Ich wusste zwar noch nicht, wohin meine erste Reise gehen würde, aber nachdem mir meine Kammer gezeigt worden war und ich meine sieben Sachen einräumen konnte, erfuhr ich es schnell.
Meine Koje war übrigens die obere mit den Maßen 2 m x 0,65 m. Mit mir bewohnte noch ein Kamerad diese Kammer, die außer den beiden Kojen nur noch einen Tisch, einen Doppelspind und eine etwas längere Sitzbank neben einem Waschbecken hatte. Die Kojen waren übrigens mit Kojengardinen ausgestattet, so dass man wirklich ganz abgeschieden schlafen konnte. Die ersten Eindrücke waren überwältigend, alles war neu für mich, und ich wunderte mich über die ganz vortreffliche Sauberkeit, überall, wo ich hinsah. Meiner Meinung nach hatte ein Hotel keine Chance, es dem gleichzutun.
Nach der kurzen Wartezeit in der Schleuse wurde dann das Schiff von zwei Schleppern an seinen Liegeplatz am Südkai bugsiert, wo die Ladung Erz aus Monrovia in Westafrika gelöscht werden sollte. Ich hatte erst einmal Zeit, mir meine nähere Umgebung anzusehen und sah auch den Kapitän in seiner ganzen stattlichen Größe, Moritz war sein Name. Alle Gänge im Schiff waren äußerst sauber und gepflegt, die Türgriffe, Türschwellen und Bullaugen, die aus Messing waren, glänzten nur so.
Arbeit und Leben
Es vergingen eindrucksvolle Tage in meinem neuen Leben auf einem großen Seeschiff, viele neue Eindrücke, die ich erst einmal verarbeiten musste, stürzten auf mich ein. Meine vorerst wichtigsten Arbeiten als Messejunge beschränkten sich auf Abwasch- und Reinigungsarbeiten in der Offiziersmesse, zugleich musste ich noch die Kojen für die Maschinen-Assistenten bauen.
Die ersten Tage vergingen im Hafen von Emden wie im Flug, alle Seeleute waren freundlich und sehr zugänglich, ich fühlte mich sehr wohl auf diesem schönen Frachtschiff ILSE SCHULTE.
Richtige Freude kam auch in mir hoch, als ich das Ziel der nächsten Reise erfuhr, es war Wabana auf Neufundland in Kanada. Wieder eine Erzreise, für die anderen Seeleute nichts Besonderes, es gab ihrer Ansicht nach viel Schöneres.
Immer wieder dachte ich, wer im Erzgebirge aus meiner Heimat konnte schon so etwas vorweisen, und wer weiß, was noch alles kommen würde. Seinerzeit sang Freddy seine Lieder von der Seefahrt und St. Pauli, für viele junge und ältere Leute verband sich damit immer wieder die große, weite Welt. Was mir besonders in den ersten Tagen an Bord auffiel, war die hohe Diszipliniertheit aller an Bord und die gute Organisation. Außerdem merkte ich sofort, dass Arbeit und Alkohol zwei ganz verschiedene Sachen waren.
Endlich hinaus in Richtung Kanada
Nach ein paar Tagen war die Erzladung im Emder Hafen gelöscht, und wir konnten in Richtung Kanada auslaufen. Erst jetzt, als das Schiff leer war, erfasste ich die wahren Ausmaße, hauptsächlich die Höhe. Mein Arbeitsplatz war zwölf Meter über dem Wasser, die Kommandobrücke noch einmal 12 m höher, und weitere Meter ging es in den Mittelmast.
Als wir damals die Emder Seeschleuse verließen, die Ems abwärts in Richtung Nordsee fuhren und die Farbe des Meerwassers immer klarer wurde, musste ich mich des Öfteren immer mal wieder selbst kneifen, um zu merken, dass dies alles Wirklichkeit war, schon diese erste Reise, in der sich vorerst das Wetter zu dieser Jahreszeit von seiner besten Seite zeigte, gestaltete sich als Traumerlebnis.
