Emerson in seiner dichterischen Eigentümlichkeit zu übersetzen, dazu bedürfte es eines Genies. Der Übersetzer glaubte am besten zu tun, wenn er sich ganz wortgenau an seine Sache hielt und nicht durch ein falsches Surrogat [einen nicht vollwertigen Ersatz] den Schwung, die Anmut und die Schönheit von Emersons Sprache zu ersetzen suchte. Berlin, am 1. Mai 1858
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Von diesem Vorwort schon ging aus, dass der Stil den „Inhalt“, die Aussage des Geschriebenen, überleuchten und überglänzen sollte und durfte, - wie immer man es jeweils formuliert sehen mochte; - und dass es völlig legitim wäre, „es“ glänzen zu lassen, oder „mit Stil“ zu überzeugen. Dies hat N ziemlich früh zu beherzigen und mit dem überzeugten Schwung seines Vortrages einen guten Teil angebrachten Widerspruchs im Keim zu ersticken verstanden. Wer so zu argumentieren versteht, dem glaubt man gerne, dass er auch viel „von der Sache“ verstünde und demnach wohl Recht haben müsse! Dieser Eindruck drängt sich bei geschicktem Umgang mit Sprache unwillkürlich auf. Jemand, der zwar viel von einer Sache , aber sich nicht „mitreißend“ verständlich zu machen versteht, hat gegen jede Art wortgewandter Oberflächlichkeit so gut wie fast immer das Nachsehen.
In dem kurzen Vorwort zur „Führung des Lebens“, die N nachweislich zur Zeit der Bekanntschaft von Emerson zugänglich war, stand für ihn zu lesen:
Emerson ist der Prophet einer geistigen Jugend, seine Lehre der Ausdruck jener ungestümen, verworren brausenden Jugendkraft [lauter Worte und Begriffe, die auch N beflügelten!], die erst von einer späteren Zeit Gestaltung, Licht und feste Ziele erwartet. Er ist der Vorläufer, nicht der Vollender einer neuen Ordnung und es steht nicht zu erwarten, dass in ihm selbst das Ideal sich klären werde, nach dem er ringt, sondern dass erst ein späterer Jünger [N?] fest begründen und in geschlossene Systeme bringen würde, was Emerson groß aber unvollkommen gedacht. Sicher ist in seinem Buch [hier die „Führung des Lebens, Gedanke und Studien“] Manches, das da hätte anders gesagt sein möge und manches Andere, das besser nicht gesagt worden wäre. Es kam mir der Gedanke, die Spreu vom Weizen zu sondern, zu scheiden und zu sichten nach bestem Wissen und Gewissen. Ich habe es nicht getan. - Wer in den hochkreisenden Gedankenbahnen unsres Philosophen nicht selbst die leitenden Ideen zu finden, seine eignen Sterne auszuwählen versteht, verdient nicht, ihn zu lesen; und vielleicht hat unser Dichter seinen herrlichen Gedanken absichtlich eine dunkle Folie gegeben, um auf einem düstern Hintergrunde seine leuchtenden Geistesblitze um so greller, überraschender und machtvoller hervortreten zu lassen.
Hier wurde das die Gefahren in Emersons Geschriebenen hingewiesen; - das was sicher ein Anreiz für N, sich das Gelesene besonders zu Herzen zu nehmen. Auch hier trat N viel aufreizend Zukunfsträchtiges entgegen und weckte kampfbereite Lust.
Aus der Einleitung einer 1915, 15 Jahre nach Ns Tod erschienen, um etliche Kapitel verkürzten Ausgabe von Emersons „Essays“ in der Fabricius-Übersetzung - herausgegeben von einem Mario Spiro - lassen sich zwischen den Biographien Emersons und Ns einige Parallelen erkennen, deshalb seien die dortigen, weit ausführlicheren Angaben zu Emersons Leben hier nachgetragen. Zusätzliches dürfte sich für den heutigen Leser in diesem Zusammenhang kaum als „von Interesse“ erweisen:
Ralph Waldo Emerson wurde am 25. Mai 1803 zu Boston in Massachusetts als zweiter von fünf Söhnen eines angesehenen Predigers geboren. Es gibt in Amerika [wie auch in anderen Ländern] Familien, in denen der Lehr- und Predigerberuf „erblich“ ist. Auch Emerson entstammte einer solchen „Gelehrten-“ und Pastorengeneration. Trotzdem der Vater bald starb [im Jahr 1813], wurden vier Söhne auf die Universität geschickt. Bei Ralph - später ließ er sich lieber Waldo nennen - zeigten sich früh poetische Anlagen [wie bei dem „kleinen Pastor“ N?]. Von großem Einfluss auf seine geistige Entwicklung war die stolze, fromme, etwas exzentrische Tante Mary Moody Emerson, in deren Aufzeichnungen wir vielen Stellen begegnen, die ganz die Art des späteren Ralph Waldo Emerson ausdrücken.
