Das Ziel aller Veränderung im Alten Testament soll eine engere Beziehung zu Gott sein, eine persönliche Gottesbeziehung, keine intellektuelle, keine anerzogene Beziehung, die eben zu meinem sozialen Umfeld und der Tradition gehört.
Eine weitere Person, die umwälzende Zeiten im Leben erfahren musste, ist Hiob. Wie in dem Bild des Töpfers bei Jeremia in Kapitel 18 wurde Hiobs Leben zerdrückt und neu gestaltet. Am Ende seiner Leidenszeit, noch bevor Gott ihn erneut segnete, sagte Hiob: „Herr, ich kannte dich nur vom Hörensagen , jetzt aber habe ich dich mit eigenen Augen gesehen!“ (Hiob 42,5; Hfa). Aus einem fremden Gott wurde ein persönlicher Gott, ein Gott, der einen durch das Leid dieser Welt tragen kann.
Gott sucht den Menschen, um ihn zurück in eine persönliche Beziehung mit ihm zu führen. Eine Beziehung, die unser Leben unmittelbar betrifft und verändert. Den Gott Jahwe als Herrn des eigenen Lebens zu erfahren, bedeutet vertrauensvoll und voller Zuversicht durch das Leben zu gehen, so wie es Psalm 23 beschreibt. Diese Hoffnung und Gewissheit, die zur Zeit des Alten Testaments nur das Volk Israel erleben durfte, wird eines Tages allen Menschen ermöglicht. Denn zum einen können wir die Erzählungen des Alten Testaments als tatsächlich geschehene Ereignisse betrachten, zum anderen können wir sie gleichzeitig als eine exemplarische Erzählung für Gottes Weg mit den Menschen sehen. Und im selben Moment eröffnet sich in unserer Sicht auf die Bibel eine Spannung, die wir nie ganz auflösen können. Denn wenn Gott größer ist als unser Denken, dann können wir über Gott nur in Bildern und Geschichten sprechen, und somit wären die Erzählungen im Alten Testament nicht wirklich geschehen, sondern exemplarische Berichte über Gott, sein Wesen und seinen Weg mit dieser Welt. Welche Sichtweise die richtige ist, wird sich letztlich nicht abschließend beantworten lassen, obwohl viele Stellen im Neuen Testament für tatsächlich geschehene Geschichten sprechen (Apostelgeschichte 7, Hebräer 11, Lukas 20,27 ff.). Entscheidender als die endgültige Antwort auf diese theologische Streitfrage ist der Glaube daran, dass die Geschichte oder die Wahrheit der Bilder aus dem Alten Testament auch unser Leben betrifft. Dass Gott auch unser Leben berühren möchte und er uns nie aufgegeben hat.
Das Volk Israel musste aus der zerstörerischen Herrschaft des ägyptischen Pharaos befreit werden, genauso ist jeder Mensch von der grausamen Realität des Todes versklavt, und nur Gott selbst hat die Macht, den Tod zu besiegen.
Wer für sich somit nachvollziehen kann, dass er aufgrund der Sünde von Gott getrennt ist und sein Leben von Dingen bestimmt und beherrscht wurde, die nicht zu Gottes sehr guten Schöpfung gehörten, der erahnt, dass er einen Befreier und einen Propheten wie Mose braucht, der ihn aus dieser Knechtschaft führt. Und hier liegt die Verbindung zur Geburt von Jesus und seinem Sterben am Kreuz von Golgatha, denn Jesus ist es, der für die Menschen zum Befreier werden möchte.
Um diesen Gedankengang und die Verbindung zum Alten Testament in seiner Tiefe zu verstehen, ist es wichtig, einen weiteren Text aus dem Propheten Jeremia zu betrachten:
So spricht der Herr: Es kommt die Zeit, in der ich mit dem Volk Israel und dem Volk von Juda einen neuen Bund schließe. Er ist nicht mit dem zu vergleichen, den ich damals mit ihren Vorfahren schloss, als ich sie bei der Hand nahm und aus Ägypten befreite. Diesen Bund haben sie gebrochen, obwohl ich doch ihr Herr war! Der neue Bund, den ich dann mit dem Volk Israel schließe, wird ganz anders aussehen: Ich schreibe mein Gesetz in ihr Herz, es soll ihr ganzes Denken und Handeln bestimmen. Ich werde ihr Gott sein, und sie werden mein Volk sein. Niemand muss dann den anderen noch belehren, keiner braucht seinem Bruder mehr zu sagen: „Erkenne doch den Herrn!“ Denn alle – vom Kleinsten bis zum Größten – werden erkennen, wer ich bin. Ich vergebe ihnen ihre Schuld und denke nicht mehr an ihre Sünden. Mein Wort gilt! (Jeremia 31,31 – 34; Hfa)
Dieser Text bezieht sich auf die Befreiung aus der Knechtschaft in Ägypten und eröffnet gleichzeitig eine Perspektive für die ganze Welt. Damit knüpft er an die Verheißung Gottes an Abraham aus 1 Mose 12 – 15 an. Gott hatte mit der Erwählung seines Volkes immer die ganze Welt im Blick. Jeder soll wieder dazu eingeladen werden, mit dem Schöpfer des Himmels und der Erde in einer persönlichen Beziehung leben zu können. Jeder soll wieder Hoffnung, Zuversicht und Ruhe im Leben erfahren.
