Emerson, viel aufgeklärter, vielfacher, raffinierter, glücklicher, ein Solcher, der instinktiv sich von Ambrosia [eine in der griechischen Mythologie den Unsterblichen vorbehaltene Götterspeise] nährt und das Unverdauliche in den Dingen [d.h. wohl zugleich alle Widersprüchlichkeiten darin nicht weiter beachtend?] zurücklässt [so, wie N es tat]. Carlyle, der ihn sehr liebte [und Emerson lange ein Brief-Freund war], sagte trotzdem von ihm „er gibt uns nicht genug zu beißen“: was mit Recht gesagt sein mag, aber [für N] keineswegs zu Ungunsten Emerson’s [gelten sollte, - bot er N doch genug „zu beißen,, d.h. genug Rechtfertigung und Anerkennung, Sinn und persönliche Bedeutung!] ….. 13.21
Ganz so innig und nur huldigend wie in dieser Notiz fiel die letzte Erwähnung Emersons, in der der „Götzen-Dämmerung“ in Gegenüberstellung mit Carlyle und Lop des Vega nicht aus.
Im Jahr 1888 fand sich Emersons Name zum 20. und 21. Mal in Ns Notizen noch 2 Mal in belanglosem Zusammenhang.
Das waren die Stellen und Gelegenheiten, wo N sich, durch sein ganzes Leben hindurch veranlasst sah, den an sich sehr weitgehend verschwiegenen Emerson in seinen Notizen zu erwähnen. Darüber hinaus gibt es Zitate und Auszüge, zu denen N die Herkunft von Emerson nicht angegeben hat. Bei der Seltenheit der Namensnennung - in der Schrift „Schopenhauer als Erzieher“ am Ende, in der „Fröhlichen Wissenschaft“ beiläufig im 92. Aphorismus und in der „Götzen-Dämmerung“ mit einem eigenen Aphorismus, aber dennoch höchst beiläufig, waren die 21 Erwähnungen in den Notizen viel. Dagegen übertrifft die Bedeutung Emersons für N und seine Abhängigkeit von Emerson diese bewusst und konsequent betriebene Geheimniskrämerei um ein Zig-faches, denn das gesamte Gedankengut Ns ist von Emerson wie von einem Krebsgeschwür durchsetzt und durchwuchert.
Die wichtigste Erkenntnis aus und zu all diesen für N als „Vorbild“ gewirkt habenden Emerson-Sätzen - es fragt sich, inwieweit dies dem Leser bereits selber aufgefallen sein müsste? - ist, dass auch in diesen und noch verstärkt in dem, was N sich daraus zu eigen zu machen entschlossen hatte, - dass also darin „die Anderen“, die neben und außerhalb seiner Existenz vorhandenen - Emerson nannte sie Neben- Menschen ! - so gut wie nicht vorkommen und mit keinem einzige Gedanken bedacht worden sind!
„Die Anderen“ sind innerhalb von Ns Art, auf die Welt zu blicken, einfach nicht vorhanden - oder nicht bis ins Zentrum seiner absolut geltenden Selbstmittelpunktlichkeit gedrungen. Sehr betont geht es nur um den Einzelnen, besonders aber um den Einen, um den sich mit Emersons Ansichten identifiziert habenden N selber! Um niemanden sonst! Mit einem derartigen „Tunnelblick“, der nur sich selbst im Visier hat, stellt sich die Welt natürlich grundlegend anders dar, als für jemanden der auch „die Anderen“ auf seiner Rechnung und in seine seelischen Beziehungen einbezogen hat.
Die Emerson-Sätze, die Ns nun einmal so einseitig gelagerte Weltsicht „unterstützten“, wurden zu seinem Katechismus, - zu seinem „Leitfaden“ in der Erfüllung seines bereits Jahre zuvor eingenommen „Herrscheramtes“, das die für ihn so wichtigen Fragen nach „Größe“, „Rangordnung“ und einem „ Prinzip des zweierlei Maß “ in einer dafür gelten sollenden „neuen Moral“ absichern und argumentativ rechtfertigen sollten, damit er in seiner gesamten - und für untadelig gehalten! - Existenz als vorbildlich gelten konnte! Das Argumentative dieser „Aufgabe“ hat N trotz seines flüssigen Stils viel zu schaffen gemacht und ihn Band für Band allerhand Gehirnschmalz gekostet. Er hat diese Mühen im Zusammenspiel mit dem ihm trotz allem tief eingeschriebenen und beharrlich verdrängten schlechten Gewissen gegenüber dem, was ihm anerzogen worden war, als immer wieder betonte „Selbstüberwindung“ erlebt, empfunden und darüber auch schmerzlich zu klagen verstanden.