Die ILSE SCHULTE mit ihren 42 Mann Besatzung und acht Passagieren (deutsche Auswanderer nach Kanada) fuhr leise und stolz der neuen Welt entgegen. Wir hatten vor einigen Tagen Emden verlassen und passierten den Englischen Kanal mit Kurs auf Neufundland. Es waren erlebnisvolle Tage und Nächte.
Nach genau sieben Tagen kamen die hohen Berge von Neufundland in Sicht, und voller Tatendrang und Freude liefen wir in den Hafen von Wabana ein.
Mein erster Hafen im Ausland war natürlich schon etwas Besonderes für mich. Vorgestellt hatte ich es mir aber ein wenig anders. Es gab hier im Hafen nur eine lange Holzpier, vom Ort selbst war nichts zu sehen, es war sowieso nur ein größeres Dorf.
Am Liegeplatz kam auf einem unendlich langen Förderband das Erz zum Schiff und wurde auf die einzelnen Laderäume verteilt. Die Ladezeit für 15.000 Tonnen sollte nur etwa zwölf Stunden betragen. Um wenigstens in meinem ersten Hafen etwas von Amerika gesehen zu haben, ging ich, nachdem meine Arbeit verrichtet war, zusammen mit drei Arbeitskollegen kurz an Land und zu Fuß in das Dorf.
Im „Hafen“ von Wabana
Es war schon ein schönes Gefühl für mich, obwohl es nur kleine Holzhäuser und wenige Menschen zu sehen gab, aber ich hatte die Zeit, eine allererste Ansichtskarte aus Kanada zu meinen Eltern zu schicken, bei einer Dose Coca Cola habe ich sie damals in einem kleinen Laden geschrieben. Dann sind wir vier wieder zu Fuß zurück an Bord gegangen. Es war der erste Landgang, den ich bei der Seefahrt gemacht hatte.
Nach ein paar Stunden war auch dies Vergangenheit, denn es ging voll beladen wieder in See in Richtung Zielhafen Emden.
Als nach der Revierfahrt der Lotse von Bord ging, merkte ich schnell, dass es der Wettergott diesmal nicht ganz so gut mit uns meinte. Die Arbeit an Bord war zwar weiterhin aufregend und schön, aber die ILSE SCHULTE rollte stark. Es war für mich jedoch zunächst ein angenehmes Gefühl, so von der Nordatlantik-Dünung auf und nieder gehoben zu werden.
Durchhalten!
Wenn sich die lange Dünung allerdings zu hohen Wellen aufbaute und das Schiff richtig stampfte und rollte, bekam ich schon so ein komisches Gefühl in der Magengegend.
– Zusammen mit einem Kollegen an Bord der ILSE SCHULTE in schwerer See –
In den nächsten Tage wurde mir klar, dass die See auch ein ganz anderes Gesicht zeigen konnte, als ich es bisher erlebt hatte, denn nicht nur am Tage bei meiner Arbeit, sondern auch nachts kam das Schiff bei diesen Wetterverhältnissen nicht zur Ruhe. Es wurde mir schon öfter ganz schön mulmig. Was ich da so für neue Erfahrungen machte: Beim Laufen musste ich mich festhalten, mir wurde mehrmals schlecht und schwindelig, ich war froh, abends in meiner Koje liegen zu können, aber mit Schlaf wurde es auch nicht viel.
Meine Gedanken gingen von hieraus zu meinen Eltern, meinen Geschwistern und vielen Freunden in meiner Heimat, - hier, mitten im Nordatlantik, kamen mir die ungewöhnlichsten Gedanken. Wie sollte ich mich verhalten, wenn wir in Emden ankommen würden, sollte ich wieder aussteigen oder durchhalten, die Müdigkeit überkam mich oft bei diesem Nachdenken. Mein weiterer Lebensweg zeigt, dass ich mich wohl dafür entschieden haben muss, weiterzumachen, kein Hasenfuss zu werden.
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