»Das ist eine wunderschöne Klinge«, sagte Quinal.
»Weltraumstahl. Das Schwert besteht aus einem einzigen Molekül. Es ist unzerbrechlich und wird nie stumpf.«
Der Frogo akzeptierte die Erklärung ohne weiteres. »Unsere Zauberschwerter sind ähnlich. Hast du schon mal etwas vom alle Fesseln zerschneidenden, alle Mauern zertrümmernden, alle Feinde durchbohrenden dreischneidigen Beidhandschwert gehört?«
»Ich kenne nur Excalibur«, erklärte Clopper verärgert. Konnte dieser Echsenkopf nicht anerkennen, dass Technologie wunderbarer als eingebildete Zauberei war? Quinal war ein netter Kerl, aber ihm mangelte es an Ehrfurcht vor fremden Errungenschaften.
»Ex … Calibur?«, fragte der Frogo. »Ist das ein Zauberschwert aus deiner Heimat? Was haben eure Helden damit vollbracht? Haben sie nach ihm gesucht, um das Reich zu verteidigen?«
»Ja, aber dann haben sie es in einen See geworfen, wo es verrostet ist, weil es nicht aus Weltraumstahl war.« Clopper hielt Quinal das Samuraischwert unter die Nase. »Das hier rostet niemals.« Damit hielt er die Diskussion für beendet.
Michael dachte an seine Mission. Quinal hatte gesagt, dass es schwer sei, einem Drachen den Kopf abzuschlagen. Vermutlich stimmte das. Die Drachen auf den Abbildungen in der Schiffsdatenbank hatten dicke Hälse, die mit Hornschuppen bedeckt waren. Mit dem Weltraumschwert konnte er es theoretisch schaffen, aber es ging dabei nicht nur um die Schärfe der Klinge, sondern auch um Kraft. Das Schwert musste mit enormem Schwung geführt werden, um sich durch einen Schuppenhals zu hacken. Clopper trainierte viel mit Gewichten und hatte einen tollen Körper, aber er war nicht sicher, ob es für einen Drachen reichen würde.
Das war allerdings kein Problem. Cathy hatte ihm ein Pulver aus zerriebenen Krustenanemonen mitgegeben. Krustenanemonen waren die giftigsten Tiere der Erde. Sie lebten in einer kleinen Bucht vor Hawaii, was die meisten Menschen nicht glaubten, weil sie bei Hawaii nur an Frauen mit Blumengirlanden über den Brüsten dachten. Aber es stimmte. Clopper hatte es nachgelesen: Das Gift der Krustenanemone tötete zehnmal schneller als das Sekret, das kolumbianische Pfeilgiftfrösche absondern, wenn sie verärgert sind. Er könnte dem Drachen etwas von dem Pulver ins Futter mischen, und die Sache wäre erledigt. Aber das Gift war womöglich eine Anspielung. Cathy glaubte anscheinend noch immer, dass er sich nicht traute, es mit einer Fremdweltechse aufzunehmen. Clopper beschloss, das Pulver zu ignorieren und den Drachen im fairen Zweikampf zu töten. Vielleicht mit dem Raketenwerfer.
Krack !
Erschrocken sprang Clopper zurück. Er war mit dem rechten Kampfstiefel in ein Vogelnest getreten. Eierschalen knirschten, blauer Dotter schmatzte unter der Sohle. Helgoort war in der Tat eine rückständige Welt. Auf der Erde hätten Tierschützer das Betreten einer Wiese untersagt, auf der es Bodenbrüter gab.
»Tut mir Leid«, sagte Mike, »das war ein Versehen.«
Quinal winkte ab. »Das macht nichts, Meister. In diesen Eiern ist Fruchtgallert. Es muss über die Wiese verteilt werden, damit es von den Wirtsschlangen gefressen wird.«
»Was für Schlangen?«
»Wirtsschlangen. Sie verschlingen das Gallert, dann wachsen in ihren Körpern Küken heran und hacken sich, wenn sie stark genug sind, ihren Weg ins Freie. Diese Vögel bauen ihre Nester auf dem Boden, damit sie zertreten werden. Leider ist die Art sehr selten, weil die meisten Reisenden den Waldweg benutzen. Manchmal stellt der König einige Tagelöhner ein, damit sie durch die Wiesen rennen.«
Das musste Mike verdauen. Quinal interpretierte sein Schweigen falsch. »Mach dir keinen Vorwurf, du hast geholfen, den Kreislauf des Lebens aufrecht zu erhalten.«
Schließlich nickte Clopper. Was es nicht alles gab! Vögel, die aus Schlangen schlüpften. Ein exotischer Planet. Andererseits, wer sagte, dass es auf der Erde nicht auch so funktionieren würde? Vögel legten Eier, genau wie Schlangen, da konnte durchaus eine Verbindung bestehen. Die Tierschützer dachten bloß nicht so weit.