Das schon von dem gerade Vierzehnjährigen zur zentralen Aussage eines ihn sehr berührenden Gedichtes gemachte „Herrscheramt“ ist das zentrale „Motiv“ für alle „Verbrechen“, die N im Laufe seines „Philosophierens“ begehen sollte. Das „Herrscheramt“ als Sinnbild seiner ersehnten und auch erlebten Sonderrolle im Leben - herrschend , von niemandem beherrscht ! - Spitze der Pyramide zu sein - wie seine - ebenfalls reichlich geheim gehaltene! - pubertäre Lieblingsfigur „Manfred“ von Lord Byron - und je totalitärer, umso eindringlicher, umso mehr im Gegensatz zu „den Anderen“, - und umso genussreicher konnte er das empfinden ! Ohnehin drängt jedes Herrscheramt auf totale Unterdrückung jeglicher Kritik, das erlebt man - zu allen Zeiten! - immer wieder. Groß sein, Größter sein, das war für N - in seinem an den Tag gelegten „Ehrgeiz bis zum Defekt“! NR.320- der Antrieb für alles, was er unternommen hat, selbst in der persönlich-praktischen Zurückhaltung und Bescheidenheit, Sanftmut und Rücksichtnahme gegenüber anderen Menschen, womit er ebenfalls das bei „den Anderen“ Übliche überbieten wollte!
Emerson war für N - unbewusst ! - unter der Maske des Ideals ! - ein Mittel . Emersons Texte waren für N so etwas wie „Werkzeuge“, um mit ihnen die in ihm liegenden Extreme in Worte und von dort aus in das, was ihm „Tat“ war, umzusetzen: Fahrplan und Gebrauchsanweisung in einem. Alles andere ließ er beiseite. Wie bei seinem früh schon gezeigten Umgang mit Zitaten, welche er bedenkenlos „verbesserte“ um seinem eigenen Dafürhalten mehr Bedeutung zu verschaffen, - ungeachtet das, was deren Autoren eigentlich ausdrücken wollten. Diese grundsätzlichen Gestricktheiten Ns werden sich in ihrer Gebundenheit an Emerson in vielen Lebenssituationen zeigen und nachweisen lassen.
Die Nachwehen der Emerson-Infektion
Die beharrliche Weigerung der N-Verherrlicher, Emerson in der ihm gebührenden Weise als prägendes Jugenderlebnis von N zur Kenntnis zu nehmen - und entsprechend herauszustellen! - ist eines der typischen Elemente eben dieser Verherrlichung , welche im Bewusstsein von der Bedeutung Emersons für N in der überkommenen und bisher üblichen Form nicht länger aufrecht zu halten ist. Wird Emerson als Programm in Ns Lebensplan eingebunden, stellt sich in diesem - und in seinem „Werk“ ! - zwangsläufig vieles vollkommen anders dar, als unter der Annahme, dass Ns Lebensablauf das Produkt seiner eigenen „Erfindung“ gewesen wäre : Denn das war er nicht !
N lebte, was und auch wie es ihm von Emerson vorgeschrieben war - oder schlichter: Wie es bei Emerson geschrieben stand ! Er erfüllte in ungewollt „freiwilliger“ Auswahl - entsprechend der Legende um seinen für Jahrtausende „erfolgreichen Erzkonkurrenten“, - das Christentum! - „ die Schrift “ - das, was ihm bei Emerson über alle Maßen und seinen „Ehrgeiz bis zum Defekt“ NR.320 befriedigend , - als ins Große und Größte gezeichnet, als Vorgabe so sehr hatte gefallen wollen, dass er - im Austausch gegen „Luther“ und anstelle eines selbstbestimmten Lebens! - und weil er ohnehin zu solchen Nachahmungen neigte! - dieser Illusion wahnhaft verfiel.
Das Wahnhafte war durch Ns Neigung zu realitätsferner Maßlosigkeit und die auf extreme Weise so speziell für seine Existenz als auf angenehmste Weise „gültig“ empfundenen Vorgaben von Emerson gegeben. Überdies war N von seinem ganzen Herkommen auf eine hohe Bedeutung des „Glaubens“ angelegt, dem er wegen seines unterentwickelten Talentes für alles Naturwissenschaftliche in besonderer Weise ausgeliefert sein musste. Zu alledem kam noch die autistische Gefühlsblindheit als „ Behinderung “ im Nachempfinden der Belange und Gefühlslagen „der Anderen“, denen gegenüber Er - auch als Maskierung tiefer innerer Unsicherheit! - mit überheblicher Abwehr und Abwertung zu begegnen neigte. Das ergab insgesamt ein recht explosives Gemisch an verhaltensmäßigen Unüblichkeiten, für die seine Mutter sehr wohl, wie manche ihrer Äußerungen verraten, ein Auge hatte und für sie Grund zu vielerlei Sorgen war, womit sich allerlei Überversorgung ihres in praktischen, also der Realität verpflichteten Dingen auffallend unbeholfenen Sohnes verband.
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