Paul Barsch
Paul Barsch erzählt
Über der Scholle Gedichte von Paul Barsch
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Inhaltsverzeichnis
Titel Paul Barsch Paul Barsch erzählt Über der Scholle Gedichte von Paul Barsch Dieses ebook wurde erstellt bei
Vorwort von Paul Keller
Der Alte
Der Krieg an der Sandgrube
Die Glaskrächze
Die Kaps von Europa
Schwefelbande
Bei Karl Gerok
Die Pistole
Auch Schuster
Die Weinbergbrüder
Wie aus einem Handwerksburschen ein Schriftsteller wurde.
Über der Scholle
Freiheit
Mittag
Schicksal
Vergangen
Ewigkeit
Frühling
Die erste Blüte
Mai
Unter Rosen
Neid
Begegnung
In den Ähren
Vagabunden
Spätsommer
Abend
Auf dunkler Bahn
Erntezeit
Einsam
Schwesterlein
Welke Blätter
Waldzauber
Am Katarakt
Hunger
Das Hochgericht
Alter Holzschnitt
Sankt Forseo
Sonnwendnacht
Der Feldherr
Reue
Widerstreit
Die Tochter
Die Zauberlinde
Das Armband
Goldene Hochzeit
Ausklang
Der Zweifler
Das Meteor
Dankbarkeit
Der gefangene Frühling
Ja, du bist schön
Vater und Sohn
Auf stillen Pfaden
Wilder Wein
Die Mütter
Impressum neobooks
Der Dichter Paul Barsch, einer der edelsten Schlesier, entschlief Anfang August 1931. Ein wunderliches Leben ging mit ihm zu Ende, arm an äußeren Gütern, prangend von innerem Reichtum. Die Allmacht Gottes gab ihm, ihrem Kinde, einen Vorzug: Liebe zur Mitwelt in ungewöhnlichem Maß, und sie ließ ihn über die hemmende Not der Jugend hinweg aus eigenen Kräften zu Wissen und Weisheit gelangen, ohne die alle menschliche Güte kein Wert hat.
In der düsteren, dürftigen Behausung eines oberschlesischen Dorftischlers wuchs er unter Entbehrungen und Krankheit auf, nur fähig, zwei Jahre lang die Volksschule zu besuchen. Dann kam er in die Lehre nach Neisse, um seines Vaters Beruf ergreifen zu können, und ging, noch fast ein Kind, auf die Walze: Von Schlesien nach dem Westen und Süden Deutschlands, bis in die Schweiz. Oft saß der Hunger neben ihm am Wegrande. Oft deckte niemand den Wandermüde zu als die mütterliche Nacht.
In Breslau bestand damals ein literarischer Verein. Er nannte sich Dichterschule und übte strenge Kritik. Von Lothringen aus schickte der arme Handwerksbursche Paul Barsch seine Gedichte nach Breslau. Die kritischen Herren waren erstaunt und fassten Neigung zu dem Dichter. Sie riefen ihn nach Schlesien zurück. Seltsame Fügungen versetzten ihn einige Jahre darauf in die Redaktionsstube der Breslauer Gerichtszeitung, mit der er bis zum letzten Tage in treuer Freundschaft verbunden blieb. Wer das herrliche Büchlein „Über die Scholle“ liest, empfindet, dass Paul Barsch als Lyriker zu den Besten seiner Nation gehört. Sein großer autobiografischer Roman „Von Einem, der auszog“ bestätigt ihn als Epiker. Nie hat ein deutscher Dichter die Poesie der Landstraße, die Seele des staubüberwölkten, obdachlosen Gesellen so echt erfasst wie dieser. Er konnte viel erzählen, weil er viel erlebte. Er konnte viel erleben, hundertfältig mehr ins Weite und Breite und in der Berührung mit den großen Zeitgenossen, als sein Roman und diese seine Geschichten aus Jugend und Kindheit bezeugen, er konnte viel erleben, weil er Leben in sich trug.
Wer dem Erzähler folgt, sieht einen breiten, stillen Strom, ohne reißende Bewegung, ohne blendende Wasserfälle, ohne romantische Burgen und blinkende Schlösser an den Gestanden! Armes Gelichter treibt auf selbstgezimmertem, brüchigem Fahrzeug. An den Ankerplätzen weht der Sturm, der jedes Schiff bald wieder losreißt. Aber siehe, der Fluss hat Schönheit, er ist tief wie das Meer, und eben, weil er so tief ist, geht seine Strömung so ruhig. Wenn der Himmel grau über ihm hängt, dann schleichen im gespenstischen Zwielicht durch seien Ufergebüsche die bösen Geister des Elends, der Verkennung, der Verzweiflung. Auf einmal lacht der Schiffer im Kahn und stimmt ein Lied von seiner großen Freude an. Ihr begreift ihn nicht. Boch ehe sich ein Streifen Sonne durch die Wolken stehlen konnte, hat ihn der Schiffer gefühlt und geschaut. Und seht, ihm lodert die Erde von Reichtum und Glück. Paul Keller.
