1 ...8 9 10 12 13 14 ...22 Mit Genugtuung sah Ra Aldaron dem Tzur´kal hinterher, der mit weitausgreifenden kraftvollen Schritten Richtung Schleuse verschwand. Dann wandte er sich dem Trupp Soldaten zu und schickte sie mit einem kurzen Befehl an ihre Aufgaben zurück.
Als seine Untergebenen außer Sicht waren eilte Ra Aldaron hastig die Gangway der Cor´Arasur hinauf, wie er stolz sein privates Raumschiff nach dem gefährlichen Sturmvogel der südlichen Hemisphäre auf Cor´Arbarr benannt hatte. Die Cor´Arasur war ein hypermoderner MESYL HX Predator. In der medizinischen Abteilung war es erstaunlich ruhig. Kein Kreischen, keine spitzen schrillen Kinderschreie, einfach nichts. Ra Aldaron sah sich erstaunt um. Seine Hauptsklavin, die unbeteiligt das Geschehen von einer Ecke des Behandlungsraumes aus beobachtete, verbeugte sich tief vor ihm. Der leitende Arzt jedoch war kreidebleich und schien sich hinter der Behandlungsliege verstecken zu wollen, auf der der Körper der halbverbrannten Menschenfrau lag. Sie war nicht bei Bewusstsein.
Missmutig betrachtete Ra Aldaron den entstellten Körper. »Wie steht es um sie?«, blaffte er seinen Chefarzt nach einer Weile an, in der der Mann hinter der Liege vor lauter Furcht im Boden zu versinken drohte.
»Kir, ich habe alles versucht, aber sie ist nicht zu retten. Die Menschen haben sehr empfindliche Körper«, stammelte er unterwürfig.
Ra Aldaron schenkte ihm einen vernichtenden Blick, aber er wusste auch so, dass der Arzt recht hatte. Soviel medizinisches Wissen um zu beurteilen, dass die Frau nicht mehr zu retten war, besaß er auch selbst. Schade, sie hätte auf den Sklavenmärkten von Rokan Tarr einen guten Preis erzielt.
»Wie lange hat sie noch?«, fragte er seinen Chefmediziner deshalb genervt.
»Vielleicht ein paar Minuten, Kir.« Der Arzt zog seinen Kopf zwischen seine mageren Schultern ein, was ihm in seiner gegenwärtigen Erscheinungsform ziemlich leichtfiel.
Ra Aldaron nahm die Aussage genervt zur Kenntnis. Damit blieb ihm wohl tatsächlich nichts Anderes übrig, als diesen Körper für einen anderen sinnvollen Zweck zu nutzen. Er winkte der großen Heuschrecke, die immer noch das Kind in ihren Klauen hielt, das völlig apathisch und mit riesigen Augen auf seine leblos daliegende Mutter starrte.
»Gib das Kind dem Arzt und legt es in eine Kapsel«, befahl er ruhig.
Das große heuschreckenartige Wesen zuckte ein paarmal unwillig mit seinen Fühlern, die wie lange feine Antennen auf seinem Kopf saßen. Es sah fast so aus, als wollte es das Kind nicht abgeben, dann fügte es sich aber doch.
Ra Aldaron hatte die Weigerung sehr wohl bemerkt. Es war Zeit seine wichtigste Untergebene zufrieden zu stellen. Mit einer Handbewegung schickte er seine Lieblingssklavin hinaus, die ihn nun ebenfalls aus großen Augen ansah, da sie ahnte was gleich kommen würde, sich aber dann eilig verbeugte und ohne ein Wort das Weite suchte.
Der Arzt hatte in der Zwischenzeit eine Transportkapsel fertiggemacht. »Kir, soll ich mit dem Einlagerungsprozess beginnen. Ich möchte nur anmerken, dass wir das mit Menschen noch nicht gemacht haben. Es könnte vielleicht Komplikationen geben.«
»Benutze das Kind dafür. Es ist sonst im Augenblick ohnehin zu nichts nutze. Der Abnehmer überlegt noch, ob er die Ware haben will. Bis dahin sollte es konserviert werden. Sorg dafür, dass es nicht stirbt«, blaffte ihn Ra Aldaron unwirsch an.
