Benedikt Mitmannsgruber
Kommissar Wayna und der tote Blonde
Ein Krimi
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Inhaltsverzeichnis
Titel Benedikt Mitmannsgruber Kommissar Wayna und der tote Blonde Ein Krimi Dieses ebook wurde erstellt bei
Der tote Blonde
Peter unter der Erde
Karel, der Brückner
Auf der Suche nach R
Im Wirtshaus
Heiße Spur in der Sauna
Andreas Silberberger
Martin, der Jäger
Odyssee
Der Umweg nach Italien
Roadtrip
Am Ziel
Abwarten
Der Berg
Ende
Impressum neobooks
Ein anständiger Kerl war er, der Peter. Anders als die anderen. Ja, ein richtiger Lebemensch. Die Frauen hatte er gern, und sie ihn. Er ging seinen eigenen Weg, das auf alle Fälle. So war er schon als Bub. Als Dreijähriger spazierte er alleine ins Nachbardorf, das waren 75 Kilometer. Seine erste Reise. Viele sollten noch folgen. Peter wollte leben, er wollte frei sein. Die Menschen mochten ihn, auch im Dorf. Sogar der Herbert mochte ihn. Der Bürgermeister-Herbert, den im Dorf kaum einer mochte. Zu geldgierig, zu egoistisch. Das passte nicht, nicht in dieses Dorf. Akkusativ und Dativ waren seine Feinde, der Alkohol sein bester Freund.
Dann gab es da noch den Englisch-Lehrer, den Wayna. Der war geschieden, und das nicht nur einmal. Früher war er Maurer, viele Jahre lang. Er war Hilfsarbeiter, interviewte nebenbei für das Kirchenblatt. Doch das Schicksal wollte, dass der einzige Englisch-Lehrer im Dorf schwer erkrankte. Wayna bewarb sich als einziger, versteht sich. Wer will schon da her, in diesen Ort. Selten kamen Fremde vorbei, auch die Tierwelt machte einen großen Bogen um das Dorf. Wayna bekam die Stelle. In der Volksschule hatte er Englisch, ja. Mehr aber nicht. Hier reichte das. Ein schräger Vogel, war er. Aber der beste Freund vom Peter. Oft waren sie gemeinsam auf Reisen, man sah sie für Monate nicht. Sie besuchten entlegene Orte, kamen weit umher. Sie lernten völlig andere Kulturen kennen, zivilisierte Kulturen. Kaum einer der Einheimischen konnte glauben, woher die beiden Reisenden stammten. Keinem war bewusst, dass dort, wo sie lebten, in dieser tristen Einöde, menschliches Leben existierte. Die beiden erlebten viel zusammen, Wayna und Peter.
Meistens waren sie zu dritt, mit einem Transvestiten. Das war Helge. Oder Helga. Keiner wusste das so genau. Er war Tänzer in einer Bar. Oder besser gesagt im einzigen Wirtshaus im Dorf. „Zum angsoffenen Heribert“ hieß das. Der Wirt war der Bürgermeister. Das Wirtshaus hatte nur Donnerstagvormittag offen. Helge tanzte für die Stühle, auch für die Tische. Manchmal fiel einer um - das war seine größte Anerkennung. Wayna und Peter kannten Helge noch nicht lange. Er war aus der großen Stadt hergezogen. Zudem war er anders, sehr anders. Er sah sich selbst als Frau. Sein Name eigentlich auch, aber der Körper war der eines Mannes. Sehr muskulös, einfach maskulin. Trotzt alledem war er die schönste „Frau“ im Dorf, und das mit Abstand. Helge lebte eher zurückgezogen - Kontakt hatte er nur mit Wayna und Peter. Aber auch sie wussten nicht viel über ihn. Wayna war sogar kurz verliebt in Helge, aber das war nicht von langer Dauer. Die Beziehung hatte keine Zukunft. Nicht an diesem Ort, nicht zu dieser Zeit.
Und dann gab es noch den Tod. Der kam und ging. Er holte die Bewohner in unregelmäßigen Abständen. Er war fester Bestandteil. Jeder wusste, dass es ihn gab. Doch nicht in dieser Brutalität, nicht in dieser gnadenlosen Härte. Meist lockte er die Alten, selten die Jungen. Dieses Mal holte er Peter. Er holte ihn in seinem 29. Lebensjahr. Die beste Zeit noch vor sich. Gott rief ihn zu sich, der Tod erledigte den Rest. Der Tod war jedoch nicht natürlich, er war gewaltsam. Er war brutal, kalt und ohne jede Würde. Es war Mord. Peter wurde erschlagen. Er lag da, in einem wunderschönen Keltenkleid. Doch rund um ihn war Blut, sein Blut. Kein Leben mehr in ihm, kein Leben mehr um ihn.
