Der Briefschreiber Otto Schulze
die Empfängerin der Brautbriefe, Frieda Neuendorf
Gustav Ernst Otto Schulze, geboren am 9. August 1877 in Berlin
Schulbildung: Zeugnis der Reife für Prima am Gymnasium zu Groß Lichterfelde bei Berlin
Seine Eltern: Friedrich und Minna, geb. Fiedler
Otto Schulze und Frieda Neuendorf heirateten am 27. Mai 1909
in Liegnitz / Schlesien.
Sie hatten drei Kinder:
Wilhelmine Mathilde Anneliese, * 16.05.1914 in Wilhelmshaven
Johanna Elisabeth Renate, * 13.03.1918 in Wilhelmshaven
Karl Friedrich Egbert, * 15.10.1921 in Wilhelmshaven
Einige Daten zum militärischen Werdegang und Wirkungsbereich:
Diensteintritt als Einjährig-Freiwilliger am 1. Oktober 1895 im Alter von 18 Jahren bei der 2. Kompanie des Garde-Schützen-Bataillons zu Groß Lichterfelde bei Berlin
Zahlmeister-Assistent in Kiel – 1. Werft-Division – ab 1.10.1896
ab 24.06.1898 in Wilhelmshaven
Marine-Zahlmeister ab 11.04.1903
Marine-Ober-Zahlmeister ab 7.04.1906
Einige Beispiele für Bordkommandos:
14.01.1898 – 16.01.1899 auf „MARS“
31.03.1906 – 25.09.1906 auf Artl.-Schulschiff „UNDINE“
23.12.1911 – 29.05.1913 auf „GNEISENAU“ in Ostasien
3.06.1916 – 10.08.1918 auf den Schiffen „MOLTKE“, „SEYDLITZ“, „HINDENBURG“, „NIOBE“ in Nord- und Ostsee
1.07. bis 31.12.1920 beurlaubt zur Ausbildung beim Finanzamt
Einstweiliger Ruhestand ab 31.12.1920
Dienstreise des Offiziers der kaiserlichen Marine Otto Schulze 1906 nach Fernost – Ausreise mit Salondampfer PRINZ-REGENT LUITPOLD
Briefnummer 1 – Transkribiert von Bernd Liebig
Nordsee, 12. Oktober 1906
Mein einziges süßes Lieb!
Meine beiden Karten aus Hamburg hast Du doch erhalten, es waren die Überbringer meiner letzten Abschiedsgrüße. Vielen herzlichen Dank für das Telegramm, mein liebes Herzchen, noch kann ich mich gar nicht daran gewöhnen, dass ich so weit entfernt von Dir bin, immer glaube ich Dein helles Lachen zu hören, Deine lieben süßen Augen zu sehen und wenn mir dann gar zu wehe ums Herz wird, nehme ich meine Zuflucht zu Deinem Bilde und führe Zwiesprache mit diesem. Ach, was waren es doch schöne Stunden, mit Dir zusammen.
Kannst Du Dir denken, dass ich nie derartiges Heimweh verspürt habe, wie jetzt? Fast wie ein Nachtwandler schleiche ich umher und suche nach irgendetwas, nach, – ich weiß selbst nicht; dann muss mir Dein liebes Bildchen alles Fehlende ersetzen, wenn es auch noch so gering ist. Ich suchte in meinen Sachen immer nach Schriftzeichen von Deiner lieben Hand, nicht ein einziges konnte ich finden.
Ach, wie war ich glücklich, wenn ich in Antwerpen auch nur einen kleinen Kartengruß von Dir vorfände!
Nun, mein innig geliebter Engel, ich bat Dich immer, stark zu sein, und mein Abschiedsschmerz, meine Gedanken an Dich, mein guter Engel, gehen gänzlich mit meiner Überlegung durch; jetzt will ich Dir nicht mehr die Zeit der Trennung so schwer machen. Aber ich weiß nicht, wie mir zu Mute ist; Du kleines liebes Wesen hast mich großen Menschen gänzlich umgewandelt, Du hast in meinem Herzen einen Platz entdeckt, von dessen Bestehen ich keine Ahnung hatte. – Wie bist Du nach Liegnitz gekommen? Warst Du auch recht standhaft beim Abschied von dem schönen Berlin?
Nun will ich Dir einmal etwas von dem Dampfer, der Reise usw. erzählen.
Salondampfer PRINZ-REGENT LUITPOLD
Um 8 Uhr abends verließen wir Hamburg, es war stockfinstere, aber sternenklare Nacht. An Bord befinden sich 200 Kajütspassagiere (hiervon 100 in der I. Kajüte). Wir sind z. Zt. 7 Offiziere der Marine hier an Bord, zum größten Teil kenne ich diese Herren von früher, so dass mir dieser Umstand über meine Grillen hinweghilft. Der Verkehr und Betrieb an Bord dieses Dampfers ist international. In allen Sprachen wird gesprochen. Englisch, Französisch, selbst Japanisch.
Beim Diner haben wir bestimmte Sitzplätze: Neben mir sitzt ein Oberarzt, mir gegenüber ein Hauptmann vom Rebataillon und ein Korvettenkapitän (Major bei der Armee). Jedenfalls verspricht diese Tischnachbarschaft ganz nett zu werden. Die Verpflegung ist, wie ich bereits erzählte, einfach großartig. Ich werde am Schluss einige Speisenkarten beifügen, woraus Du, mein Liebling, ersehen kannst, dass das Leben an und für sich schon erträglich ist. Meine Kabine ist sehr nett und behaglich eingerichtet, mit Sopha und sonstigen Bequemlichkeiten, kurz, jedenfalls ein Raum, der gemütlich genug ist, um darin seinen Gedanken nachzuhängen. – Als ich gestern an Bord kam, fand ich mehrere Glückwünsche von Kameraden vor. Sämtliche Herren freuen sich mit mir über meine Verlobung und wünschen uns beiden viel Glück. Ich soll Dir auch viele schöne Grüße bestellen.
Morgen (Sonnabend) kommen wir nach Antwerpen, am Sonntag, fahre ich mit dem Oberarzt, meinem Tischnachbarn, nach Brüssel, am Montag, gehen wir von Antwerpen nach Southampton, dann nach Gibraltar, Genua, Neapel, Port Said, Aden, Singapore, Hongkong, Shanghai, Penang, Tsingtau.
Heute Morgen wurde ich schon durch eine Morgenmusik geweckt, ich lag und träumte von unsrer Zukunft, von Dir, als die Musikkapelle, welche hier an Bord ist, um bei allen Diners fröhliche Weisen ertönen zu lassen, das Morgenlied ertönen lies: „Frühmorgens wenn die Hähne kräh´n!“ Natürlich wurde ich sofort wach, und konnte über meinen Traum nachdenken. Wenn doch alles so schön in Erfüllung ginge, wie ich es geträumt habe! Das Ende des Traumes war, dass mir immer und immer wieder eine innere Stimme sagt, dass ich Dich nie verlassen werde, ich will Dich schützen auf Deinem ferneren Lebenspfad, und Du sollst mir als mein höchstes und heiligstes Ziel vorschweben, Dich zu besitzen soll mein Lebenszweck sein, dann ist mein schönster Herzenswunsch erfüllt. Wenn ich stets hieran denke, dann werde ich alle Hindernisse überwinden, kein Opfer soll mir zu groß sein, wenn ich Dich nur so recht glücklich sehen kann, wie Du bei unsrer Verlobung warst.
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