Der Unterschied zwischen Talent und Charakter liegt in der Geschicklichkeit einerseits, den alten einmal betretenen Weg [der Größe, womit N das erste Kapitel des 3. Zarathustra-Teils füllen sollte!] weiter fortzugehen und dem Mut und der Kraft andererseits, einen neuen Weg zu neuen und besseren Zwecken anzubahnen [das bot N Rückendeckung für das Kapitel seiner Größe!]. Der Charakter schafft ein überwältigendes Gegenwärtiges, eine entscheidende Stunde, die voll frohen Mutes ist und die allen den Menschen ebenfalls Mut und Kraft verleiht, die nun [was normalerweise Sinn, Inhalt und Aufgabe von Predigten ist!] sehen, dass Vieles möglich und vortrefflich ausführbar ist, was sie nicht für möglich gehalten hatten [weil N selbst es mit dieser Rückendeckung von Emerson bei seinen Tiraden über seine Größe gefühlsmäßig - entsprechend seinen Unterstreichungen! - so ergangen war!]. Der Charakter schwächt den Eindruck, den besondere Umstände auf uns machen [frei nach dem dazumal noch unausgegorenen Spruch: „Was mich nicht umbringt, macht mich stärker“? 6.60] Wenn wir den Sieger sehen [auch hier war der Betrachter-Position der Vorrang gegeben!], so denken wir nicht mehr an Kampf und Erfolg. Wir sehen, dass die Schwierigkeit uns übertrieben groß vorgekommen war. Ihm war es etwas Leichtes. Der Große unterliegt weder Konvulsionen [Schüttelkrämpfen] noch sonstiger Pein. [Was aber erst hinterher gilt! Nicht von vornherein!] Er steht so hoch da, dass die Umstände ohne besonderen weiteren Eindruck an ihm vorübergehen [weil sie vorübergegangen waren! Andernfalls würde von diesem „ihm“ als Verlierer kein Mensch mehr reden oder je geredet haben!]
Die Menschen sagen zuweilen: „Sieh, was ich vor mich gebracht habe; sieh, wie voll freudigen Mutes ich bin; sieh, welchen vollständigen Sieg ich über jene düsteren Ereignisse davongetragen habe [sieh her, wie toll ich bin!]. Nicht wenn sie mich noch an jenes düstere Begebnis erinnern können, - nicht dann haben sie gesiegt.
Auch dies waren Feststellungen im Nachhinein, - in denen N sich da sonnte!
Ist [und ab dem nächsten Wort beginnt die Seite 237:] das Sieg, wenn man ein schönes und geschmücktes Grabmal ist, oder eine Witwe, die der Schmerz so zerstört hat, dass sie in ein hysterisches Lachen ausbricht? Der wahre Sieg ist der, dass auf ein Gebot von mir jenes schwarze Gespenst erst schwächer wird und dann ganz verschwindet, wie eine frühzeitige Wolke, die von unbedeutendem Einfluss ist auf eine so unbegrenzte fortlaufende Historie [aus unsinnig theoretischem Geschwafel?].
Das Eine, was wir [und damit konnte N sich wieder innig identifizieren!] mit unersättlichem Verlangen erstreben, ist, dass wir uns selbst vergessen, über uns selbst erstaunt sind, unser ewiges Gedächtnis los werden [was wieder klingt, wie der das Vergessen suchende „Manfred“ des Lord Byron!] und [inspiriert] etwas tun ohne recht zu wissen, wie oder warum; kurz, dass wir einen neuen Kreis ziehen [wobei das Kreise-ziehen bei Emerson so viel zu bedeuten hatte, wie geschichtliche Wirkung zu erzielen!]. Nichts Großes wäre jemals ohne Enthusiasmus [leidenschaftliche Begeisterung, Schwärmerei] vollbracht worden. Der Weg des Lebens ist wundervoll. Er ist es durch ein völliges Dahingeben. Die großen Momente in der Geschichte [wenn sie denn mit den Momenten des Allzusammenklangs konkurrieren wollten und man folglich an sie glaubt!], wie die Werke, die im Genie oder in der Religion ihren Ursprung gefunden haben, sind die Leichtigkeit in der Ausführung durch die Kraft des Gedankens. „Ein Mann“, sagte Oliver Cromwell [1599-1658, der bereits erwähnte Lordprotektor in England, Königsmörder und Tyrann], „erhebt sich niemals höher, als wenn er nicht weiß, wohin sein Weg ihn noch führen kann“ [das ging N ganz persönlich an, denn seine Grenze war frühestens am oberen Ende des höchst-denkbaren Superlativs erreicht, - bei Gott! - der N werden musste , weil der höchste aller möglichen Superlative allein in diesem Wort enthalten und zu „erfassen“ war. Es gibt keinen Begriff über diesen hinaus!]. Träume und Trunkenheit, der Gebrauch des Opiums wie des Alkohols sind die äußere Gestalt und das Ebenbild von diesem Orakel sprechenden Genius, und daher die gefährliche Anziehungskraft, die sie für die Menschen [und für N vor allem!] haben. Aus demselben Grund rufen diese die wilden Leidenschaften zu Hilfe, wie im Spiel und im Krieg, um doch in irgendeiner Weise dieses Feuer [als Teufel der Inspiration?], welches aus dem Innern stammt [denn es ging darum, dieses „Feuer“] und diesen Seelenadel nachzuäffen. EE.237
Das war es, worin der zu dieser Zeit fast 40-jährige N, 4 Jahre vor seinem „erlöschen“, seinen geistigen und seelischen Halt fand, was er für sich als gültig erachtete und dem nachlebte, - und dabei dumm genug war, sich in diesen fein verzweigten, naiven Abhängigkeiten von Emerson für den klügsten Menschen aller Zeiten zu halten!
