KriDar – Krimis aus Darmstadt
Er hat es nicht gewollt, er hat es nicht gesucht, er hat ihn nicht gekannt. Dann kam der Anruf, der alles veränderte: „Herr Doktor Camara, ich brauche Ihre Hilfe. Sie müssen mich davon abbringen weiter zu morden. Wenn Sie mir die Hilfe verweigern, werden noch viel mehr Menschen, viele Unschuldige, sterben. Können Sie das mit ihrem Gewissen vereinbaren, jede Woche zu lesen, dass noch mehr schwarze Studenten ermordet wurden, obwohl sie hätten leben können, wenn Sie etwas getan hätten? Wollen Sie die Schuld für weitere Massaker tragen? Sie haben keine andere Wahl, als mir zu helfen. Ich brauche eine Therapie. Dies aber unter einer einzigen Bedingung, damit ich Ihre Hilfe annehmen kann. Sie dürfen der Polizei nichts verraten. Informieren Sie die Polizei, dass ich der gesuchte Schlächter von Darmstadt bin, werde ich nicht nur weitere Menschen umbringen. Als Rache werde ich auch Ihre Frau und Kinder nicht einfach töten, sondern zerfetzen, und Sie werden nichts dagegen tun können, denn die Polizei kann mich nicht fangen, wenn ich es nicht will.“
Ab da wusste der erfolgreiche und bekannte Psychotherapeut Dr. Camara, dass sein bisher schönes und glückliches Schicksal sich nun gegen ihn gewandt hatte.
Diese Geschichte basiert auf der wahren Fantasie eines kranken Ex-Soldaten: Der deutsch-amerikanische Soldat hatte Krieg geführt, und die Folgen davon zerstörten sein Leben, er war deswegen beim Autor im Coaching. Er hasste sich und die Menschen, litt unter seiner zerstörten Sexualität und hatte komische, erschreckende Fantasien, die der Autor teilweise in diesem Buch verarbeitet. Der Soldat glaubte auch, als Kind von Mitgliedern seiner Familie missbraucht worden zu sein, konnte sich aber nicht richtig erinnern, weil er alle Erinnerungen an die Zeit zwischen seinem 13. und 18. Lebensjahr verloren hatte. Erst im Coaching kamen die Erinnerungen zurück, die ihn sehr wütend machten, ihm dann aber den Weg zur Erlösung wiesen.
Straftaten wurden nie begangen.
Deutschland, Darmstadt,
Mittwoch, 06.01.2010
„Hallo, wenn Sie nicht sagen wollen, wer Sie sind und was Sie wollen, dann werde ich auflegen“, sagte Dr. Camara.
„Tun Sie das nicht. Wagen Sie nicht aufzulegen, ohne zu hören, was ich Ihnen jetzt sagen werde. Sie haben schon genug Unheil mitverantwortet. Sind Ihnen die zwei Toten von vorgestern nicht genug? Haben Sie nicht davon gehört? Wie viele Tote wollen Sie noch sehen, bevor Sie das tun, was ich von Ihnen möchte? Hätten Sie auf meine Mail geantwortet, würden die zwei Menschen vielleicht noch leben. Sie tragen die Verantwortung dafür. Eine schwarze Studentin oder ein schwarzer Student wird heute in Frankfurt am Main, wo Sie praktizieren und lehren, die Kehle durchgeschnitten bekommen, falls Sie jetzt auflegen und mit mir nicht reden“, drohte Johnny M. Walker.
85 Meilen von Houston, Beaumont, Texas, USA
US Post Office
5815 Walden Rd,
Dienstag, 02.02.2010, 11 Uhr
Johnny stand vor dem US Post Office 5815 Walden Rd, Beaumont, USA. Er klebte den Briefumschlag zu, der den Dankeschön-Brief und seine Beileidsbekundung enthielt und an Fr. Camara, Frau von Prof. Dr. Camara, Facharzt für Psychotherapie, Xxxx-Straße D-60599 Frankfurt, Germany, adressiert war. Es tat ihm sehr leid, was diese Familie ertragen musste, aber er sagte sich, jeder müsse für sich selbst kämpfen, so wie auch er in seinem Leben. Auch Parasiten wollten nur leben. Mitleid brachte nichts. Manche Unschuldige mussten leiden, damit manche Glückliche ihren Weg fanden. Warum hat Gott das so gemacht? fragte er sich.
Dann nahm er das andere Paket in die Hand, sah es an und lächelte. Er stellte sich vor, wie sie beim Aufmachen des Pakets reagieren würde. Jeder Mensch trägt sein Kreuz. Nun war sie an der Reihe.
