„Erst heute Mittag waren die STYXX-Wächter auf Befehl ihrer auf unserem Planeten lebenden Chefin, Prinzessin VOORX, wieder bei uns zuhause. Sie haben deiner Mutter unmissverständlich zu verstehen gegeben, dass sie mich demnächst abholen würden, wenn ich nicht schon morgen wieder auf den Obstfeldern arbeiten würde. Kranke und somit nutzlose Sklaven wollen diese Drecksinsekten nämlich nicht durchfüttern.“
„Bei den Göttern von TARES – die wollen dich doch nicht etwa umbringen?“, fragte Marek-Than aufgeregt, als er das Unglaubliche begriff, das ihm sein Vater gerade mitgeteilt hatte.
„Doch, mein Sohn – genau das wollen sie. Und sie werden es auch tun, wenn sie befinden, dass meine Arbeitsleistung nicht mehr ihren Forderungen entspricht. Das einzige, was mir momentan ein wenig Aufschub gibt, ist die Tatsache, dass diese hässliche Schwarmprinzessin anscheinend seit heute Nachmittag mal wieder von der Bildfläche verschwunden ist.
Dass sich keiner von der Wachmannschaft groß um ihren Verbleib kümmert, zeigt mir, dass Prinzessin VOORX offenbar mal wieder die von ihr gewohnten Extratouren reitet. Als erklärter Liebling ihrer Mutter, Königin MAROOX, hat sie als Anführerin der Wachmannschaften auf unserem Planeten ja auch nicht übermäßig viel zu tun. Aus diesem Grund geht sie lieber ihren morbiden Neigungen nach und berauscht sich an unseren Ernteprodukten oder geht in unseren Bergen und Wäldern auf die Jagd, wenn’s ihr in ihrer Residenz mal wieder zu langweilig wird.
Weil ich aber dennoch in naher Zukunft mit meiner Exekution zu rechnen habe und wir rein gar nichts dagegen unternehmen können, muss ich dich heute Abend in ein paar wichtige Geheimnisse einweihen, die du als mein Nachfolger im Amt des Dorfältesten und als mein Erbe unbedingt wissen musst.“
Der vor Schreck atemlose Marek-Than hatte sichtlich Mühe, die gerade geäußerten Worte seines Vaters zu verdauen. Doch noch ehe er auch nur ein Wort erwidern konnte, sprach dieser auch bereits weiter:
„Also Marek, hör mir jetzt gut zu. Du weißt, dass es uns grundsätzlich verboten ist, schriftliche Unterlagen anzufertigen oder gar zu besitzen. Vor allem jedoch haben uns diese Mörderinsekten untersagt, dass wir unsere Historie aufzeichnen.
Deswegen haben unsere Vorväter immer einen der Dorfältesten auserwählt, der vor seinem herannahenden Tod vor der Aufgabe stand, mindestens zwei seiner Kinder in die Geschichte unseres Volkes und unserer Herkunft einzuweihen. Und gegenwärtig bin ich derjenige, der diese unglückliche Pflicht zu erfüllen hat.
Sei aber bitte nicht traurig, denn es ist höchste Zeit, dass ich das endlich tue. Außerdem hoffe ich, dass du es akzeptierst, dass ich dich und deine Schwester Amanda als Wissensträger zur Weitergabe unserer Geschichte ausgewählt habe.
Denn, wie ich schon sagte, ist mein Gesundheitszustand sehr viel labiler, als du es vermutest. Und Amanda habe ich schon ausgiebig informiert, während sie gestern und heute Nachmittag als Pflegerin an meinem Krankenbett saß.“
Marek-Than, der allmählich zu begreifen schien, dass die folgenden Minuten und Stunden sehr wichtig für ihn selbst und die auf seinem Heimatplaneten SANTOR 5 lebenden Menschen sein würden, bekam bei den Worten seines Vaters ein zunehmend beklemmendes Gefühl, das ihm fast die Luft zum Atmen abschnürte.
Deshalb kauerte er sich im Dunkel der mittlerweile nur von ein paar Fackeln illuminierten Vorbauten ihrer abstoßenden Unterkunft immer enger an seinen geliebten Vater und ließ ihn zunächst ohne Unterbrechung über die Vergangenheit der Santoraner referieren.
Wobei er sich im Verlauf von Koro-Thans Erzählung immer heftiger an seinen, wie in Trance versunkenen Vater und seine inzwischen hinzugekommene Mutter Shana schmiegte.
„Pass auf, mein Junge und merk dir meine Worte gut“, hatte Koro-Than mit seinem Bericht begonnen .
„Wir Santoraner sind die Nachfahren einer uralten menschlichen Rasse, die dieses Planetensystem mit riesigen Langstreckenraumschiffen als Aussiedler vor gut 20 Millionen Jahren erreichte.
