Das Internet wandelte sich von einer ergänzenden Ressource für Wahlinformationen zu einer Hauptquelle der Nachrichten. Aber nicht nur Kampagnen und Journalisten nutzen das Internet im Wahlkampf. Auch die Wähler produzieren, teilen oder konsumieren Kampagneninhalte. Sie öffnen ihre persönlichen Netzwerke (Peer-to-Peer), verbreiten die Botschaften auf den unterschiedlichen Plattformen (Escher 2013). Dabei greifen sie auf vorproduzierte Inhalte der Kampagnen zurück oder werden selbst zum Produzenten und entreißen den orchestrierten Kampagnen die Herrschaft über die Botschaft. Digitale Instrumente eröffnen mehr Interaktivität und ermöglichen es, die Nutzer dynamisch teilhaben zu lassen und einzubinden.
Die Tendenz zu mobilisierungsbasierten Kampagnen mit personalisierter politischer Kommunikation (Nielsen 2011, 2012) befördern digitale Instrumente der direkten Wähleransprache. Während Studien über die politische Internetnutzung durch Parteien in Deutschland sich meist mit den Websites von Parteien beschäftigen (Siri u.a. 2012), gewinnt die digitale Wähleransprache durch eine Vielzahl von Plattformen, kosteneffizienterer Kommunikation und präziseren Ansprachemöglichkeiten durch eine gewachsene Datengrundlage an gestiegener Bedeutung (Voigt und Güldenzopf 2017). Hinzukommen digitale Managementtools, welche die organisatorische Effizienz steigern und die Akzeptanz innerhalb von Kampagnen erhöhen. Es verschwimmen die Grenzen zwischen digitaler und realer Welt, wenn die Aktivierung und Teilhabe auch in den offline-Bereich hineinreicht (Kreiss 2012b).
Die Rolle des Internets für die politische Kommunikation und den Wahlkampf wird durchaus unterschiedlich bewertet. In vielen Studien steht die Frage im Mittelpunkt, ob es durch die Digitalisierung zu einem gestiegenen politischen Engagement kommt (Johnson und Kaye 2003, Tolbert und McNeal 2003, Wang 2007, Gueorguiva 2008, Gulati und Williams 2010, Escher 2013). Die Optimisten sehen in der digitalen Kommunikation einen zusätzlichen Weg, durch neue technische Möglichkeiten mehr Bürger für den politischen Prozess zu gewinnen, da direktere und kostengünstigere Formen politischer Beteiligung und des Dialogs zwischen Bürger und Politik nutzbar sind (für eine Übersicht der Literatur Chadwick 2006, Neuman u.a. 2010, Escher 2013). Dadurch sinken die Partizipationskosten und die Instrumente zur politischen Teilhabe wachsen. Für andere dagegen verstärken die digitalen Möglichkeiten die Defizite zwischen denjenigen, die sich politisch interessieren und teilhaben und denjenigen, die auch bisher kein Interesse für Politik zeigen (Park und Perry, 2008, Katz und Rice, 2002, Schaufele und Nisbet 2002, Quan-Haase u.a. 2002, Brundidge und Rice 2009, van Dijk 2005, 2017).
Unstrittig ist jedoch, dass die digitale Kommunikation erweiterte Formen politischer Aktivitäten schafft, die in der Offline-Welt schwieriger zu realisieren sind: mehr auffindbare Informationen über Politik, mehr politische Interaktionen und Partizipation, vertiefte Vernetzung und direktere Mobilisierung der Wähler (Gibson und Ward 2005, Kreiss 2015, Hinz 2017).
Es verwundert nicht, dass politische Kampagnen gelernt haben, mit den technologischen Veränderungen und den Neuerungen der Internet-Plattformen Schritt zu halten. Sie nutzen digitale Tools zu ihrem Vorteil, ob für das organisatorische Management (Nielsen 2012), in der Kommunikation zu Unterstützern und Wählern (Karpf 2011) oder den prädiktiven Analysen potentieller Zielgruppen (Hersh 2015). Technologie hält Einzug in die politischen Kampagnen und mit ihr technikgetriebene Experten, die neue Lösungen in der politischen Kommunikation eröffnen (Kreiss 2012a, Issenberg 2012). Die technologischen Möglichkeiten befördern die Konvergenz von digitalen und klassischen Angeboten, so werden bspw. über YouTube dieselben Spots ausgespielt, die auch im Fernsehen ausgestrahlt werden (Pauwels und Hallriegel 2009). Es entwickeln sich aber auch neue Formate, die sich nicht im klassischen Medienbereich finden und durch Interaktivität, Dialogorientierung und Multimedia- sowie User-Content-Inhalte geprägt sind. So werden digitale Plattformen zu Content-Hubs mit eigenen Inhalten. Dadurch verändert sich die Beziehung zwischen traditionellen und neuen Medien, das sich von anfangs konfrontativ in ein symbiotisches Miteinander wandelte, wo Informationen auf Twitter oder Facebook zu Quellen der Kampagnenberichterstattung für Journalisten geworden sind und wiederum die Kampagnen-Agenda bestimmen.
Es entsteht ein dynamisches Kommunikationsumfeld, welches politische Kampagnenmitarbeiter beständig nach neuen Wegen suchen lässt, durch die digitale Kommunikation noch effizienter zu kommunizieren (Chadwick 2013, Karpf 2011). Es schwindet die Trennung der digitalen und analogen Kampagnenwelten (Nielsen 2013). Wahlkampagnen entwickeln sich „Internet-assisted“ (Nielsen 2011) oder „digital-enabled“ (Earl und Kimport 2011).
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