Auf gleiche Weise sind alle Buddhas sehr gütig, da sie den Geist fühlender Wesen segnen und Dharma enthüllen, doch unser spiritueller Meister ist gütiger als alle anderen Buddhas, da er oder sie uns direkt Segnungen und Dharma Anleitungen gibt. Deshalb heißt es im Heruka Tantra:
Er ist der selbstentstandene Gesegnete,
Der erste unter den Gottheiten des Höchsten Yoga Tantra,
Doch der spirituelle Meister des Vajrayana ist höher als er,
Da er Anleitungen gibt.
Wenn uns dies klar ist, dann sollten wir einen vollqualifizierten spirituellen Meister suchen und uns sowohl in Gedanken als auch in Taten aufrichtig auf ihn verlassen.
Im Sutra der Vollkommenheit der Weisheit in achttausend Zeilen wird die Geschichte eines großen Bodhisattva namens Sadaprarudita erzählt, der sich aufrichtig auf seinen spirituellen Meister Dharmodgata verließ und ihn als kostbarer als sein eigenes Leben und wichtiger als alle Buddhas betrachtete.
Zwar war Sadaprarudita ein hochverwirklichter Meditierender, doch sehnte er sich danach, einen Lehrer zu treffen, der ihm das Sutra der Vollkommenheit der Weisheit erklären würde, denn er erkannte, dass es nicht möglich ist, Befreiung oder Erleuchtung zu erlangen, ohne die Bedeutung dieses Sutra zu verwirklichen. Obwohl sein Wunsch, einen qualifizierten spirituellen Meister zu treffen, groß war und er landauf landab nach einem solchen Meister suchte, konnte er keinen Lehrer finden, der ihm die ersehnten Anleitungen geben konnte. Er war so traurig, keinen spirituellen Meister zu finden, dass er ständig weinte. Deshalb nannten ihn diejenigen, die ihn kannten, «Sadaprarudita», was «der, der ständig weint» bedeutet.
Eines Tages, als Sadaprarudita in Meditation vertieft war, empfing er eine außergewöhnliche Vision, in der viele Buddhas direkt vor ihm erschienen. Sie sagten ihm, dass er eine enge Verbindung mit einem Bodhisattva namens Dharmodgata hatte, ihn solle er finden und seine Anleitungen befolgen. Nachdem Sadaprarudita sich aus seiner Meditation erhoben hatte, brach er zu seiner Suche nach Dharmodgata auf. Er legte große Strecken zurück und nahm viele Entbehrungen auf sich, doch er war glücklich, denn nun wusste er, dass es einen spirituellen Meister gab, der ihm die Hilfe geben konnte, die er brauchte. Schließlich fand er heraus, wo Dharmodgata lebte.
Sadaprarudita wollte einige Gaben mitbringen, um sie Dharmodgata darzubringen, doch er besaß nichts. Um etwas Geld für Darbringungen aufzutreiben, ging er in eine nahe gelegene Stadt und verkündete, dass er sein Fleisch an jeden verkaufen werde, der es haben wolle. Die Bewohner der Stadt glaubten, er sei verrückt, und schenkten ihm keine Beachtung. Der Gott Indra jedoch, der Sadaprarudita vom Himmel aus sah, entschloss sich die Aufrichtigkeit seiner Absichten auf die Probe zu stellen. Er manifestierte sich als alter Mann, ging zu Sadaprarudita und sagte, er wolle etwas von seinem Fleisch kaufen. Erfreut schnitt Sadaprarudita sofort ein Stück aus seinem Oberschenkel heraus und gab es ihm. Der Alte meinte, dass er gern auch etwas Knochenmark hätte. Sadaprarudita freute sich noch mehr. Gerade als er im Begriff war, sein Schienbein zu brechen, um etwas Knochenmark zu entnehmen, erschien eine junge Frau. Sie war die Tochter eines ortsansässigen Kaufmanns und fragte Sadaprarudita, was er da tue. Sadaprarudita antwortete, dass er sein Fleisch und Knochenmark verkaufe, um seinem spirituellen Meister Gaben darbringen zu können. Die Frau fragte, wie jemand derart wichtig sein könne, dass er zu einer solchen Tat bereit sei, um ihm Gaben darzubringen. Sadaprarudita erklärte, dass Dharmodgata ihm kostbare Anleitungen über die Vollkommenheit der Weisheit geben würde und dass er durch das Befolgen dieser Anleitungen in der Lage sein würde, Erleuchtung zum Wohle aller Lebewesen zu erlangen. Als sie dies hörte, entwickelte die junge Frau großes Vertrauen in Buddha und seine Lehren. Sie bat Sadaprarudita, sich nicht weiter zu verstümmeln und versprach ihre Eltern zu bitten, das Geld zu spenden, das er für die Darbringungen benötigte.
