An diesen neuen Ort,
Erfuhren keinen Namen,
Und reisten wieder fort.
Des Dörfchens schlichte Leute,
Mit Sprachkunst unbekannt,
Da Jedermann sich scheute,
Hatten's noch nicht benannt.
Einst kam auf seinem Wege
Ein Wandrer in den Gau;
Und in dem Feldgehege
Stand eine alte Frau.
Und nach dem Dörfchen deutet
Der junge Wandersmann;
Und da er näher schreitet,
Zu fragen er begann:
»Ist's euer Dorf, das niedlich
Mir dort entgegenlacht?
Es scheinet mir so friedlich,
Von stiller Lust umfacht!«
Kaum hat sie dieß vernommen,
Da eilet sie nach Haus;
Im Dörfchen angekommen,
Ruft sie voll Freuden aus:
»O hört es, gute Leute,
Dieß Dörfchen, unbekannt,
Es werd' von uns seit heute
Stets ›E u e r d o r f ‹ genannt.«
»Denn wißt es, daß so eben
Ein Mann, mir unbekannt,
Den Namen ihm gegeben,
Es ›Euerdorf‹ genannt.«
»Ja,« riefen froh die Leute,
»Ihn hat uns Gott gesandt. –
Das Dörfchen wird bis heute
Noch ›Euerdorf‹ genannt.«
271. Die Eilingsburg bei Kissingen.
F r . P a n z e r Beitrag S. 181.
Die Saale fließt an einem Berge vorüber, die Patzeleiten
genannt. In dem östlichen steilen, dichtbewaldeten
Abhang steht der Sandsteinfelsen zu Tag. Dieser
Platz heißt E i l i n g s b u r g . In den Felsen führt die
Wichtelshöhle, an deren Eingang soll ein hohler
Raum sein, gleich einer Kammer, von welchem aus
ein schmaler, niedriger Gang bis Aura führen und,
nach alter Sage, ganz kleinen Leuten, Wichtelen genannt,
zum Aufenthalt gedient haben soll.
In L i n d e s an der Saale, in der L i n d e s m ü h l ,
lebte in alten Zeiten ein Müller, welchen diese Wichtelen
zum reichen Mann machten, denn sein Speicher
war immer voll Getreid. Einst stieg ein Wichtel über
die Treppe nach dem Speicherboden. Obgleich er nur
eine Kornähre trug, so kreischte er doch wehleidig
und unaufhörlich. Darüber wurde der Müller zornig
und rief: »Du Blutkröt, wie kreischt du über dein
Aerla Korn!« Auf diese rauhe Rede trugen die Wichtelen
alles Getreid fort, und machten den Müller zum
armen Mann.
Daß vom Schloß Aura ein unterirdischer Gang abzieht,
sagt Erzähler, ist gewiß; denn einst wollten die
jungen Edelleute den in diesen Gängen verborgenen
Schatz suchen; wie sie aber vordrangen, sahen sie drei
Gestalten um einen Tisch herum sitzen, welcher ganz
mit Gold bedeckt war; sie erschraken und liefen so
schnell davon, daß einer über den andern fiel.
272. Jud Schwed in Kissingen.
B e c h s t e i n S. 131.
Am Rathhaus der Stadt Kissingen schaut oben ein
bärtiger Mannskopf, der sich in den Haaren rauft, als
ein Wahrzeichen herab. Das nennen die Einwohner
den Jud Schwed und erzählen davon folgende Sage:
Im dreißigjährigen Kriege, als die Schweden diese
ganze Gegend heimsuchten, wurde auch Kissingen
von ihnen belagert und hart bedroht. Doch widerstand
die Stadt tapfer und wäre vielleicht nicht erobert worden,
wenn nicht ein Jude an ihr zum Verräther geworden
wäre. Dieser wußte einen unbewachten Ausgang
durch die Mauer und führte die Feinde dort ein. Doch
empfing er seinen Lohn und zum Andenken wurde
sein Bild, wie er sich aus Reue die Haare ausrauft, am
Rathhaus befestigt. Hernach kam es auch, daß man
ihn und die Seinen nicht mehr bei ihrem wahren
Namen, welcher der Vergessenheit überliefert wurde,
rief, sondern Schwed, zur ewigen Erinnerung; und
dieser blieb auch, denn noch heute leben Nachkommen
von ihm zu Kissingen, welche den Namen
Schwed führen.
