»Das ist wahr«, entgegnete Quinal. »Der einfachste Weg zu Godors Burg führt durch das Imperium Lauzium und die sieben Grafschaften. Wir haben die Steppe Ranu und die Zwergenwälder durchquert. Prinz Tifar wollte ins Ordensland der Falkenritter, einen Freund besuchen. Von dort aus war es kürzer, über die Berge nach Akera zu ziehen.«
»Kommen nicht diese Wolfsreiter aus der Steppe Ranu?«
»Wir befanden uns nicht in Gefahr. Tifar hatte eine Botschaft für einen ihrer Stammesführer. Das sicherte uns freies Geleit – jetzt aber nicht mehr.« Der Frogo spielte auf den Drakoniertrupp an, der einen Tagesritt hinter ihnen war.
Clopper drückte die Zigarette aus und warf sie in die Müllbüchse. Er brannte sich eine neue an und dachte scharf nach. »Tifar hat einen Freund bei den Falkenrittern? Vertragen sich Ordensritter und Turkistani denn? Laut unseren Drehbuchschreibern hat so etwas nie funktioniert.«
Quinal ließ sich Zeit mit der Antwort. »Die Falkner besaßen früher eine Enklave in Turkistan. Sie waren Fremde, aber sie achteten unsere Bräuche; es gab sogar geheime Treffen zwischen den Ordensherren und dem Großkomul. Dann erschütterten Aufstände den Ordensstaat. Die Falkner verloren einen Teil ihres Landes an die Ostheiden. Sie mussten ihre Häfen aufgeben und konnten die Enklave nicht mehr erreichen. Sie überließen das Land dem Großkomul für einige Truhen Gold. Tifar führte die Verhandlungen. Daher kennt er Molnar, den Großmeister der Falkenritter.«
Clopper verlor das Interesse an den Beziehungen des turkistanischen Edelmannes. »Was ist mit den Zwergen«, fragte er. »Sind sie sehr klein?«
»Etwas kleiner als ich, aber sie sind sehr breit.« Quinal streckte die Arme aus. Es schien nicht zu reichen, um den Umfang der Zwerge aus den Ostwäldern von Helgoort zu beschreiben, aber vielleicht übertrieb der Frogo wieder einmal. »Gibt es in deiner Welt auch Zwerge, Meister?«
Clopper fielen die Gartenzwerge ein, die in vielen Vorortsiedlungen auf dem Rasen herumstanden, und er nickte. »Früher gab es sie bei uns ebenfalls nur im Osten, in einem Land namens Deutschland.«
»Deutschland?« Davon hatte Quinal noch nie gehört.
»Die Deutschen haben ein paar Mal versucht, die Welt zu erobern, aber sie wurden geschlagen«, sagte Clopper. »Dann sind sie für die große Vereinigung der Völker eingetreten, und damit haben sie es geschafft. Heute sind ihre Zwerge überall.« Mike hatte aufgeraucht und warf den Zigarettenstummel zu den anderen Abfällen in die Büchse.
Quinal mochte die Konservendose nicht. Sie war klebrig und fing an zu stinken.
»Eine widerliche Angewohnheit, Meister.«
»Ich weiß. Ich habe schon oft versucht, mit dem Rauchen aufzuhören. Es klappt einfach nicht.«
»Es wäre ein Anfang, wenn du die Büchse weglassen würdest«, schlug Quinal vor.
»Das geht leider nicht. Ich müsste die Kippen ins Gras drücken, und das hat mir der Instrukteur verboten.«
»Der was …?«
»Instrukteur. Der Experte für den Kontakt mit rückständigen Zivilisationen. Das seid ihr. Also, der Instrukteur meinte, ich darf auf gar keinen Fall meine Kippen in der Landschaft verteilen. Sie haben Angst, dass eure Kinder damit spielen und sich das Rauchen angewöhnen. Wusstest du, dass auf der Erde jährlich zwanzig Millionen Menschen an den Folgen des Rauchens erkranken?«
Quinal schüttelte den Kopf. In der Bibliothek in Turkistan, die zu den besten seiner Welt zählte, hatte nichts darüber gestanden.
»Das kostet unser Gesundheitswesen Milliarden«, fuhr Clopper fort. »Euer Gesundheitswesen ist praktisch nicht existent. Es würde sofort kollabieren, was mit einer dreißigprozentigen Wahrscheinlichkeit zur Ausrottung eurer Zivilisation führt. Davor haben sie Angst.«
Clopper erhob sich und verschwand zwischen den Bäumen. Er hockte sich hin, was in den letzten Tagen zu einer Gewohnheit geworden war, aber er hatte die Tarnhosen umsonst heruntergelassen. Es ging nicht. Die Wirkung der Hajabusabeeren war von den gelben Früchten erfolgreich neutralisiert worden. Auch gut, dachte Mike. So blieben im Wald wenigstens keine Tretminen liegen.
