Blutiges Automatengeld
oder
Neid, Gier, Tod
Kriminalroman
von
Hajo Heider
Copyright: © 2020 Hajo Heider
published by: epubli GmbH, Berlin
www.epubli.de
ISBN:
Umschlaggestaltung
I. Heider
Vorbemerkung:
Dieser Roman ist ein Roman, und wie bei jedem Kriminalroman zeigt sich der Schluss erst am Ende.
Göppingen in den Neunzigern. Die Sprengung von Geldautomaten hält Stadt und Land in Atem. Was mit einer Einzeltat begann, wird bald zu einer Anschlagsserie zweier Gruppierungen. Dies wird der erste Fall für die neu gebildete Ermittlergruppe um KHK Elisabeth Schnürle mit KK Bramerthal und KK Schroth.
Beim ersten Automaten wird eine Tätergruppe von bulgarischen Roma vermutet. Die zweiten Täter sind vermutlich Einheimische, bei denen Insiderwissen erkannt wird.
Die erste Gruppe gehört zu einer europaweit operierenden Organisation, die vom LKA überwacht wird. Diese Gruppe war bisher nur im Bereich Kleinkriminalität tätig.
KHK Schnürle erkennt das Potenzial für Nachahmer. Sie denkt sich eine Möglichkeit aus, um Trittbrettfahrer am Modus Operandi zu erkennen. Die erste Tätergruppe wird PROPAN genannt und die zweite BUTAN, entsprechend dem verwendeten Sprenggas.
Das LKA schickt KHK Messinger, der die Bande kennt, und dem es in Freiburg gelungen ist, an einem PKW der Bande einen Sender anzubringen.
Messinger fordert Bramerthal auf, beim LKA gegen PROPAN zu ermitteln. Die Entscheidung fürs LKA bedeutet einen schmerzlichen Einschnitt in seinem Privatleben. Messinger wird sein Mentor.
PROPAN verlagert die Aktivitäten in den Kreis Reutlingen. Es verdichtet sich die Vermutung, dass die Einkaufsnacht in der Outlet-Stadt Metzingen für einen lohnenden Schlag genutzt werden soll. Dadurch bietet sich den Ermittlern eine Chance zu proaktivem Handeln
.
KK Bramerthal trat vorsichtig an den glitzernden Glasteppich, sofern die Schuhgröße 48 vorsichtiges Auftreten erlaubt. Die Glasperlen waren in der Form eines aufgeklappten Fächers verstreut, der sich vom Automatenraum bis zum gegenüberliegenden Bürgersteig öffnete. Er betrachtete den Riss in der Hauswand, von der Türöffnung zum Fenstersims im ersten Stock. Die Führungsschienen der doppelten Schiebetür ragten aus der Wand, zu gewaltigen Haken verbogen. Mitten auf der Straße lag die gekrümmte Vorderfront eines Geldautomaten, daneben fünf leere Geldschubladen.
Die Stirn des Kommissars kräuselten Zornfalten. Jetzt bemerkte er KHK Schnürle, seine Chefin. Eine grüne Seidenbluse hing bis zur Hüfte über zerknitterte Jeans. Entweder zeigte sie die neueste Mode, oder eine Nacht der besonderen Art war vor dem lustvollen Finale unterbrochen worden. Ihren Kopf schmückte eine dunkelrote Strickmütze mit der Form einer Bettpfanne, unter der ihr Haar irgendwie verteilt war. Sie hoben gleichzeitig die Hände zum Gruß. In gleicher Weise grüßte er die Kollegen der SpuSi, weiße faserarme Anzüge. Er machte einen Rundblick, weil er seinen Kollegen Axel Schroth begrüßen wollte.
KHK Schnürle winkte ihn zu sich. Sie sprach mit einem älteren Mann im grünen Bademantel. Er zeigte zur Wand seines Hauses. Bramerthal schaute zum ersten Stock hoch. Licht strahlte aus faustgroßen Löchern im Rollladen. Schnürle machte Fotos.
„Sieht brutal aus“, sagte Bramerthal. „Wer kommt auf die Idee, einen Geldautomaten auszurauben?“
„Das waren Zigeuner!“, sagte eine aggressive Stimme in seinem Rücken.
Bramerthal betrachtete den blonden Stiernacken und fragte: „Sind Sie ein Augenzeuge und Kenner von Ethnien?“
„So viel habe ich erkannt.“
Schnürle sprach weiter mit dem Mann im grünen Bademantel, aber ein Ohr war bei ihrem Mitarbeiter, der den jungen Mann befragte.
Bramerthal klang bemüht: „Wo standen Sie, als Sie den Vorfall bemerkten?“
Der Zeuge zeigte dort hin, wo Bramerthals Wagen stand.
