Mittlerweile war es schon September und sie wollten nicht länger warten. Es mussten, wie es in unserem Land üblich ist, unzählige Genehmigungen eingeholt werden. Unter anderem wurden auch Nutzungsänderungen beantragt, da die Gastronomie dann nur noch einen kleinen Teil des Hauses einnehmen würde. Mit den beiden Besitzern waren die drei Schwestern beim Notar gewesen. Es war ein Testament verfasst worden, sodass Evi, Gigi und Andri das gesamte Anwesen, nach dem Ableben des letzten Besitzers. erben würden. Der Kassensturz ergab nun ein Barvermögen von insgesamt 80 000 €. Das musste wenigstens für das Nötigste ausreichen. Da ihnen aber bis zur Fertigstellung die Pacht erlassen wurde, sollte das gelingen. Eine der Schwestern hatte wohl gegenüber ihrem Partner nicht dicht gehalten. Jedenfalls wurden sie mit Nachrichten bombardiert und es wurde ihnen klar gemacht, dass sie von deren Seite keine Hilfe zu erwarten hatten. Keine der Schwestern hätte ihren Mann je um Hilfe gebeten. Zum Glück wussten diese nicht, wo ihre Frauen untergekommen waren. Die Suppe, die die Schwestern sich eingebrockt hatten, mussten sie nun auch alleine auslöffeln. Das letzte Abenteuer ihres Lebens sollte die Schwestern bis an den Rand ihrer körperlichen und nervlichen Kräfte bringen. Mitte Dezember hatten sie alle Genehmigungen beisammen. Der folgende Winter war glücklicher Weise mild. Nach dem ersten Weihnachtsfest und dem Jahreswechsel ohne Familien, was alle drei seltsamer Weise sehr genossen hatten, musste zuerst einmal Bestandsaufnahme in der Pension gemacht werden. Die Besitzer hatten zugestimmt, dass die Möbel, das Geschirr und was sonst keine Verwendung mehr finden sollte verkauft und für die Renovierungsarbeiten verwendet werden durfte. Die beiden Alten hatte der Himmel geschickt. Gigi war die erste der Schwestern, die ihre Behelfsunterkunft bei Meggy verließ und in das knapp 50km entfernte, neue Zuhause zog. Sie musste ja nicht mehr jeden Morgen zur Arbeit. Die Internetverbindung funktionierte und sie begann, die nicht mehr zu gebrauchenden Möbel über Ebay zu versteigern. An den Wochenenden verpackten Evi und Andri die Sachen, die klein genug waren um per Paket verschickt werden zu können. Gigi wickelte den Zahlungsverkehr und den E-Mailverkehr mit den Käufern ab. Die Pakete brachte sie anschließend mit ihrem Auto zur Post. Die großen Möbelstücke wurden fast vollständig von einem Käufer abgeholt, der eine Pension im Retrostil eröffnen wollte. Er war glücklich über so viele schöne alte Stücke. Alles in allem brachte die Aktion unglaubliche 25 000 € in die Kasse. Anfang März konnten sie endlich mit den Arbeiten beginnen. Andri hatte die Scheidung eingereicht und einen neuen Job, in einem kleinen Kindergarten in der Nähe des Hauses, gefunden. Evi baute sich einen neuen Kundenkreis in der Nähe auf. Alte Menschen, die Hilfe brauchten und die sie betreute gab es überall. So konnten die beiden jetzt auch nach Feierabend auf der "Baustelle" mitarbeiten. Es wurde zunächst der eine Gastraum neben der Küche als provisorisches Schlafzimmer für die drei eingerichtet. Da die Räume jetzt nahezu frei von Möbeln waren, kamen alle versteckten Mängel zum Vorschein und das waren nicht wenige. So langsam bekamen sie Zweifel, ob sie bis zum kommenden Sommer fertig werden würden. Das Wetter meinte es weiterhin gut mit ihnen. Ab Mitte März gingen die Temperaturen auf 20 Grad hoch. Sie hatten einen Baumarkt in der Nähe gefunden, in dem sie alles für ihre Renovierungsarbeiten kaufen konnten. Teile, die zu groß für Gigis Van waren, wurden geliefert. Den Rest bestellten sie über das Internet. Gigi, die den ganzen Tag im Haus arbeiten konnte, besorgte vormittags das Material und begann die alten Wandbeläge zu entfernen. Einer der Bungalows, Andris geplantes Kinderreich, wurde zuerst in Angriff genommen. Er bestand aus insgesamt 3 Zimmern, einem Flur mit Garderobe und einem Bad. Um den Auflagen gerecht zu werden, die ihnen gemacht wurden, fehlten fünf Kindertoiletten mit ebenso vielen Waschbecken. Das war nun wirklich etwas, das keine der Schwestern selbst einbauen konnte. Andri rief Meggy an. Erreichte aber leider war nur die