Er erinnerte sich an das, was ihm ein anderer Soldat während des Kriegs im Irak bei einem gemeinsamen Essen darüber gesagt hatte:
„Hör zu, Johnny, jeder trägt sein Kreuz. Alles, was du tust, hat eine Rückwirkung auf dich und deine Mitmenschen. Alle Aktionen provozieren auch Reaktionen. Das ist das Gesetz. Das Schlimmste ist, dass die Reaktion oft nicht mehr von da kommt, wo die Aktion getätigt wurde. Deswegen macht es die Reaktion oft unkontrollierbar. Du kannst vielleicht noch Meister deiner Aktion sein aber selten Meister der Reaktion, die dann den natürlichen Gesetzen unterstellt ist. Du kannst bestimmen, was du den anderen tust, aber du wirst niemals, beziehungsweise niemals langfristig und ständig, die Kontrolle darüber haben, wie der andere reagieren wird. Gutes bringt einmal Gutes zurück; zu wenig würden wir sagen. Vielleicht der Grund, warum wir so wenig Gutes tun und uns nicht entschieden und kraftvoll gegen das Böse stellen, oder gar das Böse wählen? Aber Böses bringt 3 Mal böse Schläge zurück und das wissen wir leider erst nachdem wir diese dreifachen Schläge zurückbekommen haben. Wir meinen einfach, wir sind im Krieg und glauben, dass es moralisch ausreicht, um den Tod von Unschuldigen zu erklären und in Kauf zu nehmen. Nein, so geht es nicht. Unsere innere seelische Unruhe ist die Antwort der Natur. Pass auf mit allem, was du tust. Du bekommst alles zurück, deswegen sind das Leben und die Natur gerecht.“
Er dachte an diesen Soldaten, der kurz danach bei einem Anschlag, der verhindert hätte werden können, seine Beine und Hände verlor. Ein paar Tage vorher, vor diesem Essen, hatte er auf eine Menschenmenge geschossen, wissend, dass sie weder bewaffnet waren noch eine Gefahr für ihn und seine Kameraden darstellten. Er tat es aus purem Frust und Stress, aus Hass gegenüber dessen, was er im Irak tat, aus purer Wut gegen diesen Krieg ohne Überzeugung. Die Schreie dieser Menschen und der mangelnde qualifizierte, psychologische Beistand (nach so einem Vorfall wurde oft versucht die Schwere der Taten zu minimieren, und dem Soldaten, der auch ein Gewissen hat, der auch nur ein Mensch ist, zu überzeugen er hätte was Gutes getan und solle sich nichts vorwerfen. Aber seine innere Stimme und Überzeugung sagten ihm etwas anderes) ließen ihn nicht mehr ruhig schlafen. So fing das Böse an, zurückzuschlagen. Schlaftabletten halfen auch nicht mehr. Depressionen und Konzentrationsmangel setzten ein. Deswegen auch diese Unachtsamkeit, die ihm lieber das Leben hätte nehmen sollen, zu seinem Pech aber leider nur beide Beine, die Schenkel und seine beiden Ober- und Unterarme zerfetzt hatten. Diese Verstümmlung würde ihm für immer, für den Rest seines Lebens, in seinem Gewissen bleiben; nein, vielmehr war und würde sie immer sein unauslöschliches Gewissen für all das, was er getan hatte sein und bleiben, so war die Natur .
„Jo“, wie dieser Soldat ihn gern nannte, „Jo, ja, du kannst dein Bewusstsein verändern aber dein Gewissen wirst du niemals, ich sage dir nie, nie los.“
Und weiter:
„Du zahlst alles auf dieser Erde zurück. Hier auf dieser Erde und nicht nach dem Tod. Aber weißt du, Jo? Weißt du, was gut dabei ist? Du kannst selbst ungefähr entscheiden, nein, sagen wir, du kannst ein bisschen beeinflussen, wie hoch die Summe sein wird, die du zahlen wirst. Johnny, versuch, soweit du kannst, immer und immer diese Summe, die du zahlen wirst und musst, so niedrig wie möglich zu halten, indem du deine Taten kontrollierst und so viel gute Taten wie möglich und so wenig böse Sachen wie möglich tust. Es ist nur eine Frage der Zeit, bist du für sie zahlst. Meine Rückzahlung, wie du siehst, ist sehr hoch.“, hatte der Soldat zum Schluss melancholisch gesagt, als er ihn das letzte Mal im Militärkrankenhaus besucht hatte.
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