Eine andere Sage von diesem Juden kündet aber
gerade das Gegentheil des vorstehenden. Nach dieser
goß der Jude für die Bürger Kugeln, welche die geheimnißvolle
Eigenschaft hatten, unfehlbar zu treffen,
und den Schweden so tödtlich wurden, daß sie abziehen
mußten. Darauf wurde des Juden Kopf als Erinnerungszeichen
dankbar am Rathhaus angebracht.
273. Wie Kissingen vor den Schweden gerettet
ward.
L a u r . H e l b i g alveare cath. p. 874. G r o p p
coll. nov. script. Wirceb. II., 95. B e c h s t e i n S. 132.
Unter der Anführung Reichwalds näherte sich ein
Trupp Schweden dem Städtlein Kissingen. Sie lagerten
sich in aller Stille auf den benachbarten waldigen
Höhen, mit der Absicht, zur Nachtszeit den Angriff
zu machen. Nun traf es sich, daß zur selben Zeit etliche
Krämer, vom Jahrmarkte heimkehrend, des
Weges zogen. Diese bemerkten den im Hinterhalte
lauernden Feind und setzten alsbald die Kissinger von
der bevorstehenden Gefahr in Kenntniß. Da versammelten
sich die Bürger und wandten zu allererst ihre
Blicke zur gnadenreichen Mutter des Herrn und begaben
sich in ihren Schutz mit frommen Gelübden. Darauf
faßten sie Muth und rüsteten sich wacker zum
hartnäckigsten Widerstande. Wie nun die Schweden
heranrückten und anfingen, das Städtlein zu berennen,
wurden sie bald von denen auf der Mauer zurückgeschlagen.
Als sie sich aber ermannten und den Angriff
erneuerten, fand sich unter den Kissingern ein Bürger,
P e t e r H e i l mit Namen, der kam auf den Einfall,
man sollte alle Bienenkörbe von ganz Kissingen zusammenbringen
und von den Mauern hinunter auf die
Feinde werfen. Also geschah es. Zahllose Bienenschwärme
stürzten sich auf die betroffenen Feinde
und brachten sie mit ihren Stichen in solche Verlegenheit,
daß sie den Belagerten gegenüber wehrlos sich
in aller Eile auf die Flucht begaben. Die Kissinger
aber zogen zum Dank für so wunderbare Rettung alljährlich
am dritten Fastensonntag in Prozession von
der Pfarrkirche nach dem Kirchlein der Muttergottes,
deren Schirm und Schutz sie gefunden hatten. Dem
P e t e r H e i l wurde als Denkmal ein steinerner
Kopf am Rathhaus gesetzt, den man noch heutiges
Tags sehen kann.
274. Schloß Huhnberg.
B e c h s t e i n S. 245.
Ueber Nüdlingen, zwischen Münnerstadt und Kissingen
gelegen, ist eine Burgstätte auf einem ziemlichen
Hügel sichtbar, welche heute Huhnberg genannt wird,
vor Alters aber Henneberg genannt wurde, wie eine
Urkunde vom Jahre 1243 deutlich aussagt. Den
Namen soll Burg und Berg von einem zahmen oder
Haushuhn erhalten haben, das zur Zeit, als man die
erstere gründen wollte und für dieselbe noch keinen
Namen wußte, auf diesen ein Ei gelegt. Zur Unterscheidung
des Namens von dem weit früher schon erbauten
Stammschlosse Henneberg aber, habe man es
später nicht Henne-, sondern Huhnberg genannt, und
diese Burg durch das Bild eines Haushuhns von dem
Wappen der ersteren, einer Wildhenne, unterschieden.
Die Sage verkündet, daß, von Erbauung dieser Burg
an, alle hundert Jahre Mittags und Mitternachts ein
Huhn auf dem Schloßberge dreimal fröhlich schreie
und so das Jahrhundert verkünde, wie man es zuletzt
noch, namentlich im Jahr 1742, gehört haben will.
Noch soll unter den verschütteten Kellern und Gewölben
der Huhnburg viel Geld und Wein verborgen
sein. Die Leute erzählen: Jeder, der den Schloßplatz
besuche, finde bei seinem ersten Kommen, wenn er
nicht an die Schätze denke, und nicht auf deren Hebung
ausgehe, eine kleine Oeffnung, welche in die
Tiefen hinabführe; benutze er dieses Glück, so könne
er reich werden, doch nie werde zum zweitenmale
diese Gelegenheit geboten. Wer die Oeffnung finde
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