Mailbox. "Hallo Meggy! Du hast doch gesagt dass du uns, falls es irgendwo klemmt, deinen Aleksej ausleihen würdest. Schicke ihn doch bitte einmal vorbei." hinterließ Andri eine Nachricht. Kurz darauf rief Meggy zurück. Sie meinte dass der russische Arbeiter, der für sie immer diverse Arbeiten verrichtete, abends vorbeikäme um sich das Problem anzusehen. Bis zum Abend räumte Gigi alles, was noch in diesem Bungalow an Mobiliar und Unrat herumlag, in einen extra dafür eingerichteten und mit einer Plane abgedeckten Teil des Gartens. Aleksej kam am Abend zusammen mit Meggy, die die Neugierde drückte. Nach einer ausgiebigen Besichtigung entschloss Andri sich den kleineren Raum, der direkt ans Bad angrenzte, mit den fehlenden Toiletten und Waschbecken auszustatten und das kleine Duschbad zur Küche umzufunktionieren. Da sie sowieso nicht mehr als maximal zehn Kinder aufnehmen wollte, war immer noch Platz genug. Aleksej notierte das benötigte Material und überreichte Gigi den Zettel. "Wann denken sie, haben sie alles zusammen?" fragte er mit seinem russischen Akzent, den er immer noch hatte, obwohl er schon über vierzig Jahre in Deutschland lebte. "Ach, ich denke bis nächste Woche werde ich alles besorgt haben." meinte sie zuversichtlich. Gigi machte sich im Netz auf die Suche nach den Sanitärobjekten. Es war gar nicht so einfach Kindertoiletten zu finden. Auf Ebay fand sie zehn gebrauchte Teile aus einer Grundschulrenovierung. Bilder gab es davon nicht. Sie bot zunächst einmal zehn Euro, um an der Auktion teilzunehmen und um Andri zu fragen, ob es unbedingt neue Toiletten sein müssten. Es bot keiner mehr als diese zehn Euro. Also fuhren Gigi und Andri mit dem Auto am nächsten Tag zu dem Verkäufer, um die ersteigerten Teile abzuholen. Als sie dort ankamen, sahen sie schon von weitem die Toiletten im Hof stehen. Die waren so schmutzig wie Schultoiletten so sind. "Die hätte der Verkäufer auch mal ein wenig reinigen können." sagte Gigi. Angeekelt, mit Handschuhen, die sie in weiser Voraussicht vorsorglich mitgenommen hatten bewaffnet, luden die beiden Frauen die zehn Kloschüsseln ins Auto und zahlten die zehn Euro. "Wollen sie auch noch ein paar Waschbecken? Die bekommen sie umsonst dazu. Die Teile müssen weg, wir brauchen den Platz." meinte der Verkäufer. Also hatten sie auch noch zehn kleine Waschbecken mit an Bord. Zu Hause angekommen wurden ihre "Schmuckstücke" zuerst einmal begutachtet, mit dem Hochdruckreiniger abgespritzt und sauber gescheuert. Jetzt sahen wenigstens sieben von ihnen fast aus wie neu. Die Waschbecken waren auch noch ganz passabel. Den Rest entsorgten sie erst einmal unter der Plane im Garten. Die Wasser- und Abflussrohre, Spülkästen etc. wurden aus dem Baumarkt geholt. Fliesen für Wände und Böden bekamen die Schwestern als Restposten ebenfalls sehr günstig. Aleksej rief am Ende der Woche an und erkundigte sich, ob sie alles besorgt hätten und ob er seinen Sohn vorbeischicken dürfe. Er selbst müsse noch einen anderen Auftrag erledigen. "Das ist uns egal, solange die Arbeiten schnell und sauber erledigt werden......." meinte Andri. Pijotr, so hieß Aleksejs Sohn, kam pünktlich am Samstagmorgen um mit den Arbeiten zu beginnen. Er war Anfang vierzig, hatte blonde, lockige etwas längere Haare, grüne Augen und einen Dreitage-Bart. Er trug eine blaue Latzhose und ein schwarzes ärmelloses T-Shirt, dass seine muskelbepackten Arme betonte. Andri zeigte ihm seinen Arbeitsplatz auf Zeit und kam kurze Zeit später ins Haupthaus zurück, um sich einen Kaffee zu holen. "Na, hat er gesagt wie lange er brauchen wird?" fragte Gigi. "Keine Ahnung, hab mich gar nicht getraut zu fragen, weil er so skeptisch geschaut hat. Lass ihn erst mal anfangen. Die Fliesen kannst du ja selbst legen hast du gesagt" meinte Andri zu Gigi gewandt. "Klar hab ich doch schon öfter gemacht. Das geht schnell bei der Größe der Fliesen. Wir brauchen nur noch einen Fliesenschneider." Es begann schon dunkel zu werden als Evi zur Tür herein kam. "Was habt ihr denn da für ein Sahneschnittchen im Bungalows sitzen? Den würde ich auch nicht von der Bettkante schubsen!"
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