Jakob Matthiessen
Tod oder Taufe – Die Kreuzfahrer am Rhein
Historischer Roman
Alle Seitenangaben in diesem Buch beziehen sich auf die gedruckte Ausgabe.
Immer informiert
Spannung pur – mit unserem Newsletter informieren wir Sie
regelmäßig über Wissenswertes aus unserer Bücherwelt.
Gefällt mir!
Facebook: @Gmeiner.Verlag
Instagram: @gmeinerverlag
Twitter: @GmeinerVerlag
Besuchen Sie uns im Internet:
www.gmeiner-verlag.de
© 2021 – Gmeiner-Verlag GmbH
Im Ehnried 5, 88605 Meßkirch
Telefon 0 75 75 / 20 95 - 0
info@gmeiner-verlag.de
Alle Rechte vorbehalten
Lektorat: Daniel Abt
Herstellung/E-Book: Mirjam Hecht
Umschlaggestaltung: U.O.R.G. Lutz Eberle, Stuttgart
unter Verwendung eines Bildes von: © https://commons.wikimedia.org/wiki/File:SiegeofAntioch.jpeg
ISBN 978-3-8392-6992-3
Zum Gedenken an die Opfer
christlicher Judenfeindschaft,
gewidmet all denjenigen, die sich für die Stärkung
des jüdischen Lebens in Europa einsetzen.
Tausendfünfundneunzig Jahre nach der Geburt des Herrn erging der Ruf des Papstes Urban II. an die Christenheit, das Gelobte Land müsse den Heiden entrissen werden. Nie verwelkender Ruhm und unendliche Freuden im Himmelreich erwarteten jeden, der diesem Ruf Folge leiste. Gott will es!
Mächtige und Habenichtse, Suchende und Skrupellose, Abenteurer und Vogelfreie machten sich auf zur heiligen Stadt Jerusalem. Pilgerströme formten sich zu Heeren. Getrieben von Armut, Heilsverlangen, Gier und Ruhmessucht zogen sie durchs Frankenreich.
Aber warum in der Ferne kämpfen, wenn hier unter ihnen ein Volk von Ungläubigen seine schändlichen Bräuche ganz ungehemmt betreiben darf?, fragten sich die bewaffneten Horden. Und auch auf gute Beute hofften sie in den Bischofsstädten Speyer, Worms und Mainz, in denen sich das Volk der Gottesmörder – wie es von ihnen genannt wurde – niedergelassen hatte. Denn nicht wenige der Juden waren tüchtig und erfolgreich, und einige von ihnen hatten es zu beträchtlichem Wohlstand gebracht.
*
Warum verdunkelte sich nicht auch da der Himmel, warum zogen die Sterne ihren Lichtglanz nicht ein, und Sonne und Mond, warum verfinsterten sie sich nicht an ihrem Gewölbe, als an einem Tage, am dritten des Siwan, tausendeinhundert heilige Personen ermordet und hingeschlachtet wurden, so viel Kleine und Säuglinge, die noch nicht gefrevelt und gesündigt hatten, so viele arme unschuldige Seelen! – Willst Du hierbei an Dich halten, Ewiger? Denn für Dich ließen die Personen ohne Zahl sich umbringen.
Salomo bar Simson, ein Chronist der Verfolgungen
Historische Personen sind mit einem * gekennzeichnet.
