1 ...7 8 9 11 12 13 ...21 Betty blickte sie abwechselnd mit bedeutungsschwerer Miene an und strich nervös die Falten ihres knappen Rockes glatt. Mo musste sich dabei zwingen, den Duft ihres verführerischen Parfums zu ignorieren und seinen Blick nicht von ihrer hübschen, cremefarbenen Kostümjacke hinunter zu ihren grazilen Knien und wohlgeformten, nackten Unterschenkeln wandern zu lassen. An diesem Tag wurde es für ihn höchste Zeit zu lernen, nicht mehr nur Bettys Schönheit zu sehen, sondern auch ihre Persönlichkeit ernst zu nehmen. Er beugte sich zu ihr über den Tisch und drang mit einem besonderen Interesse auf sie ein:
„Bevor wir uns mit der Ortung beschäftigen, sollten wir noch ein paar grundsätzliche Punkte klären. Was hat Ihnen Tim bezüglich seiner Nachforschungen über die Internetstörungen alles gesagt? Hat er Sie über die Arbeitsergebnisse auf dem Laufenden gehalten?“
„Nein, hat er nicht. Er sagte nur mehrfach, er hätte sich eine heiße Spur in Washington gekauft, und wenn er die zu barer Münze machen könnte, wäre er bald fein raus. Er dachte in letzter Zeit immer öfter an den Ruhestand. Wahrscheinlich wollte er mich mit seinem Erfolg beeindrucken und erst dann alles verraten, sobald er sich seiner Sache sicher genug ist. Ich weiß im Grunde nicht mehr, als dass es eben mit den Internetstörungen zusammenhängt. Er sprach von dem Fall seines Lebens und war regelrecht besessen davon!“
„Wollte er vielleicht einfach nur einen lohnenden Handel mit Informationen betreiben und hatte gar nicht den Ehrgeiz, die Sache selber aufzuklären? Schließlich ist das Ganze eine Nummer zu groß für nur einen einzigen Mann. Arbeitete er vielleicht mit irgendwem zusammen? Hatte er in Washington Kontakte zur Polizei, zum FBI oder sogar zur CIA? Oder bei wem sonst hat er seine Spur gekauft?“
Mo schien nun endgültig den sachlichen Ton eines Inspektors anzunehmen und hatte den Sinn für Bettys schöne Beine und ihr verführerisches Parfum vorübergehend verloren.
„Im Grunde kann ich auf Mutmaßungen auch nur mit Mutmaßungen reagieren. All das ist möglich oder eben auch nicht. Was die Frage nach seinen Kontakten zur Polizei oder den Geheimdiensten betrifft, so müssten eigentlich eher Sie als ich eine Antwort darauf finden. Soweit ich weiß, hatten Sie ja Tim durch ihre Kooperation mit dem NYPD kennen gelernt. Zumindest hier in New York hatte er schon immer eine Menge Kontakte zur Polizei und zum FBI.“
„Hat Tim sein Apartment in der City behalten, nachdem das Büro nach Brooklyn umgezogen ist? Wo wohnt er im Moment? Leben Sie mit ihm zusammen? Obwohl ich glaubte, ihn gut zu kennen, weiß ich inzwischen eigentlich erschreckend wenig über ihn!“
„Wie wir vorhin schon festgestellt haben, hat Tim eine besondere Beziehung zum Meer und aus genau dem Grund hat er sich vor zwei Jahren einen alten Traum erfüllt und sich für den Erlös seines Apartments ein Haus in Long Beach gekauft. Ich meine natürlich das Long Beach auf Long Beach Barrier Island und nicht das in Kalifornien. Ich bin nur manchmal an den Wochenenden bei ihm. Er ist sehr auf sich selbst bezogen, wissen Sie… er hält es nicht aus, ständig jemanden um sich herum zu haben. Sie sollten übrigens nicht denken, dass ich deswegen traurig bin…“
„Aber nein, Betty, das denke ich nicht. Vor allem möchte ich das ja auch gar nicht!“, verlor Mo vorübergehend seinen Ernst, um für einen Moment wieder an das ironische Flirten anzuknüpfen. „Wann waren Sie das letzte Mal in Tims Haus? Haben Sie dort irgendwelche Auffälligkeiten bemerkt? Spuren einer Durchsuchung oder sonst etwas?“, drang er dann weiter auf sie ein.
