Doch im Vergleich zu unserem Planeten, scheinen die Zustände auf SANTOR 4 inzwischen noch schlimmer geworden zu sein, als sie das in der Vergangenheit jemals waren. Alle von uns haben nämlich Angst, zur Bestrafung dorthin gebracht und wegen geringfügiger Verfehlungen zum Tode verurteilt zu werden.
Die einzigen Menschen, die bislang von solchen Zwangsbesuchen wieder zu uns zurückkehrten, waren ausgewählte Dorfälteste unseres Planeten, die zur Warnung an die hiesigen Dorfbewohner an fürchterlichen Hinrichtungszeremonien teilzunehmen hatten.
Worauf die Mörderbestien dabei jedoch nicht achteten ist, dass unsere Dorfältesten bei der Landung auf SANTOR 4 die Umgebung des Raumhafens und den direkt benachbarten Wespenbau der STYXX-Königin in allen Einzelheiten zu Gesicht bekamen.
Ich selbst war als Dorfältester bei einem der letzten Zwangsbesuche dabei. Was ich dabei erlebt habe, ist so widerlich, dass ich darauf nicht näher eingehen möchte.“
„Das mag zwar sein, ehrwürdiger Vater. Aber dennoch musst du mich darüber aufklären. Vor allem kannst du jetzt nicht mit deinem Bericht aufhören, ohne dass ich weiß, was mich als dein potenzieller Nachfolger irgendwann ebenfalls erwartet.
„Du hast recht, Marek. Aber ich hatte gerade wieder die schrecklichen Szenen vor Auge, die wahrscheinlich auch ein stückweit zu meiner gegenwärtigen Kreislaufschwäche beigetragen haben. Aber du, mein Sohn, bist noch stark. Und deshalb sollst du auch wissen, was dir bevorsteht, falls man dich zukünftig einmal zum Mitflug nach SANTOR 4 zwingt.“
Bei diesen Worten schien der Dorfälteste Koro-Than wieder in seinen, die ganze Zeit schon zur besseren Erinnerung eingeübten tranceartigen Zustand zu versinken. Es dauerte auch noch ein paar Minuten, ehe Mareks Vater endlich leise weitersprach.
„Nun, Marek. Soviel sei noch gesagt. Selbst, wenn unsere zum Tode verurteilten Mitmenschen im Kampf gegen die körperlich eher schwächeren STYXX-Kämpfer wenige Male mit bloßen Händen erfolgreich waren, konnten sie deren plötzlich ausgefahrenen Giftstacheln nichts entgegensetzen.
Das, was diese Mörder nach der endgültigen Ermordung unserer Landsleute dann laut schreiend von sich gaben, konnte ich nur verstehen, weil sie rund um die Kampfarena sogenannte Translatoren aufgestellt hatten, die das Geschrei und die pfeifende Sprache der STYXX in unsere Sprache übersetzten.
„Heil MAROOX, wir schulden dir unsere Geburt und wir kämpfen für dich bis zum Tod“, war die ständig wiederholte Huldigung der im Rund der Arena angetretenen STYXX-Mörder, ehe sie unter dem Applaus ihrer Genossen wieder einmal einen chancen- und wehrlosen Menschen umgebracht hatten.
Von daher weiß ich auch, dass die Insektenkönigin dieser Bestien MAROOX heißt und dass sie sich zum ständigen Eierlegen in einem riesigen Insektenbau verbirgt, den unsere Leute, genauso wie die widerliche Kampfarena, am Ort des ehemaligen Regierungspalasts auf SANTOR 4 errichten mussten.
Beim Heimflug konnte ich damals übrigens einen direkten Blick auf dieses wabenförmige Gebilde werfen, habe das jedoch mit einem blauen Auge bezahlt. Also, mein Sohn, falls du nach deinem Amtsantritt als Dorfältester später auch einmal zu einem Besuch auf unserem Nachbarplaneten gezwungen wirst, weißt du jetzt hoffentlich, wie du dich zu verhalten hast.“
„Danke, verehrter Vater. Vor allem, weil du mir am Ende noch viel mehr offenbart hast, als du wahrscheinlich vorhattest. Ich weiß das zu würdigen. Und du brauchst keine Angst zu haben, dass ich mit deinen Informationen unverantwortlich oder gar leichtfertig umgehe.
Vielmehr sollten unsere Verwandten – und vor allem meine medizinisch talentierte Mutter – alles daransetzen, dass du noch viele Jahre am Leben bleibst. Warten wir also weiter auf unsere larojanischen Brüder und lassen wir vor allem die Hoffnung nicht sinken.“
Was die Menschen im Santor-System zu diesem Zeitpunkt im Spätsommer des terranischen Jahres 2024 jedoch nicht ahnten, war, dass die Vorbereitungen zu ihrer Rettung längst im Gange und die in geheimen Zirkeln der Dorfältesten am Leben gehaltenen Wünsche und Erwartungen somit durchaus berechtigt waren.
