Bleibt unvollendet dort!«
Und die Gesellen thaten,
Wie jener streng befahl;
Am Fenster das Gesimse
Wird nicht behau'n einmal.
Und noch zu dieser Stunde
Ist's unvollendet dort;
Der Geist des zorn'gen Meisters,
Er wandelt Nachts am Ort.
Versucht's ein and'rer Meister,
Das Fenster auszubau'n,
Kann er's am Morgen wieder
Im alten Stande schau'n.
Drum bleibt es unvollendet,
So lang der Bau besteht,
Der Wandrer kann es schauen,
Der dort vorüber geht.
254. Das Kreuz im Neumünster.
Mündlich.
In der Kirche zum Neumünster in Würzburg ist ein
altes Kreuzbild, davon geht die Sage: Als die Schweden
in Würzburg hausten, stieg ein Soldat zu Nachtszeit
in die Gruft der Neumünsterkirche hinab, in der
Absicht, sich des goldenen Kreuzbildes zu bemächtigen,
das seine Habgierde gereizt hatte. Doch siehe!
als er die räuberische Hand darnach ausstreckt, umschließt
ihn das Bild des Gekreuzigten mit beiden
Armen und läßt ihn nicht mehr von der Stelle weichen,
so viel er auch flucht und lästert und sich mit
Gewalt davon losmachen will. So blieb er gefesselt
hängen bis zur frühen Morgenstunde. Da nahte sich
ein Priester, hörte das Wehklagen des Frevlers und
bewirkte durch sein Gebet die Befreiung desselben.
Das Kreuzbild aber wird bis auf diese Stunde in dem
Neumünster aufbewahrt.
255. Der Schornsteinfeger am Fischmarkt.
Mündlich.
Auf einem Schornstein des Fischmarktes zu Würzburg
war früher ein Schornsteinfeger abgemalt zu
sehen. Davon erzählt die Sage: Nach der Schlacht bei
Nördlingen rief der schwedische Heerführer, welcher
damals in Würzburg lag, seine Leute auf dem Fischmarkt
zusammen und verkündigte ihnen in schwedischer
Sprache, damit es die Würzburger nicht merkten,
was bei Nördlingen vorgefallen, und wie man
sich schleunigst aus Würzburg zurückziehen müsse;
vorher sollte jedoch die Stadt noch einmal männiglich
geplündert werden. Diese Anrede hörte Niemand mit
an als ein Schornsteinfeger, der aus dem Versteck
eines benachbarten Schornsteines lauschte. Derselbe
hatte sich früher als Handwerksbursche ein wenig in
Schweden umgesehen und so viel von der Sprache gemerkt,
daß er die Würzburger alsogleich von der drohenden
Gefahr benachrichtigen konnte. Wie das der
Magistrat hörte, traf er schnell geeignete Maßregeln,
und so mußten die Schweden diesmal mit leeren Säkken
aus Würzburg ziehen. Zum Angedenken dieser
Begebenheit wurde ein Schornsteinfeger auf den
Schornstein eines Hauses am Fischmarkt gemalt.
256. Der Blutstein auf Marienberg.
Mündlich.
In dem Kirchlein der Veste Marienberg bei Würzburg
wird ein Stein am Fuße des Altars gezeigt, der von
Blut befleckt ist. Davon geht im Volke die Sage: Als
die Schweden im Jahre 1631 nach Würzburg kamen
und das feste Schloß des Bischofs erstürmten, drang
ein wüthender Haufe in die Kirche, woselbst ein greiser
Kapuziner am Altare so eben das heilige Meßopfer
feierte. Bei dem Anblicke des würdigen Priesters
ergrimmt die rohe Schaar und Einer haut ihn meuchlings
mit seinem Schwerte nieder. Das Blut des Unschuldigen
spritzte auf einen Stein, von welchem es
nicht mehr abgewaschen werden konnte. Noch heutiges
Tages zeugt der blutige Stein von der unmenschlichen
That.
257. Die Geister auf Marienberg.
Mündlich.
Früher wurde jeden Abend auf der Veste Marienberg
das Ave Maria getrommelt. Dieser Gebrauch soll
daher gekommen sein, weil sich auf eine Zeit um Mitternacht
ein Geisterzug mit solchem Brausen und Lärmen
vernehmen lassen, daß nicht nur die wachthabenden
Soldaten in Schrecken gerathen, sondern auch die
Schläfer aus ihrer Ruhe aufgescheucht worden. Man
weiß nicht, ob es die Geister erschlagener Schweden
oder der von den Schweden Erschlagenen gewesen
seien. Das Ave Maria hat sie zur Ruhe gebracht.
