Ihr glaubt ja gar nicht, wie froh ich bin, dass ein Gnom mich als würdig erachtet hat, mit ihm zusammen zu arbeiten. Das ist das Stichwort: Arbeit.
OH GRAUS! Ich hatte vor einiger Zeit einen Kurs gemacht, der erklären sollte, wie man perfekte Lebensläufe und Bewerbungen schreibt. Aus der Nummer war ich nämlich schon länger raus. Die letzte Bewerbung für eine ordentliche Arbeit hatte ich vor ungefähr gefühlten tausend Jahren geschrieben und war überhaupt nicht mehr up to date (für Findemich: auf dem neusten Stand der Dinge). Der Blick in meine Schatztruhe zeigte mir aber, dass es an der Zeit war, etwas zur Schatztruhenauffüllung zu tun. Leider besitze ich keinen Zauberstab. Wie unpraktisch. Zahlen tippen hat bis zu diesem Zeitpunkt nicht richtig funktioniert. Also, was tun? Genau! Einen Kurs belegen, der alles Notwendige erklärt.
Schon bei der Vorstellungsrunde – im Kurs saßen rund dreißig, durchaus sehr nette,Teilnehmer – merkte ich, dass ich irgendwie nicht so recht da rein passte. Die anderen schienen in anderen Welten zu leben als ich. Als ich erzählte, dass ich in einem Elfenbeinturm wohne, mit meinen Stofftieren zusammen, die recht anspruchsvoll sind, ich keine Ahnung von Excel, Access und sonst was habe, aber recht zufrieden bin, wenn ich einen Hagebuttenstrauch in Ruhe betrachten kann, schienen die anderen nichts damit anfangen zu können. Schade aber auch!
Auf jeden Fall kam es dann dazu, dass wir schöne Lebensläufe schreiben sollten. Auweia.
Ermutigend war allerdings schon mal, dass der Lebenslauf auch wirklich zu uns passen sollte. Aber wer von einem Arbeitgeber will schon lesen, dass ich gerne das Hängebauchschwein auf dem Bauernhof um die Ecke mit Rosinenbrötchen füttere und das als eine wichtige Tätigkeit in meinem jetzigen Lebensabschnitt ansehe? Findemich schon! Der fand das genauso wichtig wie ich, wenn nicht sogar wichtiger. Aber das wusste ich zu dem Zeitpunkt des Kurses noch nicht, denn Findemich war noch gar nicht in mein Leben getreten.
So war ich ein unglücklicher Kursteilnehmer, der einfach nicht wusste, was er schlussendlich in den eigenen Lebenslauf schreiben sollte. Die Sachen, die ich wichtig fand, gehörten laut Kursleiterin nicht darein. Und das, was darein gehörte, war einfach nicht in großen Mengen bei mir vorhanden.
Meine Mutter meinte schon immer, ich sei eine Träumerin und damit hatte sie wohl auch recht. Zum Glück ist das bei den Gnomen eine ausgesprochen wichtige Eigenschaft, die als große Stärke angesehen wird.
So saß ich also in dem Kurs und dachte traurig, dass wohl jetzt der Ernst des Lebens auch für mich anfinge, wo ich mich doch so viele Jahre immer so erfolgreich davor gedrückt hatte. Und dann dachte ich noch, dass mein Vater, als er mir zur Grundschuleinschulung auf den Weg mit gab, dass jetzt für mich der Ernst des Lebens beginne, mir einfach nur die Wahrheit gesagt hatte. Leben und Spaßlosigkeit schien für Erwachsene zusammen zu gehören und irgendwann würde ich das auch schon merken und jetzt war es wohl endgültig soweit.
Die Lebensläufe sollten auf ordentlichem, weißem Papier gedruckt sein. Mein Drucker hatte schon vor Jahren den Geist aufgegeben. Ich fand sowieso, dass so ein s/w Druck nicht mein Leben wiedergeben könnte. Wo war bloß die Farbe? Und warum sollte auch noch das Foto von mir ebenfalls s/w sein? Aber das war noch nicht alles. Die Klamotten sollten seriös aussehen. Ebenso die Frisur. Himmel hilf! Das war ich einfach nicht.
Mir schwebte ein Lebenslauf mit bunten Strasssteinchen beklebt vor. Schließlich wollte ich doch Leichtigkeit und die Freude in meinem Leben ausdrücken. Gerne hätte ich noch einige bunte Blumen auf den Bogen gemalt. Findemich meint gerade zu mir: „Siehst du, das wäre doch sehr vernünftig gewesen!“ Und ich finde, er hat recht. Ich passe in kein s/w Lebenslauf und ich bezweifele, dass das einer tut.
