1 ...6 7 8 10 11 12 ...16 Als Clopper erwachte, schien die Fee verschwunden zu sein. Falls sie noch da war, konnte man das grüne Leuchten nicht mehr sehen, weil heller Tag war und die Sonne vom Himmel stach. Clopper gähnte herzhaft, machte ein paar Liegestütze und Dehnübungen und urinierte gegen den marmorierten Stein.
Quinal warf ihm entsetzte Blicke zu, aber nichts passierte. Clopper wurde nicht vom Blitz getroffen und ihm fiel auch nichts ab.
Der Frogo sah übermüdet aus. Offenbar hatte er die ganze Nacht kein Auge zugekriegt. Mike bot ihm einen starken Kaffee an, den er neben einer riesigen Portion Rühreier mit Speck auf seinem Atomkocher zubereitete. Später bereute er seine Anteilnahme, denn das Koffein ließ seinen Begleiter munter drauflos plappern.
»Meister, wir sollten auf den Rat der Fee hören. Diese Wesen sind sehr weise. Sie stehen über die Erdmagie miteinander in Verbindung und wissen, was in der Welt geschieht. Manchmal sehen sie die Zukunft voraus.«
Zwischen zwei Löffeln Rührei antwortete Clopper: »Also gut, ich habe gehört, dass dieses … Ding gesprochen hat. Aber was hat es denn genau gesagt? Dass wir uns beeilen sollen, aber das haben wir sowieso vor.«
Er fing an, seine Sachen zu packen. Die Essensreste kratzte er in die Mülldose. Was das anging, waren die Vorschriften streng: keinerlei Kontamination eines rückständigen Planeten! Clopper wusste zwar nicht, was ein bisschen Kaffeesatz oder Zigarrenasche kontaminieren konnten, aber soweit er den Instrukteur verstanden hatte, ging es darum, Verwirrungen in der Geschichte zu vermeiden. Falls irgendwelche Hausierer seinen Zivilisationsmüll auflasen, würden sie sich fragen, wozu ein Kaffeepad gut war. Vielleicht würden sie es nachbauen, lange bevor ein Seefahrer die Kaffeebohne in ihre Geschichte einführte.
»Die Fee hat gesagt, das Böse bedroht unsere Welt«, kam der Frogo auf das für Mike leidige Thema zurück
Clopper versuchte, seinen Standpunkt auf Quinals Art deutlich zu machen: »Deine Fee hat aber auch festgestellt, dass nur dieser eine Held das Böse aufhalten kann.«
»Der Held, der niemals prophezeit wurde.«
»Genau der. Er wird tun, was getan werden muss. Wir haben etwas anderes vor. Wir müssen den Drachen finden.«
Quinal war nicht überzeugt. »Wenn wir nichts damit zu tun haben, wieso ist die Fee uns überhaupt erschienen?«
»Was weiß ich. Das ist ihr Stein da oben auf dem Hügel. Sie kann vielleicht nur dort erscheinen. Wir waren gerade da, also hat sie es uns erzählt. So sind die Frauen.«
»Aber …«
Mike sprach lauter. »Diese Fee ist doch eine Frau?«
»Ich denke schon.«
»Siehst du. Damit ist alles klar. Und nun zeig mir den Weg, damit ich die Prinzessin heraushauen kann. Du willst doch, dass Orleia zu deinem Herrn gebracht wird, oder?«
Der Frogo nickte und gab endlich Ruhe. Doch Clopper merkte, dass ihn sein Begleiter nachdenklich ansah. Quinal schien etwas auf dem Herzen zu haben, sagte aber nichts mehr, und Mike wollte ihn nicht ermutigen, noch einmal auf die Fee zurückzukommen. Sie überquerten eine mit Präriegras bewachsene Ebene. Sanft erhoben sich mehrere Hügel in der Landschaft. Wenn auf jedem ein Feenstein stand, würde Quinal bestimmt bald wieder von der Erdmagie anfangen. Als der Frogo schließlich redete, überraschte er Clopper jedoch mit einem Themenwechsel.
»Prinz Tifar ist nicht immer ein aufrechter Mann, aber ich bin seiner Familie verpflichtet«, sagte Quinal und hob an, seine Geschichte zu erzählen.
Tasman war eine Provinz im äußersten Süden von Turkistan, ein Flussdelta mit üppiger Vegetation unter brütender Sonne. Es gab unzählige Tümpel, Sümpfe und weitläufige Feuchtwiesen, in denen man sich das ganze Jahr über die Schuhe ruinieren konnte. Hier lebten die Frogos. Sie dösten bei Tage im Sumpf, machten in den Nächten Liebe auf den vom Mond beschienenen Wiesen und brachten ihre Kinder im Tümpel zur Welt. Das Leben war gut, bis das turkistanische Herrscherhaus Siedler schickte, die im Tasmandelta Ajaserbsen anbauen sollten. Ajaserbsen brauchten zwar Wasser, aber keine Sümpfe und Tümpel. Die Siedler fingen an, das Land trockenzulegen, und für die Frogos begann eine schlimme Zeit.