Dieser Gedanke erinnerte ihn an ihre Verfolger. Mehrere liebestolle Helden und eine Schwadron Steppenmänner mit Wölfen, die auch nachts weiter rannten. Er ging zu seinem Ausrüstungssack und machte sich anschließend in der Umgebung des Lagers zu schaffen.
»Was tust du?«, erkundigte sich Quinal.
»Nichts weiter, ich bereite nur eine Überraschung für die Wolfstypen vor.«
Clopper prüfte seinen Handgelenkcomputer. Der Wetterfühler sagte Regen voraus. Er nahm ein Bündel aus dem Sack, mit einem Ventil in der Mitte. Als er darauf drückte, entfaltete sich zischend ein Kunststoffzelt mit Tarnflecken. Quinal brachte sich mit einem Satz in Sicherheit. »Keine Panik, kleiner Mann«, grinste Mike. »Das ist bloß zum Schlafen da.«
Das Froschgesicht hielt Abstand. »Ein weiteres Wunder aus deiner Heimat, Meister?«
Clopper nickte. »Aus dem Survival-Shop. Es ist wasserdicht, wärmeisoliert und mit einem Insektizid behandelt. Damit kannst du auf einem Ameisenhügel zelten.«
Quinal machte nicht den Eindruck, als wolle er bei den Ameisen schlafen. Er wickelte sich in seinen Umhang und platzierte sich so, dass das Feuer zwischen ihm und dem Zelt war. »In der Nacht wird es regnen«, sagte Clopper.
Quinal widersprach. Um diese Jahreszeit regnete es in der Gegend um den Netzwald nie, hatte Dirwan geschrieben, und Arogarn hatte es mehrfach bestätigt.
»Wie du willst.« Achselzuckend kroch Clopper ins Zelt. Es war langweilig ohne den MusiPlayer, und er wünschte sich, er hätte den Todeswürgern anstelle des Gerätes den Datenkristall mit Brittany Honeydotter gegeben. Dann könnte er jetzt Musik hören, vielleicht Ashley Wonderbottom. Sie war das Gegenteil von Brittany Honeydotter, schwarz, mit riesigen Titten, aber ihre Lieder klangen so ähnlich wie die Songs der blonden Sirene. Wenn Mike es sich recht überlegte, klangen alle Sängerinnen wie Brittany Honeydotter, obwohl viele von ihnen eine andere Hautfarbe, andere Frisuren und andere Titten hatten. Während er darüber nachgrübelte, wieso das so war, schlief er ein.
Bumm !
Eine Explosion riss Clopper aus dem Schlaf. Es war kurz nach Mitternacht, und erste Regentropfen fielen vom Himmel. Mit gezogener Pistole kroch er aus dem Zelt. Quinal stand, in seine Decke gehüllt, schlotternd neben dem Lagerfeuer, das nur noch Glut und Asche war.
»Ich hab’s dir doch gesagt«, gähnte Mike.
»Der Donnergott …«, begann Quinal.
»Ach, das.« Clopper knipste seine Taschenlampe an und leuchtete die Gegend ab. Die Quelle des nächtlichen Krachs war leicht zu finden. Die Detonation hatte einige Birken entwurzelt. Er lief hinüber, sah geborstenes Holz, zerfetztes Grün, aufgeworfene Erde und ein paar Fleischbrocken.
»Eine Claymore-Antipersonenmine«, erklärte er seinem verstörten Begleiter. »Gut für sicheren Nachtschlaf, nicht gut für Leute, die sich anschleichen.«
Quinal hob ein blutiges Spitzohr vom Boden auf. »Ein Elfenohr, Meister.«
»Das muss Legostein gewesen sein.«
»Legoman.«
Der sagenhafte Elfenprinz. Der tödlichste Schleicher des Planeten, wenn man den Lobpreisungen glaubte. Aber die Vorschusslorbeeren waren unverdient, denn Legoman hatte weder die Mine noch die Laserstrahlen zwischen den Bäumen gesehen. Die Strahlen waren für das Auge nicht erkennbar, doch wenn man mit einer Falle rechnete, konnte man Kohlendioxid in die Luft sprühen. Es funktionierte auch mit Zigarettenrauch, aber Zigaretten durften die Planetenbewohner ja nicht in die Finger bekommen.
»Du hast ihn umgebracht, Meister«, keuchte der Frogo.
Clopper schüttelte den Kopf. »Das hat er sich selbst zuzuschreiben.«
»Aber … das war Legoman!«
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