Mit halb geschlossenen Augen sah er zu, wie Ludmilla Longley in die Kapsel gelegt wurde. Das Kind war völlig verstummt, zu groß war der Schock. Es blickte nur noch aus grauenerfüllten Augen auf die seltsamen Kreaturen um sich herum. Der Arzt verabreichte ihm ein Schlafmittel, denn manchmal kam es vor, dass sich jemand wehrte und der Prozess unterbrochen wurde. Er wollte auf keinen Fall noch einen Verlust melden müssen, zumal ihn das dieses Mal ganz bestimmt sein Leben kosten würde. Im Gesicht der Kleinen war die Angst deutlich zu lesen, doch das Sedativum machte ihm die Augenlider schwer. Mit gemischten Gefühlen startete der Mediziner den Einlagerungsprozess. Nach ein paar Minuten war das Gel in die Kapsel gelaufen und umschloss das Kind vollständig. Zufrieden prüfte er die Vitalwerte. Soweit war alles gut gegangen. Auch diese Spezies sprach auf ihre Methode gut an. Erleichtert verbeugte er sich vor Ra Aldaron und verließ den Raum, nachdem er sicher war, dass alles wie gewünscht funktionierte.
Ra Aldaron wartete noch einen Augenblick, dann wandte er sich zu dem Heuschreckenwesen um, das mit aufgeregt zitterndem Unterleib vor der Liege stand, auf der Mary Longley lag. Gierig strichen seine Fühler über den Körper der Frau.
» Ist das das versprochene Geschenk? «, fragte sich die Kreatur stumm. Zugegeben die Frau roch nicht so gut wie das kleinere Menschenwesen. Vermutlich weil ihr halber Körper zerstört war. Dennoch verströmte sie einen unwiderstehlichen Duft.
»Sie gehört dir!« Ra Aldaron zog sich von der Liege zurück und sah zu, wie sich das Wesen hungrig auf die Frau stürzte. Ra Aldaron wartete gelassen, bis es fertig war.
»Diese Menschen sind köstlich. Sie riechen sehr gut. Ich danke dir, Herr!« Das Heuschreckenwesen schnüffelte ein wenig in seine Richtung, verbeugte sich dann und ging. Es musste sich ausruhen. Die Nahrung war überaus sättigend gewesen.
Ra Aldaron sah ihm nachdenklich hinterher. Etwas irritierte ihn gerade, er konnte aber nicht sagen was es war. Mitten in seinen Überlegungen wurde er von dem Tzur´kal unterbrochen.
»Ich habe alles gesichert. Das Schiff steht bereit. Es ist die Klesur.« Shriz´ma Khru stand abwartend in der offenen Tür und ließ seinen Blick argwöhnisch durch den Raum gleiten. Ein fremdartiger Geruch nach Angst und etwas anderem Undefinierbarem streifte seinen Geruchssinn, aber er fragte nicht danach. Die Geschäfte von Ra Aldaron gingen ihn nichts an, genauso wie umgekehrt. Dieses Abkommen hatten sie schon vor langer Zeit geschlossen.
»Dann lass uns gehen.« Ra Aldaron folgte Shriz´ma Khru die Gangway seines MESYL HX Predators hinunter und stieg in den kleinen Transporter, der sie zu ihrem Wartungsraumschiff, einem 40-Mann Raumkreuzer der L-Klasse bringen würde. Merret Kaparon, sein Kommandant, hatte ihm mit der Degradierung zum Quartiermeister den Auftrag erteilt ein paar Relaisstationen für die Kommunikation aufzubauen. Dass er das noch für etwas Anderes nutzte, musste sein Kommandant ja nicht wissen. Die Soldaten an Bord der Klesur waren ihm allesamt persönlich verpflichtet und treu ergeben. Sie würden zu keiner Zeit sein Geheimnis preisgeben, nicht einmal unter der Folter.