Ich hatte schlaflose Nächte. Ich wälzte mich von einer Seite auf die andere und überlegte mir, wie ich aus der Patsche herauskommen könnte. Was sollte ich mit einem Arbeitgeber anfangen, der s/w Lebensläufe bevorzugt ? Und was sollte ein Arbeitgeber mir jemandem wie mir anfangen, der sich in Tagträumen ergeht und Zuckerwatte mag? Das passte doch hinten und vorne nicht zusammen!
Ich war wütend. Meine Kursleiterin wusste auch keine Lösung, außer, dass ich mich anpassen sollte. Anpassen! Ich! Auch das konnte es nicht sein. „Nicht mit mir!“, dachte ich. Und so schaltete ich den Rest des Kurses meine Gedanken ab und beobachtete durch die Fenster des Kursraumes die Wolken und Vögel. Findemich sagte mir damals, dass das ein kritischer Punkt gewesen sei. Hätte ich mich angepasst, wäre ich für die Gnomauswahl nicht in Frage gekommen. S/w Menschen wollen sie nicht. Träumer sind ihnen lieber, viel lieber. Ach, was hatte ich für ein Glück und habe es jetzt noch!
Die Gnomwelt beobachtete mich also ganz genau. Und das über Jahre hinweg. Und ich wusste natürlich nichts davon. Findemich sagte mir, dass ich ihnen leid getan hätte. Aber sie mussten sich erst ganz sicher sein, dass ich auch wirklich zu ihnen passe, bevor sie mich kontaktieren konnten.
Erst einmal ist es in der Geschichte der Gnome vorgekommen, dass ein Auserwählter sich so dermaßen gewandelt hat, dass eine Zusammenarbeit mit den Gnomen nicht mehr möglich war. Und das war schlimm, weil die Gnome großen Wert darauf legen, dass sie richtig – also in ihrem Sinne - dargestellt werden.
Dieser abtrünnige Auserwählte war irgendwann zu einem normalen Erwachsenen geworden und das hatte seine Sicht von den Dingen verändert. Total verändert. Es war so schlimm, dass er seinen Gnom nicht mehr richtig sehen konnte. Was der Gnom zu ihm sagte, konnte er entweder nicht verstehen, weil seine Ohren die Gnomstimme nicht richtig vernahmen oder er begriff einfach nicht mehr, was der Gnom ihm vermitteln wollte. Es hatte keinen Sinn mehr. Die Zusammenarbeit mit diesem Menschen wurde von Gnomseite gekündigt, weil der Auserwählte zudem anfing Falsches über die Gnome zu berichten.
Dieser Mann hat sich nie wieder von seinem erwachsen sein erholt. Er hat einen Sohn bekommen und mit seiner Frau zusammen hat er diesem immer wieder erzählt, dass im Leben der Ernst auf einen wartet und dass das Leben hart und anstrengend ist und dass dies bereit mit der Grundschule so beginnt. Der arme Sohn war mit zehn Jahren schon erwachsen. Er besuchte regelmäßig Kurse, die ihm das Spielen austreiben sollten. Mit Erfolg! Mit zwölf Jahren konnte er eine Präsentation mit Beamer vor Publikum abhalten. Er wusste was eine Statistik ist und wie man sie „verbessert“.
Mir hat diese Gruselgeschichte Angst gemacht. Zum Glück bin ich schon in dem Alter, wo nur noch wenige Menschen einem sagen, was man zu tun hat und was nicht.
O.k., den Titel für das Buch habe ich jetzt immer noch nicht.
Ich glaube, ich mache Schluss für heute und erzähle morgen weiter.
Inzwischen ist es schon Abend. Findemich ist am gähnen. Wir müssen noch zusammen Abendbrot essen und dann wollten wir uns einen Sciencefiction-Film ansehen, der von einer menschlichen Marsbesiedlung handelt.
Mit dem Haare färben wird wohl heute nichts mehr. Es ist auch besser, wenn ich das bei Tageslicht mache, denke ich.
Euch also einen schönen Abend und eine gute Nacht!
Bis morgen denn oder übermorgen!
Findemich schimpft mit mir, wir haben mit Schreiben zwei Tage ausgesetzt.!
Keine Ahnung, wo die Zeit geblieben ist. Ich frage mich immer, wie das Frauen machen, die noch kleine Kinder zu versorgen haben und womöglich dazu einen Ehemann. Einkaufen gehen, etwas Bewegung an der frischen Luft braucht man ja auch, Zähne putzen, Haare kämen. Geht das euch manchmal auch so? Man steht auf und denkt: „Aber, ich habe mir doch gerade die Zähne geputzt! Ach nö, nicht schon wieder waschen!“ Das ist manchmal mehr als lästig. Finde ich zumindest.
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