1817 [also vierzehnjährig, in dem Alter, in welchem N nach Pforta kam!] bezog Ralph die Universität, 1821 bestand er das erste Examen. Sein um zwei Jahre älterer Bruder William hatte in Boston eine Schule für höhere Töchter eröffnet und der achtzehnjährige Ralph trat als Lehrer ein. 1825 aber setzte er [dann zweiundzwanzigjährig] seine Universitätsstudien wieder fort und vertiefte sich in Plato [428-347, ein griechischer Philosoph aus Athen, Schüler von Sokrates und Überlieferer von dessen Denken und Methoden], Augustinus [354-430, einer der bedeutendsten christlichen Kirchenlehrer] Tillotson [1630-1694, ein englischer Theologe], Jeremy Taylor [1613-1667, ein englischer Geistlicher] und Montaigne [1533-1592, ein bedeutender französischer Politiker, Philosoph und Begründer der Essayistik in verständnisvoll kritischer Betrachtung des menschlichen Lebens]. In seinem [Emersons] Tagebuch heißt es einmal ….. [über Montaignes „Essays“]: „Es war mir, als habe ich das Buch selbst in irgend einer Präexistenz geschrieben, so völlig drückte es meine Gedanken und Erfahrungen aus. Kein Buch ist mir früher oder später so viel gewesen wie dieses.“ [Von Michel de Montaigne war also das Buch, in welchem Emerson sich so „zu Hause und in seinem Hause gefühlt“ 9.588hat, wie N sich in den „Essays“ von Emerson.]
1826 wurde Emerson als Prediger approbiert [zugelassen]. Der Gedankenreichtum, die tiefe Überzeugungskraft und die rednerische Gewandtheit seiner Predigten wurden allgemein anerkannt. Nur litt er viel an kranken Augen, Rheumatismus und vollends an einer Lungenaffektion, dass es fast schien, als müsse er seinem Beruf aus Gesundheitsgründen entsagen. Auf dem Landsitz von Achille Murat, dem Sohn von Napoleons Schwager, erholte sich Emerson etwas.
Bei einer seiner Predigerreisen lernte er in Concord Ellen Louise Tucker kennen, die er 1829 ehelichte. Gleichzeitig nahm er einen Ruf als Pfarrer an die alte Kirche Cotton Mathers in Boston an. In seiner freien Zeit las er Hume [David Hume, 1711-1776, ein schottischer Philosoph, Ökonom und Historiker, einer der bedeutendsten Vertreter der britischen Aufklärung und der philosophischen Strömung des Empirismus, eine erkenntnistheoretische Richtung, die alle Erkenntnis aus Sinnes-Erfahrung ableitet. Er übte starken Einfluss aus auf die Philosophie Immanuel Kants], Coleridge [Samual Taylor Coleridge, 1772-1834, ein englischer Dichter der Romantik, Kritiker und Philosoph], Swedenborg [Emanuel von Swedenborg, 1688-1772, ein schwedischer Wissenschaftler, Mystiker und Theologe] und in den englischen und schottischen Zeitschriften tauchte damals der Name Thomas Carlyles auf, der ihn interessierte [Thomas Carlyle, 1795-1881, ein schottischer Essayist und Historiker mit erheblichem Einfluss im viktorianischen England, später ein Freund von Emerson und nebenbei angemerkt eine Figur, die N fürchterlich „auf dem Kieker“ hatte!].
Emersons Eheglück sollte nur von kurzer Dauer sein. Seine Frau Starb 1831 an Auszehrung. Zu diesem schweren Verlust kamen tiefe innere Konflikte mit seinem Beruf. Die vorgeschriebenen Gebete im Gottesdienst, die mechanisch absolviert werden mussten ohne Rücksicht auf die innere Stimmung, der Ritus der Kirche, der im Laufe der Jahrhundert zu leeren Formen geworden war, quälten ihn. Er schlug seiner Gemeinde vor, bei der Feier des heiligen Abendmahles von dem Gebrauch von Brot und Wein abzusehen. Das führte zu ernsten Folgen und Emerson flüchtete in die Natur, in die Berge, um mit sich und seinen Pflichten ins Reine zu kommen.
Als er zurückkehrte, hatte er die Kraft gefunden, seine Existenz, seine Stellung und seine freundschaftlichen Beziehungen seinen Zweifeln zu opfern. Er schrieb in sein Tagebuch: „Es ist mir mitunter der Gedanke gekommen, dass man, um ein guter Priester zu sein, sein Predigeramt niederlegen müsse.“
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