1 ...8 9 10 12 13 14 ...21 „Richtig, es ist sehr simpel, es funktioniert im Grunde nicht anders als ein x-beliebiges Navigationsgerät. All unsere Mitarbeiter werden mit mehreren Chips ausgestattet. Tim und ich tragen zusätzlich noch einen Chip unter der Haut direkt am Körper.“
Sie klickte die Schaltfläche „Ortung starten“ an, woraufhin ein leerer, weißer Balken erschien, der den Fortschritt des Ortungsprozesses in blauer Farbe anzeigte. Derweil erläuterte sie:
„Ein Chip ist im Wagen, ein weiterer in der Armbanduhr, der dritte in der Kleidung und der vierte direkt am Körper. Es macht Sinn das Signal von allen Chips abzurufen, weil die Ortung dadurch natürlich viel exakter wird. Falls sie sich an verschiedenen Orten befinden sollten, lässt das einige Schlüsse zu. Im Moment orte ich die Armbanduhr.“
Nach einer Weile hatte sich der Balken endgültig gefüllt und direkt darauf wurde in fetter schwarzer Schrift ein Längen- und Breitengrad angezeigt. Wenig später tat sich eine Satellitenansicht der Erde auf. Nachdem Betty die Vergrößerungsfunktion betätigt hatte, waren die Umrisse einer kleinen, karabinerhakenförmigen Inselgruppe mitten im Ozean zu erkennen, die sich schließlich als die Bermudasinseln entpuppten. Obwohl die Bermudas auf der Höhe Georgias rund 800 Meilen östlich der nordamerikanischen Küste völlig einsam im Atlantik lagen, schien die schöne Detektivin das Ergebnis der Ortung nicht sonderlich zu erstaunen. Sie betätigte den Zoom erneut, wodurch ein Straßenname in der Hauptstadt Hamilton auf der Hauptinsel Grand Bermuda sichtbar wurde.
„Der exakte Ortungspunkt wird sich womöglich als ein Hotel in Hamilton erweisen, in dessen Restaurant Tim gerade gemütlich beim Mittagessen sitzt. Es würde mich nicht wunden, wenn sich am Ende herausstellen sollte, dass er da draußen bloß Urlaub mit irgendeinem leichten Mädchen macht!“
„Es läge nah, anlässlich dieser Bemerkung einen Witz zu reißen, aber ich werde es mir verkneifen. Sie sagten ja, ich sollte nicht immer in dieselbe Kerbe hauen“, feixte Mo und strengte sich sichtlich an, seine Zunge in Zaum zu halten. Betty hörte kaum hin, da sie voller Spannung darauf konzentriert war, die Ortung des nächsten Chips zu starten.
Als nach einer schier endlos scheinenden Minute ein neuer Längen- und Breitengrad angezeigt wurde und die Satellitenansicht mit einem Ruck von den Bermudasinseln abschwenkte und in süd-süd-westlicher Richtung von ihnen einen neuen Punkt mitten im Ozean ins Visier nahm, war der Raum von einer angespannten Stille erfüllt. Betty zoomte den Punkt immer weiter heran, aber weil sich trotz ihrer verzweifelten Suche nirgendwo ein Stück Land zeigen wollte, rief sie nervös aus:
„Entweder befindet er sich auf einem Schiff, auf irgendeiner winzigen, unverzeichneten Insel oder auf einer Ölbohrplattform oder so etwas!“
„Sieht fast so aus, als wäre der gute, alte Tim im Bermudadreieck verschollen…“, murmelte Mo bedeutungsschwer und stieß einen leisen Pfiff durch die Zähne aus.
Tatsächlich befanden sich die angezeigten Koordinaten genau in dem bekannten Seegebiet, das in dem Dreieck zwischen Bermuda, Puerto Rico und dem südlichen Zipfel Floridas lag und in dem überdurchschnittlich häufig Flugzeuge und Schiffe verunglückten oder verschwanden. Dabei sah es auf den ersten Blick nicht so aus, als ob der betreffende Punkt viel mehr als 50 bis 100 Meilen von den Bermudas entfernt war.
„Bevor wir uns vorschnellen Vermutungen hingeben, werde ich jetzt den letzten Chip anpeilen. Es würde mich nicht wundern, wenn dadurch nochmals alles in einem anderen Licht erscheint“, kündigte Betty an und startete die Ortung des Chips, den Tim direkt unter der Haut an seinem Körper trug. Sie beobachteten abermals voller Spannung, wie die Satellitenansicht wieder einen Schwenk machte und dieses Mal einen Punkt anzeigte, der etwa 100 Meilen nördlich von Bermuda im Ozean lag.
