Das Wasser ist hier so klar, daß das dicht unter der Oberfläche befindliche Thier in Krystall zu schwimmen schien, und wäre das Schiff nicht in Fahrt gewesen, dann hätte man dem Thier jede Bewegung absprechen müssen. Der Körper war deutlich zu sehen, keine Flosse schien sich zu bewegen, nur das bei scharfem Hinsehen erkennbare leichte Aufkräuseln des Wassers an der über die Oberfläche hervorragenden Rückenflosse zeigte, daß der Fisch in Bewegung war. Die Angel plumpste ins Wasser — sie wird absichtlich stets mit möglichst großem Geräusch geworfen — und sofort schwenkten die beiden Lootsen, denen der Hai gehorsam folgte, nach dem Schiffe hin. Diese Lootsen sind kleine Fische, von denen stets zwei den Hai begleiten, um, vor ihm schwimmend, ihn zur Beute zu führen, und aus deren Vorhandensein man schließt, daß ihr Herr mit sehr schwachen Gesichts- und Geruchsorganen ausgestattet ist. In geringer Entfernung von dem Köder ließ das plötzlich entschiedene Vorgehen des Haies erkennen, daß er nunmehr die Witterung hatte; die Lootsen nahmen jetzt ihren Standort zu beiden Seiten ihres Herrn, welcher noch etwas vorschoß, sich halb auf die Seite legte und dann mit seinem auf der Bauchseite befindlichen und mit zwölf Reihen Zähnen bespickten mächtigen Rachen zuschnappte. Gleichzeitig wurde so kräftig an der Angelleine gezogen, daß der scharfe Haken tief in den Kiefer eindrang, und unser Opfer war vorläufig an die Kette gelegt. Mächtige Schläge des Schwanzes wühlten das Wasser auf und sagten den Lootsen, daß ihr Beschützer verloren war, denn als das Thier mit dem Nachlassen der Leine wieder ruhig wurde, waren sie verschwunden. Sobald die Ueberzeugung gewonnen war, daß die Angel gefaßt hatte, wurde die Leine soweit nachgelassen, daß der Fisch wieder ohne Schmerz schwimmen konnte, und nun folgte er geduldig dicht am Schiffe, bis die Schlinge richtig placirt war. Dann wurde kräftig angezogen und im nächsten Augenblick wand sich der Fisch — zappeln kann man hier nicht sagen — mit dem Kopf nach unten hängend, in kräftigen Zuckungen über der Schanzkleidung des Schiffes; noch einige Augenblicke und er lag, wüthend um sich schlagend, auf dem Deck, wo jeder ängstlich dem Schwanze auswich, während der Matador, ein mit einer Handspake bewaffneter Unteroffizier, an seinem Kopfe zum Stoß bereit stehend auf den Augenblick wartete, wo das Opfer nach Luft schnappen würde. Der Rachen öffnete sich, hinein fuhr die Spake bis zum Magen und machte den Fisch steif. Nun war der Schwanz unschädlich gemacht, die Matrosen sprangen zu und mit Hurrah ging es nach dem Vorschiff, wo die Schlachtbank bereits bereitet war. Erst wurde der Schwanz vom Körper getrennt, da zum Ablösen des Kopfes vorher die Spake entfernt werden muß, das Thier aber ohne Kopf noch lange Zeit kräftige Muskelzuckungen behält, mit welchen es schlimme Verletzungen schlagen kann, wenn die Schwanzflosse noch am Körper ist. Dann wurde der Magen untersucht, welcher nichts Auffälliges enthielt, und danach ging es an die weitere Zerlegung, welcher ich aber nicht folgen, sondern nur kurz anführen will, was aus den einzelnen Theilen wird. Die Schwanzflosse wird an den äußersten Punkt des Bugspriets angenagelt, weil sie nach einem Matrosenaberglauben an jener Stelle angebracht dem Schiffe Glück bringt; die Schwanzstücke werden von der Mannschaft gekocht oder gebraten gegessen; das Rückgrat und das Gebiß werden sorgsam gereinigt und als Raritäten mit nach Hause gebracht.