Als meine Mutter noch ein Mädel und sechzehnjährig war, diente sie in ihrem Heimatdorfe bei einem Kleinbauern als Magd. Sie musste sehr fleißig sein und hatte mehr als manche Großmagd des Ortes zu tun. Nach der Ernte jedoch begann für sie eine stille Zeit, da sie an schönen Tagen nachmittags die Kühe zur Weide treiben und sich, wenn ihre kleine Herde folgsam war, ausruhen durfte. Der Wiesengrund, auf dem sie die Freuden der Freiheit auskostete, lag zwischen den Dörfern Mogwitz und Waltdorf in einer oberschlesischen Flachlandschaft.
Von der Bäuerin war ihr verboten worden, beim Hüten zu singen, damit sie nicht vom alten, närrischen Mann bedroht werde. Sie versprach, zu gehorchen, ließ sich jedoch durch ihre Liederlust verleiten, wortbrüchig zu werden. Vor dem alten närrischen Manne war sie auch von erfahrenen Freundinnen gewarnt worden. Er war ihr nie zu Gesicht gekommen, doch sie hatte gehört, dass er fremd in der Gegen sei, verwildert aussehe und sich oft in schlimmer Absicht auf den Feldern umhertreibe. Die Freundinnen wussten genau, was er im Schilde führte, und sie erzählten Geschichten von Mädchen und jungen Frauen, an die er sich herangeschlichen hatte, um sie durch sonderbare Redensarten zu betölpeln. Das Beste sei, ihm weit aus dem Wege zu gehen. Er verlange von ihnen, dass sie ihm Lieder vorsängen, so dumm aber sei keine, auf solchen Kalmus zu beißen.
Die kleine Hirtin war wissbegierig und tapfer. Sie sehnte sich heimlich nach einer Begegnung mit dem viel verschrienen Fremdling. Ihre Füße waren flink, und so fürchtete sie keine Gefahr.
Eines Nachmittags saß sie im Weidengebüsch am Graben, bewachte die Rinder und ergötzte sich an dem lustigen Liede von der Schalaster und dem Nussknacker, die Hochzeit machen wollten. Auf einmal erstarb ihr der Ton auf den Lippen.
Er kam – er war’s, der Schreckliche. Am Graben daher schritt er langsam auf sie zu und griff grüßend nach der Mütze. Sie erhob sich fluchtbereit.
„Ei, ei, du liebes Maidlein, wie fein du singen kannst!“ rief er und lächelte freundlich.
Was er weiter sprach, überhörte sie in der Verwirrtheit ihrer Gedanken. Fremdartig und wild genug sah er aus, doch gar nicht so alt und nicht so hässlich, als sie es nach den Berichten der Freundinnen vermutet hatte. Schnell wich ihre Scheu, und nun vernahm sie, dass er Lieder von ihr begehre. Das Lied von der Vogelhochzeit besäße er schon, von andern jedoch, die er ebenfalls gern haben möchte, seien ihm nur Teile bekannt.
Er zog ein Büchel aus der Manteltasche und las daraus einige Liedanfänge.
„Die kenn ich alle“, sagte sie.
„Die kennst du?“ fragte er freudig. „Du bist ja nicht mit Golde zu bezahlen. Sage mir doch, bitte, das Gedicht vom Strahler und den schönen Jungfräulein!“
Da regte sich in ihr ein Misstrauen. Ihr war eingefallen, dass er das gleiche Lied auch von andern Hirtinnen verlangt hatte. Sie hielt es für garstig, weil darin die schönen Jungfräulein faule Hunde genannt wurden.
„Das sag ich nicht“, entgegnete sie gereizt.
„Wenn ich dich aber herzlich bitte?“
„Wozu wollen Sie‘s den wissen?“
„Wozu? . . . Ach, du kleine Maid, das verstehst du nicht! Aber sagen will ich dir‘s. Ich mache Jagd auf alle Lieder, die nirgends gedruckt zu finden sind. Die will ich einsammeln, damit sie nicht verloren gehen. Kannst du das begreifen?“
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