Sommerende Sommerende Roman
Widmung Widmung Für Sie, lieber Leser.
1. Paul
Tag
2. Hemborg
3. Jakob
4. Jakob
5. Svenja
6. Gerald
7. Jakob
8. Karin
Dämmerung
9. Svenja
10. Jakob
11. Svenja
12. Jakob
13. Jakob
14. Svenja
15. Hemborg
16. Gerald
17. Paula
18. Jakob
19. Jakob
20. Jakob
21. Jakob
22. Remming
Nacht
23. Shi Qi
24. Jakob
25. Shi Qi
26. Jakob
27. Jenny
28. Hemborg
29. Svenja
30. Jakob
31. Remming
32. Jakob
33. Jakob
34. Jakob
35. Jakob
36. Klotz
37. Magdalena
38. Jakob
39. Magdalena
40. Remming
41. Jakob
42. Gerald
43. Magdalena
44. Hemborg
45. Magdalena
46. Jakob
47. Magdalena
48. Jakob
49. Salvatore
50. Jakob
51. Magdalena
52. Jakob
53. Magdalena
54. Jakob
55. Salvatore
56. Remming
57. Salvatore
58. Magdalena
59. Salvatore
60. Jakob
61. Hemborg
62. Jakob
63. Hemborg
64. Magdalena
65. Klotz
66. Jakob
67. Hemborg
68. Jakob
69. Jakob
70. Remming
71. Jakob
72. Remming
73. Remming
74. Remming
75. Remming
76. Remming
77. Magdalena
78. Hemborg
79. Giger
80. Hemborg
81. Magdalena
82. Hemborg
83. Hemborg
Ein neuer Tag
84. Karin
85. Magdalena
86. Jakob
87. Nachwort des Autors
88. Nur zehn Tage – Leseprobe
89. Der kleine Vogel des Todes – Leseprobe
90. Wolfsnacht – Leseprobe
91. Dunkelheit über Tokyo – Leseprobe
Impressum neobooks
M.P. Anderfeldt
Roman
Für Sie, lieber Leser.
Es war plötzlich still geworden. Oder war es schon eine ganze Weile ruhig gewesen, er hatte es nur nicht bemerkt?
»Bruno?« Er spürte einen kalten Luftzug im Nacken und sah nach oben. Die Wipfel der hohen Kiefern wiegten sich im Wind wie immer. Warum kam ihm das auf einmal bedrohlich vor?
Wahrscheinlich, weil der Himmel von einem dunklen Grau war. Schon lange war die Sonne aus dem Wald verschwunden, die hellen Flecken, die sie mit ihren Strahlen zauberte, waren vom nadelbedeckten Boden nach oben gewandert, immer höher über die Stämme, bis schließlich nur noch die Spitzen der höchsten Bäume golden leuchteten.
»Bruno?« Wo war er nur? »Bruno, komm, wir müssen jetzt echt gehen.«
Ein Specht hämmerte in der Ferne.
»Meine Eltern werden sonst sauer. Und deine Mama.« Paul sah sich um. Wo war sein Freund nur hin? Gerade war er doch noch hier gewesen. Sie hatten an einem großen Ameisenhaufen gespielt, den Ameisen Brotstückchen hingeworfen und sie dabei beobachtet, wie sie die Beute in ihren Bau schleppten. Sie hatten ihnen Zweige in den Weg gelegt, versucht, ihre Pfade mit Ästen und Spucke umzulenken, am Ende natürlich auch ein Loch in den Bau gestoßen, um zu sehen, wie die kleinen Tiere aufgeregt umherliefen. Natürlich nur ein kleines Loch, ihr Lehrer hatte ihnen eingeschärft, dass man einen Waldameisenbau nicht zerstören durfte, weil er ein Wunder der Natur war, gerade so wie sie.
Moment, war nicht irgendwas mit Wasser gewesen? Ja, das war es. Bruno hatte gesagt, er hätte hier irgendwo Wasser gesehen, einen Teich oder so und war losgelaufen, um Wasser zu holen. Paul hatte nicht richtig zugehört, es interessierte ihn viel mehr, wie die Ameisen eine Raupe, die er auf den Bau gelegt hatte, überwältigten. Eine schreckliche Tragödie, die in ihrer Dramatik keinen Deut hinter einem Kampf zwischen Löwen und Zebras in der Savanne Afrikas zurückstand.
