die aber ihrer Rede wenig Glauben schenkte,
bis auch dem Bischof, dem sie sich anvertraute, die
gleiche Offenbarung wurde. Nun bereitete Bilhildis
sich mit Ernst und Andacht auf den Empfang dieser
Sacramente vor, und empfing sie mit gottfreudigem
Herzen.
Nach diesem entzog sich die Fromme allen zeitlichen
Geschäften, versagte sich dem Zuspruch weltlicher
Personen, fastete ganze Tage und ließ ihren Geist
durch den Vorschmack himmlischer Freuden sättigen.
Als es mit ihr zum Sterben gekommen und ihr seliger
Geist eingegangen war in das Friedensreich, erschien
um ihre irdische Hülle ein ungewöhnlicher
Glanz, und ein wundersamer Wohlgeruch erfüllte ihr
Sterbezimmer. Kranke genaßen in der Nähe der Entseelten,
Blinde erlangten ihr Gesicht wieder, Tode
wandelten. Bilhildis war die erste Heilige des Frankenlandes.
Eine spätere, dankbare Zeit stiftete ihr
einen Festtag zu Veitshöchheim, ihrer Geburtsstadt,
und bewahrte dort ihre Reliquien auf.
262. Maria zu Retzbach im Grünen Thal.
G. H ö f l i n g Beschreib. und Gesch. des Marktfleckens
Retzbach, S. 53.
Die Herren von Thüngen hielten ein Jagen im grünen
Thal bei Retzbach. Da flüchtete sich ein Hase, von
einem Geschosse bereits verwundet, in eine kleine
Höhle mit sehr schmalem Eingang. Als man der Neugierde
wegen aufgegraben, fand man sechs Schuh tief
unter der Erde ein fünfthalb Schuh hohes steinernes
Muttergottesbild. Das hielten die Ritter für einen
Wink von oben und gelobten zur Stelle, eine Kapelle
zu Ehren der himmlischen Mutter errichten zu lassen.
Also nahm die Wallfahrt Maria Retzbach im Grünen
Thal ihren Ursprung.
263. St. Johannisnacht auf der Karleburg.
Von S c h ö p p n e r . – K a r l e b u r g oder
K a r l s b u r g bei Karlstadt am Main. – C . v .
F a l k e n s t e i n Buch der Kaisersagen S. 122.
Es macht in der Sankt Johannisnacht
Auf Karlsburg ein Zug die Runde;
Ein Leichenzug geht still und stumm
Im Gemäuer der Burg dreimal herum
Zur mitternächtigen Stunde.
Auf jenem Schloß an des Maines Gestad
So stolz und luftig zu schauen
Erblühte der knospenden Rose gleich
Ein Fräulein an Adel und Tugend reich,
Die Perle fränkischer Frauen.
Zwei Ritter kamen gezogen von fern,
Den Edelstein zu erwerben,
Doch weil von Zweien nur Einer allein
Als Bräutigam konnte die Liebliche frein,
So mußte der Andre verderben.
Nur Einer konnte der glückliche sein,
Das kränkte den Anderen bitter;
»Du sollst mir theuer bezahlen die Braut,
Die wird mit der Klinge dir angetraut!«
So schwur der verachtete Ritter.
Und nächtlicher Weile lauert und harrt
In glühendem Racheverlangen
Der Ritter des Feindes am Felsenthor –
Da tritt der glückliche Jüngling hervor,
Von der Liebsten kam er gegangen.
»Willkommen Gesell! willkommen zum Strauß!
Jetzt sollst du die Braut dir erwerben!
Hier über die zackige Felsenwand
Muß einer von uns an des Maines Strand
Hinabgeschleudert verderben.«
Und es zucken wie Blitze die Klingen empor
Und es rasseln die Schwerter so munter –
Ein Schrei und ein Fall! der Jüngling gut
Er stürzt getroffen in seinem Blut
Die zackigen Felsen hinunter.
Und es macht in der Sankt Johannisnacht
Auf Karlsburg ein Zug die Runde;
Ein Leichenzug geht still und stumm
Mit des Jünglings Sarg in der Burg herum
Zur mitternächtigen Stunde.
264. Das Kreuz bei Reußenberg.
R e u ß e n b e r g Ruine bei G e m ü n d e n . – B .
B a a d e r in M o n e ' s Anzeiger IV., 409.
Von der Burg auf dem Reußenberg ging jeden Abend
eine Magd auf den eine halbe Stunde davon entfernten
Sodenberg zur Spinnstube. Um schneller hin und her
zu kommen, machte sie einen Bund mit dem Teufel.