Die Glocken ertönten, das Dorf versammelte sich. Alle schwarz gekleidet, alle in tiefer Trauer. Peter war tot. Keiner wollte es wahrhaben, am wenigsten Wayna und Helge. Eng umschlungen standen sie vor dem Altar, beteten gen Himmel. Vor ihnen der Sarg, in ihm ihr bester Freund. Warum Peter? Warum so früh? Sie konnten keinen klaren Gedanken fassen, zu überwältigend war die Trauer. Die Menschen bekreuzigten sich, der Pfarrer ergriff das Wort. Der alte Josef, der „Hicke“, wie man ihn im Dorf nannte. Er war steinalt. Einige sahen in ihm sogar den letzten Überlebenden der 12 Apostel. So gab er sich auch - streng konservativ und erzkatholisch. Die Kinder fürchteten ihn, vor allem aber die Beichte. Mit zitternden Knien saßen sie ihm im Beichtstuhl gegenüber, offenbarten ihre Sünden. Dieser Tortur waren auch Peter und Wayna ausgesetzt, früher in der Volksschule. Einmal beichteten sie, sie hätten ihren Hund erwürgt und ihre Eltern im Keller angekettet und eingesperrt. Danach war das Verhältnis zum Josef angespannt, dauerhaft. Daher wunderte es auch jeden, dass sich der Josef überreden ließ, die Messe für Peter abzuhalten.
Es wurde kein Rachefeldzug, nein. Im Gegenteil. Hochwürden predigte sehr sachlich, nahezu freundschaftlich. Zuerst der Lebenslauf. Dazwischen einige „ähs“ und „ähms“. Das war der Hicke. Er schaffte es, einen Satz so in die Länge zu ziehen, dass dieser oft einen ganzen Tag andauerte. Der Rekord lag bei 43 Stunden. Ein Zitat aus der Bibel, dazwischen etliche christliche „ähs“ und „ohs“ und „ähms“. Die Messe dauerte an. Einige Fürbitten, einige teils sehr emotionale Trauerreden. Und dann der Bürgermeister, es war seine Pflicht, einige Worte an die Gemeinde zu richten. „Dem Peter war ein gutem Mensch. Ich hab ihm gut gekannt. Schon seitden er einem Kind ist, oder war, oder ist, oder lassen wir das. Es tut weh, Abschied zum nehmen“. Das war alles, was er von sich gab. Danach fiel er um, prallte mit dem Kopf gegen den Altar. Der Gurktaler-Schnaps fiel aus seiner Jackentasche und kullerte vor den Pfarrer. Erschrocken trat er das Teufelsgetränk zur Seite, traf dabei jedoch die Gruber-Oma, und zwar mitten ins Gesicht. Jedem stockte der Atem. Plötzlich erhob sich der kleine Oli und schrie lauthals „Abseits, Abseits. Bist du blind, Schiri?“. Die Situation schien zu eskalieren, doch als der Pfarrer das „Vater unser“ anstimmte, beruhigten sich alle wieder. Bedingt, das „Vater unser“ war den Dorfbewohnern heilig, jeder kannte es in und auswendig. Sogar Helge, der nicht an Gott glaubte.
Vorne lag Peter leblos. In diesem viel zu engen Holzsarg. Den hatten Wayna und Helge im Nachbarort gekauft, bei den Katzen. Nicht bei den Tieren, nein, eine Familie hieß so. Der Sohn führte das Geschäft, nachdem der Vater vor einigen Jahren nach Mexiko durchgebrannt war. Der Markus war ein „Grader Michl“, wie man im Waldviertel so schön sagt. Das Gesicht eines Hamsters, aber das Herz eines Löwen. Er bot den Freunden den schönsten Sarg an, den er auf Lager hatte. Selbst geschnitzt. Darin lag er nun, der Peter. Und er hatte nichts davon.
Die Messe war vorbei, der Friedhof wartete. Düster war er an diesem Tag, nahezu unheimlich. Das Grab vom Peter war bereit, bereit für ihn. Es wurde sorgfältig ausgesucht, die beiden waren ja förmlich verdammt dazu, eine lange Zeit gemeinsam zu verbringen. Es lag eher am Rand, neben dem alten Huber-Opa. Alle versammelten sich wieder, rund um das Grab. Tränen flossen, Worte fielen, Taschentücher wurden hervorgeholt. Langsam und bedächtig wurde der Sarg hinabgelassen, Peter entschwand.
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