*
Aus der jüdischen Gemeinde von Mainz:
Chaim, Rabbi und Glasmacher, Mitglied des Judenrates
Jehudith, Chaims Frau
David, Jehudiths und Chaims ältester Sohn
Hannah und Benjamin, Jehudiths und Chaims kleinere Kinder
Mosche*, Chaims älterer Kollege, ebenfalls Mitglied des Judenrates
Kalonymos ben Meschullam*, Vorsteher des Judenrates
Schmuel Hendlein, Kaufmann, Mitglied des Judenrates
Salomo, geschätzter Arzt und Mitglied des Judenrates
Zacharias, Trödel- und Kleinhändler
Rachel*, seine Frau
Aaron, Isaak, Orli und Bela, Rachels und Zacharias’ Kinder
Sarah, Jehudiths Schwester
Doron, Sarahs Bräutigam
Dov, Jehudiths Vater
Elischewa, Rachels Freundin
Erez, Jonah und Ethan, Jehudiths Brüder
*
In der Bischofspfalz:
Raimund, Domdekan
Bischof Ruthard*, Erzbischof von Mainz, gleichzeitig Stadtherr von Mainz und Erzkanzler des Heiligen Römischen Reiches
Manfried, Dompropst, Stellvertreter des Bischofs
Bruder Anselm, zuständig für die Verpflegung und Unterbringung der bischöflichen Gäste
Hauptmann Hadewin, Befehlshaber der Wache der Bischofspfalz
Irmgard, verantwortlich für die Näherinnen in der Pfalz
*
Im Heer der Kreuzfahrer:
Rotkutte, Priester
Peter, Bauernjunge aus der Nähe von Gerstendorf
Emicho von Flonheim*, Führer des Kreuzfahrerheers vor Mainz
Christain, Peters neuer Freund
Jutta, Hübschlerin
Roland, Fähnrich im Heer der Leininger
Veit, Hauptmann im Heer der Leininger
Wolf, Soldat im Dienste Emichos
*
In und um Mainz:
Ida, Bäckerstochter, Davids gute Freundin
Brose, Scharfrichter von Mainz
Gottfried, Idas Vater, Bäckermeister
Utz, einfacher Bauer
Veronika, Idas Mutter, Gottfrieds Frau
Hermann von Erkenbald, Vogt der Stadt Mainz
Wendel, Schuster
Meister Wernhart, Zimmermann
Bernhard, Peters jüngerer Bruder
Mathilde, Peters jüngere Schwester
Prolog
Dienstag, der 27. Mai Anno Domini 1096 / 3. Siwan 4856
Mainz – Bischofspfalz, in der Johanniskirche
Der Lappen in seinem Mund schmeckte fischig. Mit Mühe konnte er dem Würgereiz widerstehen, den der Knebel in ihm auslöste. Der Strick schnitt sich tief in seine Handgelenke, die man ihm hinter dem Rücken zusammengebunden hatte. Seine Finger waren inzwischen taub.
Rabbi Chaim stand in einer langen Reihe vor dem Altarkreuz. Diejenigen, die es noch in die Bischofspfalz geschafft und am heutigen Tag nicht den Tod gefunden hatten, warteten auf das nun Unvermeidliche.
Chaim wandte sich um. Dies war also der Rest seiner einst so blühenden Gemeinde. Die meisten der Seinen senkten die Köpfe voller Scham, vereinzelt gewahrte Chaim Blicke des Vorwurfs. Rachel, ihr blitzte der Zorn aus den Augen. Sie war bereit gewesen zum Kiddusch ha-Schem, dem höchsten Opfer zur Heiligung Seines Namens.
Chaim war es nur recht, dass auch ihr der Mund verschlossen war. Er wollte Rachels Beschimpfungen jetzt nicht hören, dafür war später Zeit genug. Aber viele in seiner Gemeinde empfanden Erleichterung. Das hatte er gespürt, selbst wenn die Wenigsten dies zugeben würden. Darauf ließe sich aufbauen. Darauf setzte Chaim all seine Hoffnung.
Er rieb seine gebundenen Hände gegeneinander, damit er sie wieder spüren konnte. Sie blieben jedoch taub. Chaim drehte seinen Kopf nach rechts. Jehudith hockte mit ein paar der Ihren gefesselt an der Wand unter dem Kreuz mit dem Gehängten. Ihr sonst so schönes, lockiges Haar war strähnig und zerzaust. Aber in ihrem Blick fühlte er auch jetzt die Wärme, die ihm in den letzten Tagen Kraft gegeben hatte.
Ach, Jehudith, meine geliebte Rose von Scharon. Du hast den schweren Gang schon hinter dir.
Chaim schloss die Augen. Nun war es an ihm.
Zwei Wachen zerrten ihn nach vorn. Die Beine drohten, ihm zu versagen, aber die beiden Hünen, die ihn fest unter den Armen packten, gaben Chaim Halt. Er spürte eine weite, schwammige Leere. Wie aus großer Ferne vernahm er die sanfte Stimme seines Freundes Raimund. »Glaubst du an Gott, den allmächtigen Vater?«
Читать дальше