„Ich rauchte meine Abendzigarette, da sah ich den dunklen Mercedes, aus dem zwei dunkle Gestalten stiegen.“
„Können Sie uns helfen, Phantombilder zu erstellen?“
„Die trugen schwarze Strümpfe über dem Kopf.“
„Unter Strumpfmasken erkennen Sie …?“ Bramerthal rang um Fassung. „Ich kann auf die kurze Distanz nicht erkennen, welcher Ethnie Sie angehören.“
Der Zeuge stolperte zurück, wie vor die Brust gestoßen.
„Ich werde Ihre Personendaten aufnehmen.“
Der Zeuge reichte einen Ausweis.
„Deutsches Reich?“, las Bramerthal. „Sie sind kein Bürger der Bundesrepublik? Zeigen Sie Ihre Aufenthaltserlaubnis.“
„Wollen Sie mich verarschen?“
„Ich vermute, sie sind illegal eingereist. Ich nehme Sie fest, zur Feststellung ihrer Identität.“
Der Mann hatte keine Chance. Sein rechter Arm war mit dem Vorfahrtsschild mittels einer stählernen Handfessel verbunden.
„Fluchtgefahr“, erklärte Bramerthal und ging zum Automatenraum.
Einige Minuten später fragte Schnürle nach den Personalien des Stiernackens. Sie ließ sich den Führerschein zeigen. Bramerthal näherte sich auf ein paar Meter.
„Sie wissen, unter den gegebenen Umständen könnte ich einen Durchsuchungsbeschluss für Ihre Wohnung erwirken? Sie wissen hoffentlich auch, wie unangemessen Ihr Ton war.“
Der Mann knurrte mürrisch.
Sie öffnete die Handfessel.
„Wie kommen Sie auf die Vermutung, es handle sich um Roma?“
„Der Mercedes, mit bulgarischem Kennzeichen, fuhr an meinem Haus vorbei, als ich am Briefkasten stand.“
Der Mann verschwand in dem von ihm gezeigten Haus.
Bramerthal betrachtete sie erwartungsvoll.
„Ein sogenannter Reichsbürger, eine neue Spezies der Unzufriedenen“, sagte sie. „Die wollen unseren Schutz, sei es durch Polizei, Feuerwehr oder Gesundheitswesen, aber …“
„Auf der Straße liegt ein neues Geschäftsmodell“, unterbrach er sie.
„Was hat Sie so erbost?“, wollte sie wissen.
„Er sagte Zigeuner, er ist ein Rassist, und ich mag keine Rassisten.“
„Glauben Sie, er wäre weniger Rassist, wenn er Roma gesagt hätte? Das Wort Zigeuner ist keine Beleidigung. Andererseits bedeutet Rom Mensch. Wäre die Täterbeschreibung, das waren Menschen, für Sie akzeptabler? Wir sind Menschen, also sind wir Roma.“
Sie lachte über sein entsetztes Gesicht.
„Es war der widerliche Ton.“
„Unabhängig vom Ton frage ich Sie: Erkennt man einen maskierten Zigeuner am Kfz-Kennzeichen? Die Zeugenaussage ist unbrauchbar.“
Bramerthal wandte sich nachdenklich ab.
„Ich rechne in nächster Zeit mit Nachahmern. Kollege, Sie müssen gelassener werden.“
Auf der anderen Seite des Glasteppichs rief eine ältere Frau: „Über dem Automatenraum ist die Wohnung von Frau Tschech. Der Riss geht durch ihr Schlafzimmer. Ich habe die Feuerwehr alarmiert.“
„Gut gemacht“, lobte Schnürle.
Der Kollege im Automatenraum zeigte zum handbreiten Riss über seinem Kopf. Eine alte verängstigte Frauenstimme rief um Hilfe.
„Frau Tschech“, rief Bramerthal nach oben. „Rettungsdienst und Feuerwehr sind alarmiert. Ich höre bereits das Martinshorn. Können Sie den Rettungskräften die Tür öffnen?“
„Ich versuch‘s“, sagte sie.
Bramerthal sah zur bewegten Decke.
„Raus“, rief er und sprang mit einem Satz aus dem Automatenraum.
„Bleiben Sie im Bett, der Rettungsdienst wird das machen.“
Er rannte zur Feuerwehr, um die kritische Situation zu melden.
Abseitige Glasperlen knarrten unter Bramerthals Ledersohlen. Um die Geldschubladen war die Strahlenordnung der Perlen gestört, mehr konnte er nicht feststellen. Er ging zu Schnürle, die dem Mann am Gartentor lauschte.
„Gewöhnlich gehe ich um Mitternacht ins Bett.“ Er schnappte nach Luft und sprach weiter. „Ich putzte meine Zähne, da erschreckte mich der Knall, zwei Schläge. Die Straße funkelte durch ein Loch im Rollladen. Ein Mann hockte im Glas und sammelte etwas ein, das er in einen Rucksack stopfte. Geld war‘s. Eine zweite Person half ihm. Sie rannten an der Sparkasse vorbei nach hinten.“ Er zeigte die Fluchtrichtung. „Ich rief sofort die Polizei an.“
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