Von diesen zylinderförmigen Schiffen sind heutzutage nur noch die von der Vegetation mittlerweile überwucherten Hüllen übrig – aber dazu muss man wissen, wo im Urwald am Rande des größten unserer Ozeane die Wracks der alten Fernraumer liegen.
Die ursprünglichen Siedler unseres Volks kamen aus einem Sternenreich, das sie LARO nannten und von dem sie sich im Zwist mit den dort Herrschenden nach jahrhundertelangen, gegenseitigen Streitigkeiten und Vernichtungskriegen losgesagt hatten.
Ob ihr Auszug aus dem Laro-System völlig einvernehmlich geschah, ist nicht überliefert. Jedoch ist anzunehmen, dass beide Seiten von den dauernden Raumschlachten und dem damit verbundenen Töten irgendwann die Nase voll hatten.
Es scheint so, dass ein paar Vernünftige im untereinander verfeindeten Parlament des Laro-Systems deshalb vor Äonen von Jahren eine Ratsentscheidung initiierten, die in der nachfolgenden Zeit den Fernraumschiffbau genehmigte. Und damit wurde die Auswanderung aller Unzufriedenen und Andersdenkenden überhaupt erst ermöglicht.
Und soweit, wie ich aus den Überlieferungen deines schon lange verstorbenen Großvaters weiß, war unser Planetensystem nur eines der Ziele, zu denen sehr viele unserer larojanischen Ahnen damals aufbrachen.
Außerdem wussten unsere Vorfahren, dass auch das Laro-System nur der Fluchtort von verfolgten Menschen war, die vor rund 65 Millionen Jahren ihren weit entfernten Ursprungsplaneten namens TERRUM nach einer galaktischen Katastrophe verlassen mussten.“
„Vater, weiß man, wo im Weltraum das Laro-System und dieser ominöse Heimatplanet unserer Vorfahren namens TERRUM liegt?“, unterbrach Marek-Than in diesem Moment die Rede seines Vaters.
„Ja und nein, mein Sohn. Den Überlieferungen zufolge wissen wir lediglich, dass unsere larojanischen Schwestern und Brüder eigentlich gar nicht so weit weg von uns wohnen, wie die meisten von uns glauben. Nur bezüglich TERRUM wussten selbst die Larojaner irgendwann nicht mehr, in welchem Randgebiet des Universums sich dieser Planet befindet. Aber lass mich jetzt bitte weiter berichten.“
Koro-Than lehnte sich zurück, während er das umliegende Gelände wachsam beobachtete.
„Sorge dich nicht, Koro. Es ist keine von diesen Bestien in der Nähe. Und Amanda hat bereits die Fackeln an unserer Hütte gelöscht, damit die Wächter der STYXX nicht auf uns aufmerksam werden“, flüsterte Shana-Than ihrem Mann in diesem Moment mit leiser Stimme ins Ohr.
„Sie kommen ja ohnehin nur selten hierher, weil ihnen unsere Siedlungen verhasst sind. Außerdem hätten uns Amandas Hunde oder unser Federvieh sicher schon vor ihnen gewarnt. Und darüber hinaus habe ich einige Männer unserer Sippe gebeten, auf uns aufzupassen und uns vor herannahenden STYXX-Wächtern zu warnen.
Koro-Than schien beruhigt, als er jetzt seinen Bericht fortsetzte.
„Also gut. Ich hatte ja bereits das Laro-System erwähnt, aus dem unsere Ahnen vor rund 20 Millionen Jahren nach SANTOR auswanderten. Das larojanische Sternenreich liegt gemäß den überlieferten und von uns gut versteckten Sternenkarten nur wenige hundert Lichtjahre von hier entfernt.
Deshalb wählten unsere Ahnen das Santor-System auch als Ziel aus. SANTOR war und ist nämlich das von LARO aus nächstgelegene Sternensystem, bei dem die zwei äußeren Planeten in einer für Menschen bewohnbaren Zone liegen.
Unsere Vorfahren verfügten zwar über die zur Überwindung dieser gewaltigen Distanz nötigen Raumschiffe – der in den Fernraumern verbauten neuen Antriebstechnologie trauten ihre mitfliegenden Ingenieure aber nie so recht. Doch, wie du siehst, kamen unsere Ahnen damals allesamt unversehrt hier an.
Jedoch musst du wissen, dass mehrere hundert Lichtjahre, trotz der relativen Nähe zum Laro-System, galaktische Entfernungen sind, die unser Volk heute und auch in Zukunft nie wieder bezwingen können wird, weil die dafür notwendige Technik mittlerweile nicht mehr existiert.“
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