Sein Herz des Willens Thron. EL.36
Und es folgt:
Ein vollkommener Mensch [der sich, ausgehend von seiner realen Existenz, in jedem Fall und in jeder Beziehung noch vollkommener denken lassen wird !], stark in Kenntnissen und kühn in Taten ist das Ziel, nach welchem die Natur hinstrebt und die Erziehung des Willens ist die Blüte und Frucht all dieser Geologie und Astronomie. EL.37
Das Motiv kehrte immer wieder und hat N „überzeugt“. Er hat dem nachgelebt, sehr einseitig und - alles andere als auf neuartige Weise denkend! - all seine Wertungen kritiklos auf dergleichen uralt biblisch geprägte „Ziele“ bezogen. - Genau so stand es mit Emersons Aussagen „Von der Bildung“:
Der nur ist ein wohlgemachter Mann, der seine Bestimmung erkannt hat [wovon N für seine Person doch überzeugt sein wollte! Er wusste somit, wozu er geschaffen war!] Und das Endziel der Kultur ist nicht, dies zu zerstören, bewahre Gott! sondern nur alle Hindernisse und schwächenden Mischungen zu entfernen und nichts als reine Kraft zurückzulassen. EL.93
Das war - wie auch das Folgende! - N geradezu auf den Leib geschrieben. Mit diesen Inhalten hatte N sich identifiziert, sie verinnerlicht, sie „erfüllt“ und nach ihnen als seinem neuesten „Schulgesetzt“ gelebt . Wie auch nach „Anweisungen“ wie diesen:
Die fossilen Strata [Lebensraumschichten, Ablagerungen in einem Biotop] zeigen uns, dass die Natur [das Leben?] mit Urformen begann und zu den zusammengesetzteren aufstieg, sobald die Erde zu ihrem Wohnplatze geeignet war; und dass die niederen untergehen, wenn die höheren erscheinen [was durchaus nicht immer so erfolgen muss]. Noch können wir von nur wenigen unsrer Rasse sagen [und hier brach wieder der auch N so zutiefst eigene elitäre Dünkel durch], dass sie vollkommene Menschen sind [das war der immerwährende Stachel, sich „Menschen“ - oder sogar nur einen ! - zu wünschen, die/der ihm gefallen würde, d.h. seinen unerfüllbaren Ansprüchen genügen würde! - So übertrieben wie bei N geriet das zu seinem „Übermenschenwahn“]. Es kleben uns noch manche Überreste von der nächstniederen, vorhergehenden Vierfüßlergattung an. Wir nennen diese Millionen Menschen , aber sie sind noch keine [wobei der so Urteilende aus unerfindlichen Gründen nie auf die Idee gekommen wäre, sich selbst zu den „Viel-zu-Vielen“, „Überflüssigen“ 4.55und „Noch-nicht-Ausgereiften“ zu zählen, - obgleich, wegen der Unzulänglichkeit seiner Urteile, dazu Grund genug gegeben wäre und also kaum überzeugende Argumente dagegen sprechen würden!].
Halb noch [auf allen Vieren] am Boden klebend, sich zerarbeitend, um frei zu werden, braucht der Mensch alle Musik [als begünstigende Begleitumstände war das gemeint], die beigebracht werden kann, um sich emporzuheben. EL.115
„Empor“! „Excelsior“! Das ist echtester N, weil genau solches dem Wesen seines angeborenen Selbstüberhebungsbedürfnisses entgegenkam. Aber auch Er war - darin allen anderen gleich ! - wie alle anderen mit dem geboren worden, worüber er verfügen konnte - mit nicht mehr und nicht weniger! - denn es war nicht unbedingt sein „ Verdienst “ - am Ende, die gut zehn letzten Jahr seines Lebens - als hilfloser Idiot dahinzuvegetieren. Genau so wirkte auf ihn:
Das Zeitalter der Vierfüßler [der nicht von ihrem Verstand geleiteten Menschen] geht zu Ende - das Zeitalter des Kopfes und Herzens beginnt [dies einfach so festzustellen setzte ein reichlich naives Gemüt voraus!]. Die Zeit wird kommen, wo die plumpen Formen, die wir noch gekannt haben, sich nicht mehr bilden können. Das Zivilisationswerk der Menschen [was sehr danach klingt, dass der Zweck alle Mittel heiligen dürfe!] darf nichts verschonen, braucht alle Materialien. Er [wer aber? einfach nur „der Mensch“ oder doch wieder ein Idealbild von ihm?] verwandelt alle Hindernisse in Werkzeuge, alle Feinde in Macht. Das furchtbarste Unglück wird sein nützlichster Sklave. Und wenn man die Zukunft der Rasse in dem organischen Streben der Natur sich zu erheben und zu verbessern und in der entsprechenden Richtung der menschlichen Rasse zum Bessern vorgezeichnet sehen soll, so werden wir zu bestätigen wagen, das es nichts gibt, was sie nicht überwinden und bekehren kann, bis zuletzt die Kultur das Chaos und Gehenna [eine biblische Bezeichnung der Hölle] absorbieren [einsaugen, in sich aufnehmen] wird. Sie wird die Furien [die Rachegöttinnen] in Musen [Göttinnen der Künste] und die Höllen in Paradiese verwandeln. EL.115
Darauf ein „Naja“ oder auch ein N‘sches „wohlan“! - Eine solche Begeisterung und Hoffnungsfreude ließe sich auch gemäßigter ausdrücken, zumal es nur Illusionen galt. N jedoch hat so etwas so gut wie wortwörtlich in ein philosophisches „Programm“ verwandelt. Damit zurück zu Ns Gedanken über „Fatum und Geschichte“. N fuhr darin, sein Emerson-Verständnis offenbarend, fort:
Und könnte man als jene Triebfedern [zu dem Uhrwerk für das Zifferblatt der „Ereignisse“ in der Geschichte] nicht die immanente [in den Grenzen der Erfahrung bleibende] Humanität [echte Menschlichkeit mit Sinn für das Gute und Edle im Menschen] nehmen? (Dann wären beide Ansichten [aus der blind wirkenden Evolution und der Zielstrebigkeit zu ewig Höherem?] vermittelt.) Oder lenken höhere Rücksichten und Pläne das Ganze? Ist der Mensch nur Mittel oder ist er Zweck? [Wohl weder, noch! Das lässt sich aus dem Zustand „Zweck“ oder „Mittel“ zu sein , doch gar nicht entscheiden!]
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