Am anderen Ende der Wiese fand Quinal einen Strauch, an dem grüne Beeren wuchsen. Clopper wunderte sich nicht, als der Frogo erklärte, die Früchte hätten genau die richtige Reife. »Iss eine Hand voll, Meister. Sie werden deinen Durst besser stillen als Wasser.«
Er behielt Recht. Allerdings fiel Clopper auf, dass der Strauch am Waldrand wuchs, dicht neben dem Weg. Sie hätten den Karrenpfad also gar nicht verlassen müssen, um die Beeren zu finden. Was hatte ihnen der Umweg über die zugewucherte Wiese gebracht? Nichts, wenn man von ein paar zertretenen Eiern absah. Clopper hegte den Verdacht, dass Quinal ein Tierschützer war.
In der Abenddämmerung erreichten sie einen Fluss. Quinal war mit der zurückgelegten Strecke zufrieden, wenngleich er betonte, dass dies nicht der Strom Yardon sei. Erst wenn sie den Yardon überschritten hatten, durften sie davon sprechen, sich dicht am Ziel zu befinden. Bis dahin konnten noch einige Tage vergehen, und vielleicht würden sie den sagenhaften Strom niemals zu Gesicht bekommen.
»Ich weiß«, sagte Clopper, »die tausend Gefahren.« Er hatte sein Kochgeschirr mit grünen Beeren gefüllt und sie unterwegs gegessen. Die Früchte waren ausgezeichnet; der Durst war nicht zurückgekehrt.
Mike nahm die Pilotenbrille ab. In der Dämmerung sah er mit den verspiegelten Gläsern nicht mehr so gut.
Quinal fasste sich ein Herz. »Was sind das für Augen?«
Clopper brauchte eine Weile, um zu erraten, dass er die Brille meinte. »Zusatzaugen«, erklärte er. »Sie helfen gegen die grelle Sonne, und wenn ich in der Luft bin, sehe ich die Konturen besser.«
»In der Luft?« Quinal erschrak.
»Ja, klar. Sieh mal hier.« Clopper zog sein linkes Augenlid herunter. »Kontaktlinsen. Ersatzaugen, wenn du so willst. Damit kann ich so scharf sehen wie als junger Mann. Ich könnte mir die Augen lasern lassen, aber Kontaktlinsen haben den Vorteil, dass man seine Augenfarbe ändern kann. Es gibt irre Muster. Zurzeit habe ich farblose Linsen drin.«
Quinal war sprachlos. Wenn er richtig gezählt hatte, besaß der Fremde nicht vier Augen, wonach es anfangs ausgesehen hatte, sondern sechs, und daheim hatte er noch mehr davon. Das war unglaublich, aber wahrscheinlich brauchte man als Drachentöter so viele Augen, falls einem mal eins ausgebrannt wurde.
Geräusche ließen sie herumfahren. Zwischen den Bäumen knackten trockene Äste, Blätter raschelten. Ein Tier, das Ähnlichkeit mit einer Hirschkuh besaß, rannte am Wald entlang. Es hatte zotteliges rotes Fell und schmale Hörner. Dann ertönte ein Grollen auf dem Fluss. Ein dicker Stamm trieb im Wasser, darauf saß ein Bär und fixierte die Hirschkuh mit hasserfüllten Augen. Den Wanderern schenkten die Tiere keine Beachtung. Sie waren in ihr eigenes Spiel vertieft – eine Jagd auf Leben und Tod.
»Nun sieh sich einer diesen Bären an«, rief Clopper kopfschüttelnd. »Verfolgt seine Beute auf einem Floß. Ein intelligenter Bursche.«
Draußen auf dem Fluss lief der Baumstamm auf eine Kiesbank. Die Hirschkuh sah es, eilte mit langen Sprüngen hinzu und spießte den Bären mit ihrem stilettspitzen Geweih auf, ehe der davonlaufen konnte. Der Hirsch röhrte triumphierend und entblößte messerscharfe Reißzähne.
»Ein Roter Damkiller«, erklärte Quinal. »Man kann sie leicht mit Hirschen verwechseln, was oftmals schlimme Folgen hat. Der Bär wollte übers Wasser fliehen. Damkiller können nicht schwimmen.«
»Dumm war es nicht, was er da vorhatte«, murmelte Clopper zerknirscht. Sie sahen zu, wie der Damkiller seine Beute ans Ufer zerrte und im Wald verschwand. In der Ferne schrien hungrige Jungtiere. Für Clopper hörte es sich wie das Blöken frisch geschorener Lämmer an, aber er behielt seine Meinung für sich. Dieser Planet ging ihm allmählich auf die Nerven. Wenigstens hatte die Begegnung etwas Gutes. Sie wussten jetzt, wo sie den Fluss überqueren konnten. Der Baumstamm lag noch immer auf der Kiesbank. Bärenblut klebte an der Borke.
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