Diese Bedeutung und Hoffnung finden sich in der Geschichte Gottes mit seinem erwählten Volk und gelten auch uns. Und somit ist einer der schönsten Verse der Bibel ein Zuspruch für jeden Menschen:
„Denn ich allein weiß, was ich mit euch vorhabe: Ich, der Herr, habe Frieden für euch im Sinn und will euch aus dem Leid befreien. Ich gebe euch wieder Zukunft und Hoffnung. Mein Wort gilt!“ (Jeremia 29,11; Hfa).
Der christliche Glaube zielt nicht auf ein theoretisches Wissen über Gott ab, sondern auf ein Bekenntnis: An diesen Gott glaube ich und ihm vertraue ich (Apostolisches Glaubensbekenntnis). Jedoch soll der Glaube nie beim Bekenntnis stehen bleiben. Der Glaube soll das Leben verändern und fordert uns heraus, „umzukehren“ und unser Leben durch Gott verwandeln zu lassen. Und letztlich geht es noch einen Schritt weiter: Wer glaubt, wird herausgefordert, seinen Glauben aktiv in dieser Welt zu leben.
Die folgenden Fragen sind eine Einladung, sich mit diesen unterschiedlichen Facetten des Glaubens zu beschäftigen. Ich wünsche euch und eurer Gruppe einen offenen Austausch, fröhliche Diskussionen und lebensverändernde Gedanken.
Fragen zum Bekenntnis: Was glaubst du?
Alle unsere Erkenntnis ist Stückwerk, und deshalb bleibt unser Wissen bruchstückhaft und der Gott des Alten Testaments oft fremd und unverständlich.
Aus welchen Facetten und Sichtweisen besteht dein Gottesbild, falls du daran glaubst, dass es einen Gott gibt?
Welcher Gedanke lässt dich nicht mehr los und wo gibt es Klärungsbedarf bei dem, was in dieser Einheit beschrieben wurde?
An der Art und Weise, wie Gott das Volk Israel behandelt, sollen wir sein Wesen erkennen: seine Heiligkeit. Seine Größe. Seine Gerechtigkeit.
Welche Wesenszüge Gottes begeistern dich, welche findest du verstörend?
Aus welcher Sichtweise betrachtest du die Erzählungen und Texte im Alten Testament: als beispielhafte Erzählungen, historische Wahrheiten oder als fiktive Geschichten?
Fragen, die unser Leben berühren und uns auf Gott ausrichten:
Im Alten Testament entdecken wir viele Lebensberichte, bei denen eine Begegnung mit Gott zum Wendepunkt des Lebens wurde. Veränderungen sind möglich und Gott gibt niemanden auf. In welchem Bereich deines Lebens wünschst du dir eine solche Begegnung, Veränderung oder Rettung?
Wann und bei welchen Lebensereignissen hast du etwas von Gottes Existenz und seiner Sehnsucht nach dir gespürt?
„Gott sucht nach dir!“ Was löst dieser Satz in dir aus? Wie denkst du darüber?
Wie stellst du dir vor, den Glauben an Gott zu finden und zu leben?
Mit welcher Strategie bist du den Schwierigkeiten deines Lebens bisher begegnet? Und würdest du Gott zutrauen, dass er dich in deinem Leben führen und segnen kann? Was bedeutet für dich der Zusammenhang von Glaube, Erfahrung und Erkenntnis?
Praktisch glauben: Denn der Glaube zeigt sich im Leben und in unserem Handeln.
Gott rettet aus der Sklaverei und sehnt sich nach Gerechtigkeit. Wo kannst du dich dafür einsetzen, dass Menschen befreit werden, und wo können wir für Gerechtigkeit kämpfen? (Lesetipp: Jesaja 58, Verse 1 – 11)
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