Sobald der Hai auf dem Schiffe war, gingen die Leute, bis auf wenige, welche den Fisch zerlegten, wieder an die Arbeit, doch die Stimmung, welche vorher auf dem Schiffe gelegen, kehrte nicht wieder. Die Aufregung der Jagd hatte alle unruhig gemacht und dies theilte sich dem ganzen Schiffe mit. Diese Unruhe äußerte sich nicht in größerm Geräusch, denn es war fast noch lautloser wie vorher, sondern zeigte sich in den Mienen und Bewegungen der Leute. Die Arbeit wurde beendet, das beschmutzte Deck mit Messern, Schrapern, Sand und Steinen wieder gereinigt, und erst dann trat mit der Selbstreinigung der Mannschaft wieder die alte Stimmung ein. Schon vor Beendigung der Arbeit ist das Verdeck für die große Waschung vorbereitet worden. Das Tauwerk ist aufgehängt, etwa dreißig große, mit süßem Wasser gefüllte Bütten stehen bereit, die Spritzenschläuche sind an die Pumpen angeschraubt. Die Mannschaft strömt herbei und hat, da wir auf dem Kriegsschiffe ja immer unter uns Männern sind, schnell sich aller Kleider entledigt. Die Gelegenheit wird ausgiebig benutzt, da ein solches Süßwasserbad nicht oft geboten wird; in kurzer Zeit ist die ganze Mannschaft in Seifenschaum gehüllt. Dort steht ein Kranz Matrosen in gebückter Stellung um ihre Bütte; die nächste Gruppe ist schon weiter vorgeschritten, indem die Leute aufrecht stehen und einer dem andern den Rücken abseift; weiterhin ragt aus der Mitte eines Kranzes über die gebeugten Rücken die zusammengekauerte Gestalt eines Mannes hervor, welcher in dem Waschfaß sitzt; daneben sitzen in einem größern Gefäß sogar zwei sich gegenüber, welche sich gegenseitig abseifen, aber bald mitsammt ihrer Wanne von den Kameraden umgeworfen werden, weil sie sich zu unnütz machen. Kleine Scherze der verschiedensten Art beleben und erheitern das Bild, die allgemeinste Lustigkeit bricht aber durch, sobald die Spritzen zu spielen beginnen. Alles strömt herzu und ballt sich zu einem lebenden Knäuel zusammen, auf welchen von erhöhtem Standpunkte aus die kräftigen Wasserstrahlen fallen. Da wogen 200 kräftige, muskulöse Gestalten als ein Bild der üppigsten Kraftfülle unter Lachen und Gejauchze hin und her, sich gegenseitig verdrängend und verschiebend; in der Mitte die größere Masse aufrecht stehend, und um diesen Kern herum ein Kranz theils auf dem Gesicht, theils auf dem Rücken liegender Gestalten, welche das Bad in dem langsam abfließenden Wasser dem kräftigen Strahl vorziehen. Die Abendbrotzeit nahte, dem Baden mußte ein Ende gemacht werden, und eine Stunde später saß die Mannschaft wieder auf dem Vordeck, um die Freizeit nach dem Abendbrot zu genießen und, auf dem vom Monde hell beschienenen Deck behaglich ausgestreckt, rauchend den Klängen der Musik zu lauschen, welche mit ihren deutschen Weisen uns der Heimat näher rückte.
Das köstliche Wetter, der schöne Sonnenuntergang, bei welchem wir vor drei Stunden für heute den letzten Blick auf das in weiter Ferne sich von dem Himmel abhebende Inselland warfen, welches sein aus Wolken gewebtes Tageskleid wieder abgelegt hatte, das magische Bild des von dem Monde silbern überhauchten Schiffes, rufen in mir die märchenhaften Erinnerungen wieder wach, welche mein Gemüth so mächtig bewegten, als ich vor 22 Jahren als Knabe zum ersten mal Madeira in weiter Ferne sah und auf der längst verschollenen „Amazone“ in einer ähnlichen Zaubernacht mit leichtem Winde dieser schönsten aller Inseln entgegensegelte. Damals der vierzehnjährige Knabe als preußischer Cadet auf seiner ersten Seereise, jetzt der Mann als Commandant eines deutschen Schiffes vor einer ähnlichen Inselperle, welche 15000 Seemeilen weiter von der Heimat entfernt ist. Was liegt nicht alles in dieser verhältnißmäßig kurzen Spanne Zeit? Welche großartigen politischen Umwälzungen haben sich nicht vollzogen, wie hat mein eigenes Leben sich gestaltet? — Es ist Zeit für mich, das Bett aufzusuchen, weil ich um 3 Uhr morgens wieder auf dem Posten sein muß, da nach der dem Schiffe gegebenen Segelführung dann das Land angesteuert wird, um bei guter Zeit in Papeete eintreffen zu können.
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