Wann hatte Bruno zum Wasser gehen wollen? Er müsste längst zurück sein, oder? Oder war er gerade erst losgelaufen?
»Bruuuuuno!«, rief er laut, doch der Wald schien seine Stimme zu verschlucken, sie gierig aufzusaugen und er wagte es nicht, sie nochmals zu erheben. Er räusperte sich, als hätte er vor der Klasse einen peinlichen Fehler gemacht.
Er sah in die Richtung, in der er das Wasser vermutete. Bruno hatte gemeint, er hätte etwas zwischen den Bäumen glitzern sehen.
Also, überlegte er, musste die Sonne noch hoch am Himmel gestanden haben, oder? Es konnte natürlich auch sein, dass Bruno sich darauf bezog, was er gesehen hatte, als sie angekommen waren. Das wäre sehr gut möglich. Sogar wahrscheinlich.
Er ging ein paar Schritte in Richtung See. Inzwischen war er ziemlich sicher, wo das war. Obwohl der Waldboden bereits im tiefen Schatten lag, war noch genug Licht im Wald, um zu erkennen, dass da etwas zwischen den Stämmen war. Etwas Dunkles, dunkler noch als der schwärzeste Nachthimmel. Das musste eine Wasseroberfläche sein.
Eine Biene summte vorbei, flog Slalom um die Baumstämme, dann nach oben, wo die letzten goldenen Strahlen der untergehenden Sonne den Abendhimmel zum Glühen brachten.
Die Warnung kam ihm in den Sinn, nicht zu spät nach Hause zu kommen. Kinder, die nach Einbruch der Dunkelheit noch unterwegs waren, holte der Giger.
»Bruno?«, flüsterte er. Obwohl er leise sprach, war er nun sicher, dass sein Freund ihn hörte. Denn Bruno hörte inzwischen alles. Er war jetzt Teil des Waldes geworden. Er musste im Wasser sein, der schwarze, kalte, unendlich tiefe See hielt ihn gefangen. Schlingpflanzen zogen ihn so lange unter die Oberfläche, bis er keine Luft mehr hatte, das schwarze Wasser füllte seine Lunge, drang in jede Öffnung ein und nahm von ihm Besitz.
Für Bruno war es zu spät. Er war nicht mehr Bruno. Wenn er aus dem Wasser watete, würde er etwas anderes sein und er würde Paul mitnehmen, in sein dunkles, kaltes Haus.
Paul machte kehrt, lief durch den Wald, so schnell ihn seine Beine trugen. An den Dornensträuchern zerstach er sich die Füße und sein Hemd zerriss. Keuchend flog er über das Gestrüpp und wagte nicht, sich umzusehen.
Ein Hahn schrie, als er den Waldrand erreichte. Mit einem Keuchen sprang der Junge über den flachen Graben und landete auf der lockeren, braunen Erde eines frisch gepflügten Ackers.
Er hatte es geschafft.
Bruno nicht.
Er blieb liegen, während die Farbe des Himmels von einem leuchtenden Blau unmerklich in Schwarz überging und der Abendstern die Nacht ankündigte. All das Gerede vom Giger, der die Kinder holte, die zu spät nach Hause kamen, war ihm nun egal.
Er wusste, dass ihm keine Gefahr mehr drohte.
Nicht hier.
Bruno aber war verloren. Bereits jetzt konnte er sich an viele Details seines Freundes kaum noch erinnern.
In diesem Moment schwor er, seinen Freund zurück zu holen. Was es auch kostete und egal, wie lange es dauerte.
Am östlichen Rand der Welt leuchteten die ersten Sterne auf.
Tag
Aufmerksam betrachtete der Mann die Zeichnung auf der Milchpackung. Danach musste man die Lasche irgendwie nach vorne schieben, dann würde sie sich automatisch öffnen und man hätte eine perfekte, spitz zulaufende Tülle. Er führte seine Bewegungen langsam und konzentriert aus, doch auch diesmal gelang es ihm nicht, die Packung zu öffnen. Wo eine saubere Tülle sein sollte, war nur eine zerknitterte, zusammengeschobene Ruine aus gewachstem Karton. Er ballte die Fäuste, doch hütete er sich, zu fluchen.
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