Ein paar Stunden später befanden sie sich am äußeren Rand des Asteroidengürtels, dessen zahlreiche Objekte zwischen Mars und dem Gasplaneten Jupiter ihre Bahnen um die Sonne zogen. Die Körper aus Eis und Gestein bewegten sich in einem schmalen Bereich um ihren Zentralstern, so dass es aussah, als hätte sich das Hauptgestirn einen Ring um die Mitte gelegt, ähnlich wie die Ringe der Gasplaneten. Natürlich waren die Asteroiden nicht wirklich ein Hindernis für ihre Raumschiffe, da die Abstände zwischen den Felsbrocken und Zwergplaneten groß waren, aber es war trotzdem gut zu wissen, wo genau sie sich befanden, um nicht doch noch aus Versehen mit einem zusammenzustoßen. Die Menschen hatten die Gesteinsbrocken in Gruppen eingeteilt, je nachdem, ob sie näher an Mars oder näher an Jupiter lagen und ihnen malerische Namen gegeben, wie Flora-, Nysa- oder Koronis-Gruppe. Die Adschirr´arr hatten die Namensgebung übernommen, da es praktisch war, da sie so die irdischen Sternenkarten einfach kopiert hatten und sie nicht selbst erstellen mussten.
Shriz´ma Khru eilte zum Navigator und gab ihm in schroffem Tonfall Anweisungen. Er winkte Ra Aldaron mit einer seiner dreifingrigen Klauenhände zu ihm zu kommen, da er ihm etwas zeigen wollte. »Dort, siehst du! Dort zwischen den größeren Brocken der Hygia-Gruppe ist ein guter Ort. Nach unseren Messungen lässt sich hier eine Fabrik aufbauen. Diese Asteroiden sind weit genug vom Hauptfeld entfernt und weit weg von der Hauptreiseroute nach Cor´Karra. Die Hauptroute haben wir hier festgelegt.« Shriz´ma Khru benutzte für die bewohnte Welt dieses Sternensystems auch lieber den adschirranischen Begriff Cor´Karra als den menschlichen Begriff Erde. Er bedeutete dem Navigator einen vergrößerten Ausschnitt auf einen Teil des Asteroidengürtels einzublenden. Auf dem Schirm erschien ein leuchtendgrüner Strich, der sich durch die Gesteinsbrocken schlängelte und die Route zeigte, die für Reisende zum Erdmond und aus dem Sternensystem hinaus verbindlich sein würde. Die meisten würden sich daran halten, denn so konnten sie im Falle einer Havarie gefunden werden. Niemand wollte schließlich in den Weiten des Alls verloren gehen. Drei Punkte blinkten auf dem grünen Strich. Sie bezeichneten Umschlagstationen, die in den letzten Monaten gebaut worden waren und jetzt für die Versorgung der Cor´Talar, ihrem Hauptkommandoschiff, genutzt wurden. Eine Umschlagstation lag in der Nähe des Uranus, eine zweite inmitten der Oortschen Wolke, wo das Wassereis der treibenden Klumpen abgebaut wurde und eine dritte, einige Lichtstunden weiter draußen. Diese letzte Station diente auch noch als Ankerpunkt für den neuen MET. Der war allerdings noch nicht in Betrieb, was die Versorgung der Mannschaft mit notwendigen Gütern immer noch schwierig gestaltete. Im Stillen verfluchte Ra Aldaron die Fesseln, die ihnen die Liga auferlegt hatte. Etwas, das er nicht verstand, ließen sich die Herrschenden auf Cor´Arbarr, der Heimatwelt der Adschirr´arr, doch auch sonst nicht vom Ligarat gängeln. Es wurde Zeit, dass er herausfand was da eigentlich los war. Shriz´ma Khru forderte jedoch seine Aufmerksamkeit und er verschob das Nachdenken darüber auf später.
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