258. Der Schenkthurm bei Würzburg.
B. B a a d e r im Anzeiger von M o n e 1838, S. 53.
Zu Zell bei Würzburg wurde einst in der Spinnstube
gesagt, daß im Schenkthurm ein Hühnernest mit Eiern
sei, und dabei demjenigen ein grüner Rock versprochen,
der sich getraue, jetzt in der Nacht allein die
Eier zu holen. Ein Mädchen erklärte sich zu dem Unternehmen
bereit, wenn man ihr einen Ranken
schwarz Brod, einen Wetzstein und einen schwarzen
Kater verschaffte. Nachdem sie diese Dinge erhalten,
ging sie damit hinauf in den öden Bergthurm, fand
dort in einer Raufe das Nest und nahm die Eier heraus.
Da rief ein grauer Mann ihr zu: »Hättest du deinen
rinkenden Rank, deinen wetzenden Wetz und deinen
schwarzen Kater nicht, so wollt' ich dir den Hals
brechen!« Voll Schrecken lief das Mädchen davon,
und brachte zwar die Eier nach Zell, wurde aber krank
und starb nach kurzer Zeit.
259. Die versunkene Mühle.
Von F . J . F r e i h o l z . – An der Straße nach
V e i t s h ö c h h e i m , wo das S i e c h e n h a u s
steht.
Es saßen einst vier Gesellen
In einer Mühle am Main,
Die zechten da und die sangen
Manch wüstes Lied darein.
Sie fluchten auf Gott und Teufel,
Auf Zeit und auf Ewigkeit;
Sie fluchten dem eig'nen Fluchen
In ihrer Trunkenheit.
Da tappt es leis an der Thüre,
Da tappt es leis an dem Schloß,
So daß den wilden Gesellen
Der Schweiß vom Antlitz floß.
Sie sitzen ganz still und ruhig,
Nur einer springet hervor,
Verlacht die feigen Gefährten
Und öffnet keck das Thor.
Doch draußen da stehet zitternd
In einem ärmlichen Kleid,
Mit ihren bittenden Augen
Die wunderschönste Maid.
In herrlichen Locken wallet
Ihr schwarzes glänzendes Haar,
Es bringt das leuchtende Auge
Wohl jedem Herz Gefahr.
Da jubelten die Gesellen,
Im wilden, lustigen Chor;
Es schlug die schüchternen Augen
Die holde Maid empor:
»O gebet mir Trank und Speise
Und lasset fürder mich ziehn,
Ich muß noch heute nach Würzburg,
Der Frankenhauptstadt hin.«
»Ho! ho! du mein blödes Täubchen,«
So schreit der Erste und lacht,
»Du wirst so schnell nicht entwischen,
Du bleibst bei mir heut Nacht!«
»Ho! ho!« so schreiet der Zweite,
»Komm' Mädel trinke mit mir
Und ich verlange nichts weiter
Als einen Kuß dafür.«
»Ho! ho!« so schreiet der Dritte,
»Ich wünsch' ein Tänzchen mit dir,
O komm' schwarzlockiges Mädel
Und tanze ein's mit mir.«
Jedoch in der Brust des Vierten,
Da wirkt der Liebe Gewalt,
Verdrängt die rohe Begierde
Durch ihre Huldgestalt.
»O komme,« so rief er freudig,
»O komme, holdeste Maid;
Ich will dich treulich beschützen,
Ich geb dir das Geleit;
Ich liebe dich fest im Herzen,
Ich lieb' dich innig und wahr,
Trau meinem kräftigen Arme
Er schützt dich vor Gefahr.«
Da neiget sich süß erröthend,
Zu ihm die herrliche Maid,
Aus ihren glühenden Lippen
Saugt er sich Seligkeit.
So hielt er fest sie umschlungen
Mit seinem kräftigen Arm;
Wie ruht am Busen der Liebsten
Er gar so süß und warm.
Drob zürnten die drei Gesellen,
Und schrie'n und lärmten darein;
»Laß Bruder, lasse die Beute,
Denn sie ist allgemein.
Es hole sich Jeder selber
Was er für's beste dann hält,
So haben wir's stets getrieben,
So ist der Lauf der Welt.«
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