Die Kaninchenfelle konnte man für Zuckermarken und 50 Pfennige zu einer Sammelstelle bringen. Das Geld durfte ich als Taschengeld behalten. Meistens gab ich es für meine zweite Leidenschaft neben dem Lesen, dem Kinobesuch aus. Es gab zwei Kinos im Ort. Am Sonntagnachmittag gab es für 50 Pfennig Eintritt eine Kindervorstellung, die ich sehr oft besuchte. Die Kinos waren meistens voll besetzt und dienten auch als Treffpunkt mit den Freunden. Mädchen spielten noch keine Rolle bei uns.
Sehr schön waren die russischen Märchenfilme und später auch die von der DEFA, z. B. „Der kleine Muck“, „Das steinerne Herz“ und andere. Oft wurden auch patriotische russische Kriegsfilme gezeigt.
Als ich so 12, 13 Jahre alt war, gelang es mir manchmal, mit Erwachsenenbegleitung in eine Abendvorstellung zu kommen. Das war immer besonders aufregend, weil es vor dem Film eine Bühnenschau mit Künstlern gab. In den Filmen gab es schon mal Sachen zu sehen, von denen man andeutungsweise etwas ahnte, aber konkret noch nichts wusste. Aufklärungsunterricht gab es damals an den Schulen nicht.
An meine Schulzeit erinnere ich mich gerne. Ich hatte nach meinem Verständnis gute Lehrer und war ein guter Schüler, obwohl ich durch mein konservatives Elternhaus mit dem ganzen sozialistischen Kram nicht viel anzufangen wusste. Zu meiner Zeit wurde das alles auch noch nicht so verbissen durchgezogen.
Irgendwann bin ich auch bei den Jungen Pionieren eingetreten, weil alle drin waren und man dadurch viele Vorteile hatte. Hinter unserem Haus war ein Park mit einer alten Villa drin, die als Pionierhaus diente. Dort gab es eine Bibliothek, und es wurden Kurse abgehalten. Ich lernte dort das Fotografieren und das Entwickeln von Filmen und Abziehen von Bildern.
Damals gab es im Harz noch Schneewinter. Ich konnte schon etwas Ski fahren. Die Ausrüstung war natürlich nicht mit der heutigen vergleichbar. Ich hatte ein Paar Holzskier, deren Kanten ganz abgerundet waren, so dass man kaum eine Kurve fahren konnte. Die Lederriemenbindung hielt nicht, und man verlor oft einen Ski. Ordentliche Skischuhe hatten wir auch nicht. Wir fuhren mit unseren normalen Winterschuhen.
Im Winter 1952 wurde ich von der Pionierorganisation zu einem Skikursus ins weit entfernte Vogtland geschickt. Ich sollte danach an den Landespioniermeisterschaften von Sachsen-Anhalt in Schierke am Brocken teilnehmen. Es war das erste mal, dass ich alleine so weit von zu Hause weg war, und ich hatte fürchterliches Heimweh.
Um wieder nach Hause zu kommen, ließ ich nacheinander fast meine ganze Familie sterben, bis sie mich tatsächlich nach Hause schicken wollten. Am Abreisetag ging es mir besonders gut, und ich beschloss, nun doch dort zu bleiben. Seitdem habe ich nie wieder Heimweh gehabt. Die Meisterschaft war kein großer Erfolg für mich. Mein bester Rang war der 21. Platz im Abfahrtslauf.
Bei den Jungen Pionieren war ich zum Wanderwart ernannt worden, weil ich mich in der Gegend von Wernigerode gut auskannte.
In der Gruppe der Jungen Pioniere
Mit den Freunden trieben wir uns oft in den Wäldern und Bergen rum. Die längste Wanderung machte ich so als 10- oder 11jähriger mit meinem Vater von Wernigerode zu Fuß auf den Brocken und zurück.
Die erste von mir organisierte Wanderung führte zum 16 km entfernten Regenstein bei Thale. Leider verspätete ich mich. Als ich zum Treffpunkt kam, war die Gruppe schon weg. Ich machte mich per Anhalter (damals gab es noch nicht viele Autos auf den Landstraßen) auf die Verfolgung und fand die Gruppe erschöpft an der Burgruine Regenstein wieder. Es regnete in Strömen, die Mädchen weinten vor Kälte und Erschöpfung, mussten aber noch die 16 km wieder zurück laufen. Am nächsten Tag wurde ich vom Pionierleiter der Schule als Wanderwart abgesetzt und bekam auch in der Organisation keinen Posten mehr.
