Sie wurde schwanger. Und auch wenn es für sie keine leichte Schwangerschaft war, so freute sie sich immer mehr auf ihre Tochter. Und auch ich wollte eine Tochter. Ich wollte keinen Sohn, der die Bürde tragen müsste, Stammesoberhaupt zu werden. Diesem Druck wollte ich ihn nicht aussetzen.
Die Geburt unserer Tochter rückte immer näher und Anhoja verließ kaum noch ihr Lager. Jeden Tag war Eiramsor bei ihr und versorgte sie mit Kräutern und Tränken, massierte ihren riesigen Bauch und redete viel mit ihr.
Am Tag des Fruchtbarkeitsfestes war es plötzlich soweit. Die Geburt ging los. Viel zu früh, es war über einen Mond zu früh. Wir hatten eine sehr gute Jagd hinter uns, viele Büffel wurden getötet, es gab nur wenige verletzte Jäger und so feierte mein Volk ausgelassen. Unheimlich hell erschien der Vollmond in dieser Nacht.
Anhojas Schreie wurden so laut, dass es auf dem Fest still wurde. Eine angespannte Stimmung machte sich im Lager breit, nervöses Flüstern war vereinzelt zu hören. Als ein markerschütternder Schrei Anhojas ertönte, trat absolute Stille ein, sogar der Wind schwieg. Ich ging ins Zelt und erblickte fassungslos unsere tote Tochter in Anhojas Händen.
„Nein!“, schrie es in mir, „Nein, nur das nicht, nein!“ Immer lauter hämmerte das Widerstreben in meinem Kopf.
Meine Tochter war tot. Noch bevor sie lebte, war sie tot. Leere breitete sich in mir aus.
Anhoja schrie und weinte wie von Sinnen und ließ plötzlich unsere kleine tote Tochter fallen. Eiramsor hob sie behutsam auf und gab sie mir.
„Geh bitte raus, es kommt noch ein Kind.“ Sie schob mich energisch aus dem Zelt. Meine tote Tochter umklammerte ich noch immer, als ich hinaustrat. Niemand sagte etwas, fassungslos starrte mein Volk auf das leblose Kind in meinen Armen.
Ich schaute zum Vollmond hinauf, hob die Kleine hoch und schrie ihn an: „Sieh, was du angerichtet hast! Sieh! Du hast sie mir genommen!“
Und der Mond antwortete. Eine große Scheibe schob sich ganz langsam vor den Mond und verdunkelte ihn.
Im Zelt war nichts mehr zu hören, Anhojas Schreie verstummten.
„Was geht hier nur vor?“, schoss es mir durch den Kopf.
Eiramsor bat mich in das Zelt. „Du hast einen Sohn...!“, sagte sie vorsichtig zu mir. Ich sah die Angst in ihrem Gesicht. Ich sah den Kleinen und konnte mich nicht freuen.
Anhoja wollte ihn nicht. Fast zwei Monde sprach sie kein Wort. Also gab ich dem Kleinen einen Namen, er sollte Suilenroc heißen. Ich fragte meine Frau, ob sie mit dem Namen einverstanden wäre, doch nichts deutete darauf hin, dass sie sich auch nur im Geringsten interessierte. Sie nahm ihn nicht an ihre Brust. Eiramsor brachte den Kleinen zu einer anderen Mutter, die ihm Milch zum Leben gab.
Immer wieder redete Eiramsor auf mich und Anhoja ein, doch zu tief saß unsere Trauer. Wir beide wollten ihn nicht haben, wir wünschten uns doch eine Tochter. Ich ertappte mich oft bei dem Gedanken: “Warum nicht er, warum musste sie sterben?“ Und ich schämte mich noch nicht einmal für diesen Gedanken.
So kam es, dass Suilenroc bei Eiramsor aufwuchs. Immer wieder wollte er in unser Zelt, wollte zu uns, doch sein Anblick war unerträglich für uns. Er war so anders, anders als andere Kinder und ganz anders, als ich es war. Immer wieder spielte er Streiche, stahl den anderen Sachen, und stellte sich so ungeschickt an, dass er erwischt wurde. Es war meine Aufgabe, ihn dann zu bestrafen. Mit heranwachsendem Alter wurden seine Bestrafungen immer härter.
Am Ende des Sommers, in dem Suilenroc fünf wurde, kam Anhoja zu mir und sagte, sie wolle mir einen Sohn schenken.
„Aber wir haben doch einen Sohn“, sagte ich verwirrt zu ihr.
„Nein.“ Ihre Antwort war kurz und hart. „Du brauchst einen Nachfolger und der soll es nicht werden.“
„Aber bist du nicht schon zu alt für eine weitere Geburt?“, fragte ich vorsichtig.
Sie schaute mich wütend an: „Nein!“ Wieder duldete ihre Antwort keinen Widerspruch.