»Ajaserbsen?«, fragte Clopper.
Er erfuhr, dass es sich um eine Hülsenfrucht handelte, die sich mit der irdischen Sojabohne vergleichen ließ. Er schüttelte den Kopf: »Sojabohnen werden überschätzt. Wir verwenden sie nur noch als Brechmittel.«
Das hatte wohl auch der Großkomul von Turkistan eingesehen, denn als Quinals Vater an der Spitze einer Gesandtschaft den Herrscher aufsuchte, gab dieser nach. Die Frogos schilderten ihren Überlebenskampf, und der Großkomul rief seine Siedler zurück. Vielleicht war es ein Fehler, dem Herrscher auf die Nase zu binden, dass die Echsenwesen vor dem Aussterben standen, denn als der Komul davon hörte, verzögerte er die Gespräche, bis Quinals Vater bereit war, einen Schwur zu leisten.
»Wir mussten Turkistan ewige Gefolgschaft geloben«, berichtete Quinal. »Zum Zeichen unserer Treue schwor mein Vater, dass ein Mitglied unserer Familie den Kindern des Großkomuls für alle Zeiten dienen wird.«
»Verstehe, du bist dieses Familienmitglied.«
Quinal neigte zustimmend den Kopf. »Er hätte meinen älteren Bruder mit dieser Aufgabe betrauen können, aber er hat mich geschickt, weil ich eine längere Lebensspanne vor mir habe und effektiver dienen kann.«
»Wie alt bist du denn?«
»Im nächsten Jahr werde ich hundertfünfzig.«
Clopper war beeindruckt. »Donnerwetter, das erklärt einiges.« Die Runzeln in Quinals Gesicht zum Beispiel.
»Was erklärt es?«
Mike wollte seinen Begleiter nicht verletzen. »Es erklärt dein enormes Wissen über eure Welt.«
Quinal lachte. »In Turkistan verbringe ich viele Stunden in der Bibliothek. Der Prinz schläft häufig, und ich nutze meine freie Zeit zum Studieren.«
Clopper ging noch etwas anderes durch den Kopf. »Wie alt ist dein Bruder? Ich meine, wo du doch der jüngere bist.«
»Mein Bruder ist zweihundert und mein Vater dreihundertfünfzig. Er hat noch viele Jahre vor sich, jetzt, wo unsere Sümpfe unter dem Schutz des Großkomuls stehen.«
Allmählich wurde das Land steiler. Der Laubwald wich Nadelbäumen. Vereinzelt ragten Felsen aus dem Boden. Sie waren mit Flechten überzogen, an den Bäumen wuchs Moos, und kleine Tiere sprangen von Ast zu Ast. Mike hielt sie für Eichhörnchen, aber er traute ihnen nicht und lockerte die Pistole in seinem Gürtelholster.
»Wenn ich dich richtig verstanden habe, ist dein Vater der Froschkönig von Tasman.«
Quinal bestätigte das. »Meine Familie herrscht seit zweitausend Jahren über das Delta, aber Untertanen sind knapp geworden. Unser Titel bedeutet nicht mehr viel.«
»Mag sein. Doch immerhin bist du ein echter Prinz. Hast du schon mal darüber nachgedacht?« Clopper zwinkerte seinem Begleiter zu. »Du könntest Orleia selbst den Hof machen, wenn wir sie vom Drachenfels geholt haben.«
Quinal hielt diesen Gedanken für ungeheuerlich. »Das wäre Verrat an Tifar.«
Mike zuckte mit den Schultern. »Ich dachte, du bist nicht gut auf ihn zu sprechen.«
»Der Prinz ist kein Ehrenmann, Meister. Er hat dich vorgeschickt, weil er seine Tage lieber im Bett, die Abende beim Wein und die Nächte mit liederlichen Frauen verbringt. Aber er ist mein Herr. Ich darf ihn nicht hintergehen.«
»Verstehe, der Großdings würde euren Sumpf trockenlegen.«
Clopper hielt an und wühlte in seinem Rucksack. Er fand nicht, was er suchte und blickte Quinal ernst in die Augen. »Würdest du auch für mich etwas tun?«
»Natürlich, Meister, wenn es der Erfüllung unseres Auftrages dient.«
»Das tut es. Ich brauche Klopapier.«
Seit einer Weile rumorte es in Cloppers Därmen. Es war kaum noch auszuhalten. Er musste sich dringend in die Büsche schlagen, aber Cathy Glory hatte nicht nur die falsche Raketenmunition eingepackt, sie hatte auch das Klopapier vergessen. Natürlich war es nicht einfach, an Klopapier zu denken, wenn man eine Drachentötermission vorbereitete. Mike selbst war es ja auch nicht eingefallen. Wieso auch? In seinen Filmen sah es unkompliziert aus, wenn Helden auszogen, um das Schicksal herauszufordern. Sie durchquerten Wüsten, stiegen auf Berge und töteten ihre Feinde, aber niemals musste einer von ihnen kacken.
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