„Sie können bei dieser Gelegenheit beweisen, ob Sie wirklich die Gabe der höheren Ahnung haben, Morton. Was hat das Ihrer Meinung nach zu bedeuten? Vielleicht muss es ja gar nichts Schlimmes sein, was meinen Sie?“
Mo beugte sich zu ihr hin und nahm ihr die Computermaus aus der Hand. Obwohl man nicht mehr als eine einzige blaue Fläche sah, zoomte er den Punkt noch weiter heran. Als dadurch weitere Dezimalstellen hinter den Kommata der Längen- und Breitengrade sichtbar wurden, stellte er wie erwartet fest, dass diese sich langsam veränderten.
„Man braucht zum Glück noch nicht gleich die Gabe der höheren Ahnung anzustrengen, um ein paar einfache Vermutungen anzustellen. Es liegt nahe, dass Tim nach Washington fuhr, um sich weitere Informationen vor Ort zu besorgen. Wahrscheinlich verfügte er über Kontakte zu FBI- und CIA-Agenten oder zu sonstigen Informanten. Danach flog er aus einem Grund, der mit den neuen Informationen zusammenhing, nach Bermuda. Entweder vergaß er dort seine Armbanduhr im Hotel oder er ließ sie absichtlich liegen. Vielleicht ahnte er zu diesem Zeitpunkt bereits die Gefahr und legte vorsorglich eine Spur für Sie, Betty.
Da die Koordinaten seines Körperchips sich langsam verändern und damit eine Bewegung anzeigen, wird er sich auf einem Schiff befinden. Dies lässt mehrere Schlüsse zu. Wahrscheinlich hatte er ein ganz bestimmtes Ziel und stach von Bermuda aus mit einem Boot in See. Unterwegs verlor er aus irgendeinem Grund das Kleidungsstück mit dem Chip oder warf es absichtlich ins Meer. In diesem Fall könnte er sich noch immer auf dem ursprünglichen Boot befinden und sich inzwischen in nördlicher Richtung fortbewegen. Eine andere Möglichkeit wäre, dass er unterwegs Schiffbruch erlitt, sich des Kleidungsstückes mit dem Chip notgedrungen im Meer entledigte und später von einem anderen Schiff gerettet wurde.
Ich selber würde allerdings folgende Variante favorisieren: Tims Ziel war ein anderes Schiff. Als er es erreichte, enterte er es heimlich und ließ den Chip auf seinem eigenen Boot zurück, um eine Spur für Sie zu legen, Betty - genau wie schon mit der Armbanduhr!“
„Das klingt alles recht einleuchtend. Allerdings muss es sich ja nicht unbedingt um ein Schiff handeln, sondern es könnte auch ein Flugzeug oder Hubschrauber sein“, wandte Jayden ein. „Können Sie die Veränderung der Koordinaten in Geschwindigkeit umrechnen, Betty? Das müsste doch sicher möglich sein!“
Bettys Antwort bestand darin, sich sofort auf die Suche nach der entsprechenden Software zu machen und sie zu starten.
„Leider können wir nicht ausschließen, dass Tim längst tot ist. Vielleicht hat er tatsächlich Schiffbruch erlitten und seine Leiche wurde von einem Schiff geborgen, das jetzt auf dem Weg nach Kanada ist. Das könnte jedenfalls eine Erklärung dafür sein, warum ein Kleidungsstück von ihm im Atlantik treibt“, brachte Jayden einen Gedanken zur Sprache, der bei Betty sofort auf heftigen Widerstand stieß.
„Ein Schiffsunglück mit einem Toten wäre längst gemeldet worden. Man hätte ihn inzwischen sicher identifiziert und uns informiert! Der Körperchip verfügt übrigens über eine zusätzliche Funktion, durch die sich die Frage von Leben oder Tod mit ziemlicher Sicherheit beantworten lässt. Er kann nämlich die Körpertemperatur messen und übermitteln!“
Als sie den entsprechenden Vorgang bereits starten wollte, bemerkte sie, dass inzwischen der Wert für die Geschwindigkeit angezeigt wurde, und rief voller Freude aus:
„Tim bewegt sich zurzeit mit etwa 18 Meilen fort! Das müssten so um die 16 Knoten sein! Wenn es nicht gerade ein U-Boot ist, kann es eigentlich nur ein ganz stinknormales Schiff sein!“
„Es müsste schon ein größerer Dampfer oder Frachter sein, ansonsten könnte es sich bei dieser Position auf hoher See und bei dieser hohen Geschwindigkeit nur um eine schnelle Hochseeyacht, einen Fischtrawler oder so etwas in der Art handeln“, mutmaßte Mo und ahnte zu diesem Zeitpunkt noch nicht, dass er ausgerechnet mit der Vermutung richtig liegen sollte, die er für die Unwahrscheinlichste hielt.
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