Sie hielt mir einen Becher hin: „Trink!“ Und ich trank. Es schmeckte wie damals und augenblicklich setzte die Wirkung ein. Danach goss auch sie sich etwas ein. Mir fiel auf, dass es weniger war, als damals. Und noch etwas war anders. Sie zog sich noch nicht aus. Sie kam mir langsam näher und streichelte mein Gesicht: „Ich bin dir sehr dankbar für alles, was du für mich getan hast“, sagte sie zärtlich, ja fast schon liebevoll. So hatte ich sie noch nie erlebt. Sie fing an mich zu küssen und meinen Körper zu streicheln. Sie zog mich aus und liebkoste weiter meinen Körper. Dann zog sie sich aus und erlaubte meinen Händen auch ihren Körper zu streicheln.
„Komm!“, sagte sie und zog mich langsam hinüber zu unserem Lager. Sie legte sich hin und öffnete ihr Beine. Verlockend süß sah ihre Spalte aus und plötzlich überkam mich wieder Angst. Sie sah es und sagte liebevoll: „Wir brauchen heute kein Öl, ich bin feucht genug um deinen Speer zu empfangen. Komm!“
Und wahrlich, ich glitt ganz leicht in sie hinein und hörte sogar lustvolles Stöhnen, wie ich es von ihr noch nie hörte.
Wir hatten eine wunderbare Nacht und auch als der Trank nachließ spürte ich den Willen, wieder in sie einzudringen und sie ließ mich und genoss es zum ersten Mal mit großer Freude.
In dem Sommer darauf gebar sie unseren Sohn Suiram. Er war unser ganzer Stolz. Anjoha veränderte sich bereits während der Schwangerschaft, sie wurde zu einer ganz anderen Frau, zu einer liebenden Mutter und zu meiner wunderbaren Geliebten. Liebestränke brauchten wir nicht mehr, eine tiefe Verbundenheit zwischen uns entstand.
Suilenroc aber wollte sie nun gar nicht mehr sehen. Sie wollte auch nicht, dass er mit seinem Bruder spielte. Tief in mir wusste ich, dass es nicht richtig war. Da ich die neugewonnene Liebe zu Anjoha nicht verlieren wollte, verdrängte ich diese Gedanken jedoch. Allerdings beobachtete ich Suilenroc nun öfter aus der Ferne und ließ mir von anderen Dorfbewohnern regelmäßig über ihn berichten.
Er wuchs schnell und stark heran. Ich hätte ihn schon mit 15 Sommern zum Mann werden lassen können, doch ich wollte ihn nicht bevorzugen. Mit 17 Sommern forderten mich die Alten jedoch dazu auf, und da er der Älteste und Stärkste der Jungen war, durfte er gemäß der Tradition die Jagd anführen.
Er machte seine Sache sehr gut und ich war tatsächlich sehr stolz auf ihn. Er tötete den größten Büffelbullen, den ich jemals gesehen hatte. Auch wie er das Ritual durchstand, erfüllte mich mit nie geahntem Stolz. Ich hatte schon Hoffnung, dass wir uns langsam doch noch etwas näherkommen würden. So wie auch meine Beziehung zu seiner Mutter ihre Zeit gebraucht hatte.
Ich bemerkte an diesem Abend, wie er mit der schönen Ariana nach dem Ritual verschwand, und mir wurde klar, dass er nun kein kleiner verzogener Junge mehr war. Ich war zufrieden.
Am nächsten Morgen jedoch stand er plötzlich vor mir und sagte mir mit, er wolle das Lager verlassen. Ich fing gerade an, in ihn meinen Nachfolger zu sehen, doch ich konnte ihn nicht mehr zum Bleiben zwingen. Er war nun ein Mann und traf seine eigenen Entscheidungen, was ich respektieren musste. Aber was war mit Ariana? Ich wusste es nicht und wollte es auch nicht wissen. Meine gerade gewonnene Zuversicht wich Enttäuschung und gipfelte schließlich in Verbitterung.
Dann sollte er doch gehen. Und wieder überkam mich der alte Gedanke: „Warum nicht er, warum musste sie sterben? Sie wäre nicht gegangen!“
Ich suchte Flaro. Niemand wusste wo er war, und auch wo Ariana war, wusste niemand.
Von Eiramsor hatte ich mich bereits verabschiedet. Sie brachte mir noch Reiseproviant und einige Heilkräuter, Salben und andere nützliche Dinge. Ich verstaute alles in meinem Boot und war nun zur Abreise bereit. Ich hatte mich von allen, die mir wichtig waren, verabschiedet. Meine Mutter wollte mich nicht sehen, doch sie erlaubte zu meiner Erleichterung, dass ich mich von meinem kleinen Bruder Suiram verabschieden durfte. Er sah sehr verschüchtert und ängstlich aus, war ich doch wie ein Fremder für ihn.
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