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Gemeinsam einsam durch die Welt
Sina Wunderlich
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Personen und Handlungen sind frei erfunden. Ähnlichkeiten mit lebenden oder verstorbenen Personen sind zufällig und nicht beabsichtigt.
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© 2020 – Herzsprung-Verlag GbR
Mühlstraße 10, 88085 Langenargen
Alle Rechte vorbehalten.
Das Werk einschließlich aller seiner Teile ist urheberrechtlich geschützt.
Lektorat: Redaktions- und Literaturbüro MTM
Cover gestaltet von © Liz
Illustration Landkarten: © Solène Joublin
ISBN: 978-3-96074-284-5 - Taschenbuch
ISBN: 978-3-96074-285-2 - E-Book
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Prolog
Die Welt ohne dich
Planänderung
Wo bist du nur?
Seljalandsfoss
Gefühlschaos
Blumenmädchen
Die Maske
Sandkörner zählen
Der nächste Schachzug
Nacht der Blitze
Erinnerungen
Hollywood & Co.
Musik des Lebens
Der goldene Tempel
Letzte Vorbereitungen
Schlüssel des Herzen
Du
Du bist mein Herz
Goldkind
Der Albtraum
Abschied
Für immer an deiner Seite!
Epilog
Danksagung
Die Autorin
Unser Buchtipp
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„Mir wurde damals beigebracht, dass 1 Tag 24 Stunden,
1 Stunde 60 Minuten und 1 Minute 60 Sekunden hat.
Aber mir wurde nie beigebracht, dass 1 Sekunde ohne dich
die Ewigkeit bedeutet.“
Für M.,
weil ich dich über alles liebe.
*
Mai 2000
Die Vögel fliegen von einem Baum zum nächsten und zwitschern fröhlich irgendwelche Melodien. Die Blätter sind leuchtend grün und die Blumen sprießen überall an die Höhe. In wundervollen Farben leuchten sie zwischen dem Grün auf. Die Sonne steht hoch am Himmel und es ist fast keine Wolke zu sehen. Ein leichter Wind bläst die Wärme durch die Gegend.
Meine Haare wehen nach hinten und ich spüre, wie der Sommer mich durchströmt. Es ist ein gutes Gefühl und Wärme breitet sich in mir aus. Der Garten meiner Eltern ist einfach nur viel zu schön. Ich sitze so gerne im Sommer hier und beobachte die Natur.
Dass ich jetzt hier sitzen kann, glücklich bin und wieder nach vorne blicken kann, habe ich eine Zeit lang nicht für möglich gehalten. In den letzten zwei Jahren ist so viel passiert. Es waren zwei Jahre voller Abenteuer, Lebenslust, Tränen, Schmerz und so viel Liebe.
Ich hatte keine Ahnung, was wahre Liebe bedeutet. Wenn man sie nie selbst wahrgenommen hat, ist es auch verdammt schwer, sie sich vorstellen zu können. Man hört nur immer, wie jeder über sie redet. Über die wahre Liebe.
Meine Mama hat mir immer gesagt, dass man sie selbst einmal erleben muss, denn jeder empfindet anders. Doch für sie sei die wahre Liebe das Schönste auf Erden. Viele meiner Freunde haben allerdings auch oft gesagt, dass Liebe reiner Schwachsinn sei, weil sie gerade sitzen gelassen wurden oder hoffnungslos verliebt waren.
Es gibt auch ein paar Menschen, die immer einen Freund oder eine Freundin brauchen und zwanzigmal in ihrem Leben die wahre Liebe finden. Angeblich.
Meine Oma hat mir immer gesagt, dass man die wahre Liebe nur einmal im Leben findet. Und dann hat sie meinen Opa mit leuchtenden Augen angeschaut und ich wusste genau, dass er ihre wahre Liebe ist. Deshalb haben die beiden auch überglücklich ihre goldene Hochzeit gefeiert. Man hört so einiges darüber. So viele verschiedene Meinungen.
