»Hier, siehst du, hier dürfte kaum jemand vorbeikommen.« Der Tzur´kal zeigte auf die Stelle im Asteroidengürtel, die tatsächlich weit weg von der festgelegten Reiseroute lag. Zwischen einigen im All herumtreibenden Felsbrocken, die eine gute Tarnung abgeben würden, gab es eine leere Stelle, die perfekt geeignet war für ihre Fabrik.
Ra Aldaron nickte zufrieden. »Gut gemacht! Dann koppelt die Container ab.«
Zusammen sahen sie zu, wie die großen Fabrikmodule aus dem Bauch der Klesur geschleust wurden und sich langsam entfalteten. Roboter fingen an, an den Teilen zu arbeiten. Es sah aus als würden winzige Insekten in den unterschiedlichsten Farben und Formen auf ziemlich großen flachen Ebenen herumklettern, aus denen die Fabrik zusammengebaut wurde. Der Bauprozess würde noch einige Tage benötigen. Ra Aldaron gab den Befehl eine Einheit für die Überwachung zurückzulassen, denn in der Zwischenzeit wollte er sich um den Baufortschritt des MET kümmern. Sobald der stand, konnte er seine eigenen Geschäfte aufnehmen und natürlich die Versorgung der Cor´Talar und des neuen Mondstützpunktes sicherstellen. Der Mondstützpunkt im Krater Peary war noch so ein Problem, das ihm Bauchschmerzen verursachte, da die Menschen eine Menge Satelliten in der Umlaufbahn ihres Trabanten hatten und Merret Kaparon immer noch von ihm verlangte, dass die Bewohner von Cor´Karra nichts von ihren Aktivitäten mitbekamen. Möglicherweise sollte er seinen Kommandanten nicht zu ernst nehmen. Immerhin war er im Augenblick mehr Quartiermeister als Erster Offizier. Damit besetzte er im Prinzip, abgesehen vom Kommandanten, die mächtigsten Funktionen an Bord, hatte er doch so überall Zutritt. Außerdem wollte jeder von ihm irgendeine Vergünstigung, die er sich natürlich gut bezahlen ließ, sei es durch Gefälligkeiten oder auch durch härtere Währung. Insofern grämte er sich nicht mehr so sehr, dass sein Titel Erster Offizier nach wie vor auf Eis lag.
»Kir, wir wurden kontaktiert.« Der Funker meldete sich über das Bordsystem auf seiner persönlichen Frequenz, die Ra Aldaron benutzte, wenn er nicht wollte, dass die Sicherheitsabteilung der Cor´Talar ihn belauschen konnte.
Ra Aldaron winkte Shriz´ma Khru ihm zu folgen. Das war sicher sein Kontaktmann, da der Funker sich darüber ausschwieg, wer sich da gemeldet hatte. Ra Aldaron war zufrieden, weil seine Leute überaus gut funktionierten. Schließlich war dieser Anruf etwas, was er nicht mit jedem teilen wollte, auch wenn die Soldaten ihm noch so ergeben waren. Zusammen mit dem Tzur´kal ging er hinunter zum Hangar, wo einer der superschnellen H-5-Ul-Sternenjäger auf sie wartete.
Shriz´ma Khru sah ihn fragend an. »Wo wollen wir hin?«
»Wir treffen einen alten Freund. Du wirst sehen«, antwortete Ra Aldaron und grinste. Der Tzur´kal zeigte seine Neugier selten so offen.
Eine halbe Stunde später flogen sie in einen weiten Orbit um Jupiter ein. Jupiter war der größte der faszinierenden Planeten dieses Sternensystems und bestand hauptsächlich aus Wasserstoff und Helium, so wie die Sonne, aber mit einer Wolkenschicht aus gefrorenem Ammoniak in der oberen Atmosphäre. Der Gasplanet hatte einen dünnen Ring aus Gesteins- und Eisbrocken in einer Entfernung von etwa 30.000 Kilometern um seine Mitte herum. Der Ring leuchtete schwach im Licht der fernen Sonne. Über 60 Monde umkreisten Jupiter. Die meisten aber waren nur unförmige Gesteinsbrocken, bis auf die, die die Menschen Galiläische Monde nannten. Die Monde hatten sie bereits gründlich untersucht und tatsächlich waren alle anderen, außer Io, Europa, Ganymed und Kallisto mehr oder weniger uninteressant.
Shriz´ma Khru warf einen kurzen Blick auf den Bildschirm, auf dem gerade in einiger Entfernung ihres derzeitigen Orbits der Mond Io am Horizont erschien, gelblich leuchtend auf samtschwarzem Hintergrund. Schuld an der grellgelben Farbe war der Schwefel, den Jupiters Anziehungskraft und die Schwerkraft der Nachbarmonde Europa und Ganymed aus der Tiefe Ios herauf drückten und über dessen Oberfläche abregnen ließen. Das machte Io zu einem höllischen Mond, auf dem man nicht landen konnte, wollte man am Leben bleiben.
»Wo treffen wir uns denn?«, fragte Shriz´ma Khru und schenkte der faszinierenden Schönheit des Jupitermondes keine weitere Beachtung mehr.
Bevor Ra Aldaron antworten konnte, erschien ein blinkender Punkt auf dem Überwachungsmonitor. Eine Kolonne Symbole begann über die Anzeige zu laufen.