Eines Abends, als sie wieder heimkehren wollte, regnete
es fürchterlich. Die Sodenberger Burgleute redeten
ihr zu, noch da zu bleiben; sie aber entgegnete:
»Ich gehe fort, und sollte ich auf einem Bock heimreiten!
« Wirklich stand auch ein Bock für sie bereit, den
sie bestieg, und mit ihm gegen den Reußenberg ritt.
Aber ihre Zeit war aus, und in der Hälfte des Weges
wurde sie vom Teufel umgebracht. Auf dem Platze,
wo dieß geschehen, steht noch heutiges Tages ein
steinernes Kreuz.
265. Seyfriedsburg.
S e y f r i e d s b u r g bei G e m ü n d e n . – B .
B a a d e r in M o n e ' s Anz. IV., 410.
Ein Schweinhirtenbube, mit dem Vornamen Fritz,
fand einst beim Schwemmen seiner Heerde etwas in
der Saale. Er rieb sich damit, und wurde fest gegen
Hieb und Schuß. Nachdem er unter die Soldaten gegangen
war, erwarb er sich im Kriege durch seine
Tapferkeit Reichthum und Adel, und erhielt die Erlaubniß,
sich ein Schloß zu bauen, wo er wolle. Da
wählte er seine Heimath, und ließ unterhalb seines
Geburtsdorfes auf demselben Berg eine stattliche
Burg erbauen. Dieses Schloß wurde nebst dem Dorfe
»Säufritzburg« benannt, weil er in seiner Jugend
»Säufritz« geheißen worden1.
Viele Jahre hatte die Burg gestanden, als einmal in
der Heuärnte ein schweres Gewitter kam. Fast alle
Leute, welche auf der an das Schloß grenzenden
Wiese beschäftigt waren, wollten nach Hause; eine
Magd aber rief:
Es mag donnern oder blitzen,
So muß ich meinen Heuhaufen spitzen!
Kaum war dieß gesagt, so fuhr ein gewaltiger Blitz
herab und zerstörte das Schloß und erschlug die
Magd, und riß Heu und Wiese in's Thal hinunter. Seit
dieser Zeit liegt die Burg in Trümmern; das Dorf Seyfriedsburg
aber besteht noch heute.
Fußnoten
1 Das ist nun der hörnen Sigfrit in seiner letzten Verwandlung
als Sauhirtenbube, – quantum diversus ab
illo! und doch noch erkenntlich durch seinen geringen
Stand (Schmiedjunge oder Hirtenbube gleichviel),
durch sein Bad, seine Unverwundlichkeit, seine Thaten,
seinen Hort, ja sogar durch seinen Namen, den
das Volk nicht im Wahnwitz, sondern aus einer dunklen,
aber festen Erinnerung, daß er in seiner Jugend
niedere Arbeit verrichtet hat, so geändert hat. Lehrreich
ist dieses Beispiel, weil es beweist, wie die
große Sage bis auf die heutige Zeit noch ihre Verwandlungen
durchgeht, noch ein Pflanzenleben führt,
nachdem der Geist ihr abgestorben, wie zäh daher ihr
Leben ist, bis sie endlich in Trümmer und einzelne
Bruchstücke zerfallen wird, mit deren Auflösung sie
dann völlig untergeht. M o n e .
266. Das Schloß der Thüringerfürstin.
Von F . J . F r e i h o l z .
Des Jägers Hüfthorn mischt sich mit dem
Abendglockenklang
Und zwischendrein ertönet süß ein reizender Gesang.
Wie klang das dem Verirrten doch so hoffnungsfroh
in's Ohr
Der in dem dichtbelaubten Forst vom Wege sich
verlor.
Und wie er lauschend stille steht woher der Ton wohl
kam
Und leise flüsternd ein Gebet, vom Haupt die Mütze
nahm,
Da tönt derselbe Zauberklang noch einmal durch den
Wald,
Noch einmal ruft das Glöcklein ihm, eh' leiser es
verhallt.
Rechts klang die Glocke, links das Lied, wohin nun
soll er ziehn,
Links drängt ihn eine Stimme hin, und eine heißt ihn
fliehn;
Ob mahnend auch das Glöcklein klang, bezaubernd
rief das Lied,
So daß des Herzens Widerstreit es siegreich bald
entschied.
Links bricht der Fuß durch das Gestrüpp sich rasch
erwünschte Bahn,
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