Wegen der Versorgungsengpässe in der DDR gab es lange keine Fahrräder zu kaufen. Wer von uns Kindern noch eins aus der Vorkriegszeit hatte, konnte sich glücklich schätzen, obwohl es auch keine Luftreifen gab. Man fuhr auf Vollgummireifen oder auf anderen Behelfen wie alten Gartenschläuchen. Mein Vater hatte mir ein uraltes Fahrrad mit einem altmodischen Gesundheitslenker und einer Karbidlampe besorgt. Leider konnte ich mehrere Monate nicht damit fahren, weil das Rad keine Reifen hatte. Es stand auf dem Treppenabsatz zu unserer Wohnung, und ich saß jeden Tag darauf, konnte aber nicht fahren, bis mir mein Onkel Ernst aus dem Westen neue Luftreifen schenkte. Durch das Rad erweiterte sich mein Aktionsradius erheblich. Einmal fuhren wir mit Freunden 80 km bis Magdeburg, übernachteten bei einem Bauern in der Scheune und fuhren am nächsten Tag wieder nach Hause, nachdem wir uns aus den zur Abholung an die Straße gestellten Milchkannen satt getrunken hatten.
Unser bevorzugtes Nahziel am Wochenende wurde die 16 km entfernte Burgruine Regenstein bei Thale.
Mit etwa 13 Jahren fuhr ich per Rad alleine zu meiner Tante nach Wittenberg und 200 km nach Berlin zur jüngsten Schwester meines Vaters. Das war damals alles noch möglich, weil es auf den Landstraßen wenig Autoverkehr gab. Die allgemeine Sicherheitslage war trotz verlorenem Krieg und dem ganzen damit zusammenhängenden Elend besser als heute. Im Sommer 1954 nach meiner Schulzeit bin ich mit diesem Fahrrad als normaler Urlauber über die Grenze nach Hamburg zu meinem Vater gefahren, aber diese Geschichte folgt später.
1953 wurde mein damaliger Freund und Klassenkamerad und ich für acht Wochen in das Pionierlager „Wilhelm Piek“ am Fehrbellinsee bei Berlin geschickt. Es war eine Auszeichnung für uns, nicht so sehr wegen unserer Leistungen als Pionier, sondern wegen unserer guten schulischen Leistungen. Wir wohnten direkt am See in festen zweigeschossigen Häusern und hatten dort auch Schulunterricht. Wie ich später erfuhr, wurden die Häuser aus den Resten des Jagdschlosses Kari Hall von Hermann Göring in der Schorfheide gebaut. Wir hatten dort eine schöne, unbeschwerte Zeit und viel Spaß. Ich legte dort die Prüfung für das Fahrtenschwimmerzeugnis ab.
Als wir wieder nach Hause fahren sollten, wurden wir in Berlin aus dem Zug geholt und für mehrere Tage in ein Zeltlager gebracht. Wir wussten nicht, was los war, bis wir erfuhren, dass es wegen des Arbeiteraufstandes am 17. Juni war. Die Anlage wird heute noch als Europäische Jugenderholungs- und Begegnungsstätte betrieben.
Dieser Schulfreund ist später der Stasi-Chef vom Kreis Wernigerode geworden. Eigentlich hatte er Holzkaufmann gelernt. Irgendwie hatte er aber oft eine hinterhältige Art an sich. Wie er zur Stasi gekommen ist, weiß ich nicht. Er wohnt noch in Wernigerode in einer bevorzugten guten Wohngegend. Ich habe ihn nicht mehr gesehen.
Ich besuchte in der Sylvestri-Kirchengemeinde in Wernigerode den Konfirmandenunterricht. Wir mussten damals noch den Katechismus auswendig lernen und hatten zum Abschluss vor der ganzen Gemeinde in der Kirche eine Abschlussprüfung abzulegen. Davor mussten wir jeden Sonntagmorgen zum Gottesdienst kommen und uns den Besuch bescheinigen lassen. Außerdem war ich Mitglied in einer Jugendgruppe, die sich regelmäßig im Pfarrgebäude traf. Wir wussten, dass das schulseitig nicht so gerne gesehen war und fühlten uns etwas wie geheime Verschwörer. Es gab aber keinerlei Benachteiligungen für uns.
- 
Читать дальше