Kapitel 3 Frühjahr 2020 – 4 Jahre zuvor
Die zum Ende des Vorjahres geplanten Großprojekte der JDEF-Allianzstreitkräfte hatten Anfang 2020 die Planungsphase hinter sich und standen – entsprechend der noch vor Weihnachten diskutierten Prioritäten – allmählich vor der Umsetzung.
Doch zuvor absolvierten Mora und Alexander Kranz mitsamt ihren Kindern Mora-Lisa und Alex-Maximilian im Dezember und Januar einen ausgedehnten Winterurlaub in den österreichischen Alpen. Fast den ganzen Februar über hatten sie sich gleich danach eine weitere Auszeit in München gegönnt, während der sie in ihrem Schwabinger Appartement einige Male heftig über die Ausbildung ihrer inzwischen bald fünf Jahre alten Zwillinge gestritten hatten.
„Die Ausbildung unserer Kids ist ganz allein meine Sache“, hatte Mora Kranz ihren Gatten angegiftet, als ihr Alex nach einem Besuch des Deutschen Museums abends einige Prospekte nahegelegener Internate zur Durchsicht reichen wollte.
„Wie du weißt, waren die beiden bislang fast auf all unseren Missionen dabei. Und sie sind allein schon wegen ihrer Para-Fähigkeiten mittlerweile sehr viel schlauer, als wir beide das in diesem Alter waren. Deshalb bleiben Lisa und Maxi an Bord der MHORA-X. Keine Widerrede!“, schimpfte Mora Kranz, ehe sie die Prospekte ungelesen in den Kamin warf.
„Internate, pah! Was zum Teufel sollen sie denn dort noch lernen, was sie nicht ohnehin schon wüssten? Es bleibt dabei – wir werden unsere Kids auf gar keinen Fall in solch eine antiquierte Bildungseinrichtung abschieben. Kommt gar nicht in Frage! Basta!“
„Ich hab’s ja verstanden, Gnädigste“, beschwichtigte Alex Kranz den wortgewaltigen Ausbruch seiner Frau, ehe er verschmitzt grinsend fortfuhr:
„Und falls die beiden tatsächlich mal Fragen haben, bist du ja als ehemalige Hochschullehrerin auch noch da, um sie zu unterrichten. Zum Beispiel zu der Frage, wie sich die Menschheit in der Vergangenheit bis dato entwickelt hat. Dazu gehören zudem Kenntnisse darüber, wie sie sich noch heute in gegenseitiger Liebe von Mann und Frau fortpflanzt.
Falls das aber irgendwann nicht ausreichen sollte, erinnere ich dich, was die sexuelle Aufklärung unserer Zwillinge angeht, an die hervorragenden Möglichkeiten der Hypno-Schulung unserer larojanischen und lemurischen Freunde.“
„Du bist zwar ein gewaltiger Spinner, mein fürstlicher Gemahl – aber ich denke, du hast das Wesentliche jetzt endlich kapiert“, fauchte Mora Kranz zurück.
„Außerdem applaudieren dir unsere Kids gerade telepathisch zu deiner geänderten Meinung. Danke, mein lieber Schatz.“ Daraufhin lauschte Mora einen Moment mit ihren telepathischen Sinnen und sagte dann laut:
„So, und ihr zwei hört jetzt sofort zu lachen auf. Euer Vater wird nämlich mit Recht sauer, wenn ich ihm berichte, was ihr gerade gedacht habt und insbesondere, wenn er erfährt, dass ihr immer noch nicht im Bett seid.“
„Komm her und lass dich küssen, meine wunderbare Fürstin. Du bist süß und dabei nie langweilig. Morgen früh fängt schließlich mit der vor uns liegenden Arbeit der Ernst des Lebens wieder an.“
Mit diesen friedfertigen Worten nahm Alexander Kranz seine kichernde Mora auf seine starken Arme und trug sie gleich anschließend in das gemeinsame Schlafzimmer, wo beide nach einem von sanfter Leidenschaft und viel Gefühl geprägten Liebesakt erst gegen Mitternacht in den Schlaf der Gerechten versanken.
Am darauffolgenden letzten Februarmorgen traf sich das Ehepaar Kranz mit der Lemurerin Brigid-Thor in der JDEF-Einsatzzentrale Europa, um den in wenigen Tagen geplanten Start der MHORA-X und der ODIN ein letztes Mal mit den örtlichen Kommandeuren zu besprechen.
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