Doch was davon jetzt stimmte, wusste ich mit meinen 21 Jahren nicht wirklich. Denn zu dem Zeitpunkt hatte ich keine Ahnung von der wahren Liebe. Ich wusste nicht, was es bedeutet, dieses Kribbeln im Bauch zu spüren. Ich wusste nicht, dass man für eine einzige Person so viel empfinden kann. Ich wusste nicht, dass ein einziger Streit so viel Schmerz verursachen kann. Ich wusste nicht, dass man so abhängig von einer Person sein kann. Ich wusste nicht, dass die Zeit so unendlich langsam vergehen kann, wenn man voneinander getrennt ist. Ich wusste nicht, dass man eine Person mehr lieben kann als sich selbst.
Doch das war, bevor ich ihn kennengelernt habe.
Denn dann kam er in mein Leben.
Alles hat sich verändert.
Und eigentlich fing es an einem so gewöhnlichen Tag an.
Ich erinnere mich daran, als wäre es erst gestern gewesen ...
*
Dezember 1998
Früher war vieles leichter. Zumindest glaube ich das heute. Manchmal wäre ich gerne wieder ein Kind. Ein kleines, unschuldiges, fantasievolles Wesen. Man hat über weniger nachgedacht. Vielleicht auch, weil man eben einige Dinge noch nicht verstanden hat. Man hat sein Leben einfach gelebt. Nicht so viel an den nächsten Tag gedacht. Man hat im Hier und Jetzt gelebt. Heute gehöre ich zu der Sorte Mensch, die alles planen muss. Irgendwie geschieht in meinem Leben nichts mehr spontan. Ich weiß immer, was als Nächstes passiert, mache Listen, schreibe alles auf und plane jede Sekunde meines Lebens und somit auch meine Zukunft. Überall liegen Zettel in meiner Wohnung, auf denen ich alles festhalten muss. Auch Klebezettel sind überall verteilt, die an meinen Schränken, Tischen und Wänden heften. Trotzdem versuche ich, Ordnung zu halten, denn Unordnung ist das Letzte, was ich gebrauchen kann.
Wenn man sich früher mit Freunden gestritten hat, hat man sich nach einem Tag wieder vertragen. Man war nicht so stur wie heute, hat nicht so viel nachgedacht und einfach eingesehen, dass man den anderen zum Spielen braucht. Ohne einander wusste man gar nicht, was man allein machen sollte. Aber was ich am meisten an meiner Kindheit vermisse, sind die aufgeschürften Knie. Tränen steigen mir in die Augen, die ich versuche, möglichst schnell herunterzuschlucken. Verdammt. Selbst bei aufgeschürften Knien muss ich an ihn denken. Wenn man früher mit aufgeschürften Knien nach Hause kam, hat Mama dreimal gepustet, ein schönes Pflaster auf die Wunde geklebt und die Welt war wieder in Ordnung. Man konnte sofort wieder lachen und spielen gehen. Wie ich diese aufgeschürften Knie vermisse. Lieber zwei blutige Knie als ein gebrochenes Herz. Viel lieber. Denn bei einem gebrochenen Herzen kann Mama so stark pusten, bis ihr die Luft wegbleibt, es wird nicht besser werden. Und noch nicht einmal ein schönes, pinkfarbenes Einhornpflaster kann sie darüber kleben, sodass die Welt wieder in Ordnung ist. Wenn das so leicht wäre ...
Ich hätte gerne das schöne, glückliche Kinderlachen zurück. Denn im Moment verspüre ich nichts anderes als das Gefühl endloser Trauer. Wenn dir kalt wird und du am ganzen Körper zitterst. Du starrst unendlich lange total uninteressante Gegenstände an, ohne zu wissen, warum. Du vergisst alles um dich herum. Alles, was du hörst, ist dein Herzschlag, der dir bis zu den Ohren schlägt. Im gesamten Körper spürst du ihn. Allerdings bist du eigentlich froh, deinen Herzschlag zu hören, denn dadurch weißt du, dass du noch am Leben bist und du nicht von der Trauer erstickt wurdest.
Sobald du anfängst, über den Grund nachzudenken, weshalb du traurig bist, werden deine Augen gläsern und alles verschwimmt. Die ganze Welt vor dir verschwimmt. Nichts ist mehr klar. Du weißt nicht, was richtig und was falsch, was Wahrheit und was Lüge ist. Du fühlst den grauenvollen Schmerz in deinem Herzen. Ich würde mal behaupten, dass dieser Schmerz schlimmer ist, als jeder gebrochene Knochen, auch wenn ich mir noch nie etwas gebrochen habe.
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