„Ich war erst gestern dort und konnte bisher nichts Auffälliges entdecken.“
„Und was ist mit seinen Emails und SMS? Kommen Sie in sein Postfach rein? Liegt vielleicht irgendwo ein zweites Handy herum?“
„Nein, sicher nicht. Tim ist in Sicherheitsfragen von Berufs wegen sehr genau und gründlich. Er lässt nicht einfach so Telefone irgendwo herumliegen oder schreibt das Passwort für sein Postfach auf den Memoblock, der in der Küche am Kühlschrank hängt. Er hat einige sehr ausgeklügelte Geheimhaltungsstrategien entwickelt, weil er durch seinen Job immer mit einer gewissen Paranoia zu kämpfen hat.“
„Dann hat er also auch Sie nicht in seine Geheimnisse eingeweiht?“
„Mir hat er prinzipiell immer nur das Nötigste mitgeteilt, das ich für meine Arbeit wissen muss. Auch von den wenigen Mitarbeitern, die uns hier in Brooklyn geblieben sind, weiß niemand über seine derzeitigen Aktivitäten Bescheid.
Er hat einen ausgeprägten Hang zu Misstrauen und Geheimnistuerei. Das Ortungssystem, das im Fall seines Verschwindens aktiviert werden soll, spiegelt dies sehr deutlich wider. Er hat die entsprechende Software vom FBI bekommen und den Zugang und die verschiedenen Funktionen durch ein verschachteltes Passwortsystem geschützt. Um Missbrauch zu verhindern, kann man genau nachverfolgen, wann, wie oft und von wem eine Ortung gestartet worden ist. Ich glaube, er wollte damit vor allem verhindern, dass ich ihm nachspioniere. Wer weiß, vielleicht hat es mit irgendwelchen Weibergeschichten zu tun…“
Als Mo bei dem Stichwort „Weibergeschichten“ gerade zu irgendeiner Bemerkung ansetzen wollte, schien sie dies mit einem viel sagenden Lächeln genau vorherzusehen und wehrte mit einer schnellen Handbewegung ab:
„Sparen Sie sich Ihre Kommentare, Morton. Sie sind doch ein intelligenter Mann und müssen nicht immer in die gleiche Kerbe hauen. Je mehr Sie das tun, umso eher werden Ihre Chancen bei mir sinken, als steigen.“
Die feine Ironie, mit der sie dies vorbrachte, zeigte nicht nur, wie abgebrüht die „kleine Betty“ über die Jahre geworden war, sondern brachte sie auch alle drei gemeinsam zum Lachen. Mo fühlte sich für einen Augenblick unterlegen und lenkte daher schnell wieder auf das eigentliche Thema zurück.
„Schön, dann sollten wir jetzt vielleicht endlich mal diese Software starten. Wenn ich alles recht verstanden habe, muss das möglichst noch heute geschehen, weil die Ortung nach drei Wochen erfolgen soll. Ich verstehe das zwar nicht, aber bitte, Tims irrationaler Hang zur Numerologie verlangt es nun einmal so.“
„So ist es. Es geht dabei etwas weniger um die Numerologie als um die Regel, dass die Ortung zur Wahrung von Tims Privatsphäre nicht zu früh gestartet werden soll. Es wird alles genau im System festgehalten und Tim wird später genau nachprüfen können, ob alles wie geplant abgelaufen ist. Ich habe bereits vor einer Woche, also am 14. Tag, eine Suche nach seinem Wagen gestartet, so wie es vorgesehen ist. Er ist in derselben Straße geparkt, in der sich das Hotel in Washington befindet, aus dem er mich zuletzt angerufen hat. Es handelt sich um einen schwarzen Range Rover, dessen Nummer ich ihnen noch aufschreiben werde. Ich habe bisher noch keine Maßnahmen getroffen, ihn untersuchen oder an einen anderen Ort bringen zu lassen.“
Betty erhob sich und forderte ihre beiden Besucher mit einem Handzeichen auf, ihr an den Computer zu folgen. Sie bauten sich rechts und links von ihr an dem Schreibtisch vor dem Bildschirm auf und Sie begann zu erklären:
„Sie sollten sich ansehen, was ich hier tue. Auf diese Weise werden Sie Tim später bestätigen können, dass alles ordnungsgemäß abgelaufen ist. Am Samstag vor drei Wochen habe ich die Software mit einem Masterpasswort gestartet. Bei der Gelegenheit wurde ein zweites Passwort generiert, das nach genau sieben Tagen gültig wurde. In derselben Art habe ich jede Woche ein neues Passwort erhalten, so dass ich heute das vierte und letzte eingebe.“
„Ich nehme an, die Ortung erfolgt per Chip und GPS-Signal?“, vermutete Jayden und beobachtete, wie sie ein kompliziertes Passwort aus Zahlen und Buchstaben von einem Zettel ablas und in den Computer eingab.
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