»Das ist er!«, sagte Ra Aldaron und deutete auf die Symbolreihe.
Shriz´ma Khru studierte kurz die Information. Soweit er das im Kopf hatte, war das irgendwo auf Ganymed, dem größten Mond von Jupiter, der hauptsächlich aus Eis und Gestein bestand und nur wenig vulkanische Aktivitäten zeigte.
»Dann fliege ich die Koordinaten an.« Shriz´ma Khru gab die Anflugkoordinaten ein und schaltete auf Autopiloten. Es sollte nicht allzu schwierig werden auf Ganymed zu landen.
Die Raumfähre, die sie zur Mondorbitalstation LUNACIRCUIT bringen sollte, war in einem wirklich schlechten Zustand. Selbst jemand ohne technischen Sachverstand konnte ihr deutlich ansehen, dass sie ein paarmal zu oft repariert worden war. Ullisten Getrillum hatte auf der Erdorbitalstation SILVERCONDOR einen kurzen Blick durch eines der Bullaugenfenster auf den LUNAJET erhaschen können. Besorgt runzelte er die Stirn. Sein Magen zog sich bei dem Gedanken zusammen, gleich in dieses Ding einsteigen zu müssen. Leider konnte er jetzt nicht mehr zurück, was er mittlerweile zutiefst bedauerte. Wenn ihm etwas geschah, würden seine Leute das Siegelstück niemals bekommen, das er in der Ruine in Armenien versteckt hatte. Leider hatte er keinen besseren Konverter dabei gehabt. Seiner war zu schwach und die Energiefüllung reichte nicht bis zum Eintreffen seines Kommandanten Manri Rubellicum in diesem Sternensystem. Der Konverter war wichtig, denn er erzeugte das Eindämmungsfeld, das die Signatur des Siegelstückes tarnte. Aber eben nur ungefähr zwei Jahre lang, so genau wusste er das auch nicht. Danach musste er von außen erneut Materie zuführen. Hoffentlich wurde das nicht zu einem Problem. Ullisten Getrillum war felsenfest davon überzeugt, dass die Adschirr´arr das wertvolle Objekt niemals der UCEG übergeben würden, ja nicht einmal den Archonisii selber, sobald sie herausgefunden hatten woraus das Kultobjekt gemacht war. Sollten diese schleimigen Kanny es in ihre gierigen Finger bekommen, dann würde der Untergang allen Lebens in diesem Universum besiegelt sein. Daran wollte er auf keinen Fall schuld sein. Außerdem hatte er dem Priesterkönig Harkmenii Lurki bei seiner Ehre versprochen das Siegelstück zu retten, aber wenn ihm das nicht gelang, dann konnte er nur noch hoffen, dass er sich mit den Adschirr´arr irrte. Immerhin schien es innerhalb dieser gierigen Spezies auch solche zu geben, die nicht nur an ihren Profit dachten. Milia Karadra zum Beispiel. Sie hätte ihn ganz einfach töten können und wäre dafür vermutlich noch belohnt worden. Stattdessen hatte sie ihn gerettet. Ob sie es wohl geschafft hatte? Ob sie ihre Verletzungen, die der Eisbär ihr beigebracht hatte, überlebt hatte? Bis jetzt hatte er noch keine Zeit gehabt über ihr für eine Adschirranie sehr seltsames Verhalten nachzudenken. Eigentlich waren die Adschirr´arr für Ullisten Getrillum nichts anderes als ein Haufen räudiger Widerlinge, die es galt in jeder Lebenslage zu bekämpfen. Vielleicht musste er über dieses Bild noch einmal nachdenken, falls er auf dem Mond so etwas wie Freizeit hatte, die er dafür dann nutzen konnte. Und natürlich dafür einen Fluchtplan zu entwickeln, falls er entdeckt wurde.
Ein lautes Signal tönte durch die von unzähligen Gesprächen angefüllte Abflughalle der Orbitalstation SILVERCONDOR. Alle verstummten schlagartig und lauschten auf die Durchsage, die eine Frauenstimme machte, die so glatt und emotionslos war, dass sie nicht von einem lebendigen Wesen stammen konnte. Ihr Shuttle war fertig und sie konnten nun einsteigen. Stumm fügte Ullisten Getrillum sich in sein Schicksal und drängte zusammen mit den anderen fünfzig Arbeitern der Mondmine zur Schleuse der Wartehalle, über der ein rotes Licht nervtötend blinkte. Das rote pulsierende Auge schien ihn warnen zu wollen, hier lieber nicht einzutreten. Ullisten Getrillum erstarrte beim Anblick dessen, was ihn hinter der Schleusentür erwartete. Dieses Mal gab es keine Fahrt mit einem skiliftähnlichen System. Stattdessen wurden sie in einen langen Zug aus Viererkabinen gesetzt, die allesamt aus einer Art mit weißer Farbe überzogenen Aluminiumlegierung bestanden und mit beweglichen Kupplungen aneinanderhingen. Werbung war auf die einzelnen Kabinen aufgebracht worden und Ullisten Getrillum fragte sich wer das wohl betrachten sollte, fuhr das Transportmittel doch ständig abseits der Passagiere.
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