In dem Moment warf Indra seine Verkleidung ab und fragte Sadaprarudita, weshalb das Geld so wichtig sei. Sadaprarudita antwortete, er brauche nicht das Geld, sondern die Anleitungen über den Pfad zur Erleuchtung. Indra erkannte, dass Sadapraruditas Absicht echt war, und bot ihm alle erforderlichen Reichtümer an. Sadaprarudita aber lehnte das Angebot ab, da er nun von den Eltern der jungen Frau genügend Geld erhalten würde, um Dharmodgata Gaben darzubringen. Dann brach er mit der jungen Frau und vielen ihrer Diener auf, um Dharmodgata zu treffen. Sie brachten Gaben dar und erhielten kostbare Anleitungen über die Vollkommenheit der Weisheit, und indem sie Dharmodgatas Anleitungen umsetzten, erlangten sie später volle Erleuchtung.
Denken wir tief über diese Geschichte nach, so werden wir verstehen, dass es nichts Kostbareres gibt als einen qualifizierten spirituellen Meister, der uns richtige Anleitungen über den Pfad zur Erleuchtung geben kann. Wenn sich ein großer Meditierender wie Sadaprarudita, der direkt von den Buddhas Anleitungen erhalten konnte, auf einen spirituellen Meister verlassen musste, dann versteht es sich von selbst, dass wir einen qualifizierten spirituellen Meister finden und uns aufrichtig auf ihn oder sie verlassen müssen.
Die herausragenden Eigenschaften Je Tsongkhapas und seiner Lehre
Es ist die Essenz des Guru Yoga, die starke Überzeugung zu entwickeln, dass unser spiritueller Meister ein Buddha ist, uns vor ihm zu verbeugen, Gaben darzubringen, aufrichtige Bitten an ihn oder sie zu richten und dann seine tiefgründigen Segnungen zu erhalten. Im Guru Yoga Darbringung an den spirituellen Meister entwickeln wir die Überzeugung, dass unser spiritueller Meister die gleiche Natur wie Je Tsongkhapa ist, der eine Emanation des Weisheitsbuddha Manjushri ist. Der Kommentar zu dieser Praxis wird unter den folgenden beiden Überschriften dargelegt:
1. Die herausragenden Eigenschaften Je Tsongkhapas und seiner Lehre
2. Der Guru Yoga von Je Tsongkhapa
DIE HERAUSRAGENDEN EIGENSCHAFTEN JE TSONGKHAPAS UND SEINER LEHRE
Eines Tages, als Buddha Shakyamuni seinen Schülern Unterweisungen gab und das Sutra König des Erteilens von Anleitungen verkündete, erschien vor ihm ein kleiner Junge, der in Wirklichkeit eine Emanation Manjushris war. Er brachte Buddha einen Rosenkranz aus Kristall mit dem Gebet dar: «Möge ich der Halter der Überlieferungslinie der reinen Sicht und reinen Taten sein.» Da sagte Buddha voraus, dass dieser Junge in der Zukunft als ein Mönch namens Losang Dragpa an einem Ort namens Ganden in der Nähe von Drikhung erscheinen werde und der Halter der Linie der reinen Sicht und reinen Taten werden würde. So wie Buddha es vorausgesagt hatte, erschien Je Tsongkhapa, dessen Ordinationsname Losang Dragpa war, im vierzehnten Jahrhundert in Tibet und gründete in der Nähe eines Ortes namens Drikhung sein erstes Kloster namens Ganden.
Obwohl Je Tsongkhapa eine Emanation Manjushris war und über Hellsicht und Wunderkräfte verfügte, erschien er nicht als ein besonderes, erhabenes Wesen, sondern manifestierte sich als gewöhnlicher, bescheidener Praktizierender. In diesem Aspekt war er ein makelloses Vorbild für andere, gab reine Unterweisungen und führte Tausende von Menschen auf richtige spirituelle Pfade. Er verbreitete einen sehr reinen Buddhadharma in ganz Tibet. Er zeigte dabei, wie die Übungen von Sutra und Tantra miteinander verbunden werden und insbesondere, wie die Vinaya und das Höchste Yoga Tantra zusammen praktiziert werden.
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