Die nächste 15. Erwähnung des Namens von seinem geistigen Meister, Dompteur und Richtungsgeber Emerson erfolgte ebenfalls im Herbst 1883 anlässlich der bereits erläuterten phantastischen Überflüssigkeit des Staates durch die Anwesenheit des „Weisen“, wie N es auf der Essay-Seite 426 gelesen hatte. 10.512
Das 16. Mal, dass N in seinen nachgelassenen Notizen Emersons Namen erwähnte betrifft - ebenfalls schon besprochen! - Ns Seligkeit, die Armen durch sein sich Ausströmen reich zu machen 10.551, bezogen auf die Emerson-Seite 383.
In der 17. Erwähnung Emersons bezog N sich in einer nachgelassenen Notiz zu Szenen, die im 3. Teil des Zarathustra dann doch nicht vorkommen sollten. N hatte sich da, vorübergehend, ausgedacht:
Chor der Narren d.h. der Weisen, die zeitweilig sich unwissend und töricht fühlen
Chor der Armen d.h. der Geringen Überflüssigen, deren Joch leicht ist. - Emerson p. 283. 10.614
N hat es nicht fertig gebracht, dazu etwas zu „dichten“ und auszuführen. Auf der angegebenen Seite steht im Band der „Essays“ auch nichts, worauf N hätte reflektieren können. Der Verweis richtet sich, ohne das anzugeben, auf die von N wenig geschätzten „Neuen Essays“ aus dem Jahr 1876, wo N zuvor, auf Seite 282, die „Leichtigkeit des Vollbringens“ als Merkmal von Größe unterstrichen und auf der Seite 283 die bereits anlässlich seiner Frage, „ob er die Menschen liebe“ 10.550, auf die von Emerson ausgeführte „Macht des Redners“ verwiesen hatte.
Der 18. Bezug auf Emerson findet sich in Ns Nachlassnotiz aus dem Winter 1884-85 in einem Entwurf zum 4. Teil des „Zarathustra“ im Kapitel „Vom höheren Menschen“, in dem N auf die Frage nach seiner Menschenliebe zurückkam und sie in seine „Zarathustra-Dramaturgie“ einzubringen gedachte, es aber dann doch unterließ, - weil dafür seine Distanz zu sich selbst nicht ausgereicht hätte. Es heißt dort:
„- liebe ich denn die Menschen? Aber sie gehören zu meinem Werke. - oh ihr Weisen, die ihr lerntet ob eurer Torheit zu frohlocken! Oh ihr Armen, Geringen, Überflüssigen, deren Joch leicht ist! Em 283 [aus den „Neuen Essays“, siehe oben] - als aber der Alte so sprach, griff Zarathustra nach seiner Hand, welche zitterte und küsste sie „Weiche von mir, mein Versucher“, [was wieder mal eine Bibelstellenimitation und Nachahmung war, so] sprach er dann und lächelte - denn mitten in seinem Schmerz kam ihm eine scherzhafte Erinnerung ….. 11.378[mit anschließenden Ausfällen gegen christliche Vorkommnisse.]
Zum 19. Mal nannte N in seinen Notizen Emersons Namen erst wieder in der Zeit von November 1887 bis März 1888 13.21im Zusammenhang mit der Erwähnung Emersons in seiner „Götzen-Dämmerung“. 6.120Da heißt es über ihn in der ursprünglichen Fassung der Notiz:
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