Positiv ausgedrückt: Es gibt noch immer Chancen auch für Verlagsautoren ohne Agent. Von diesen 20 % dürfte allerdings nur ein winziger Teil über unaufgefordert eingesandte Manuskripte zustande gekommen sein. Durch die Branche geistern Zahlen zwischen einem und drei Prozent. Der weit größere Rest der Bücher kommt von bereits bekannten Autoren, wenn sie etwa den Verlag wechseln, oder wird von Verlagslektoren und über Beziehungen angestoßen.
Wendet ein Autor sich hingegen an einen mittelgroßen oder kleinen Verlag, kann sich die Sache mit den Agenturen sogar in ihr Gegenteil verkehren: Viele der kleineren Verlage mögen Agenten nicht sonderlich. Weil sie Dinge von ihnen verlangen, die sie kaum leisten können oder leisten wollen: ( hohe ) Vorschüsse. Der Agent will möglichst viel Geld verdienen, der Verlag will das auch. Wer aber stellt das Beste für den Autor an erste Stelle?
Manche Autoren haben kein gutes Gefühl, jemandem etwas von ihrem Geld abzugeben – und das langfristig bis ewig. Agenten bekommen ihre Provision, solange Geld aus dem Verkauf der Rechte an dem Buch fließt, das sie vermittelt haben. Sprich: Auch wenn sie längst nichts mehr für den Autor tun oder der Autor längst bei einem anderen Agenten unter Vertrag ist.
Diesen zweifelnden Autoren empfehle ich folgende simple Rechnung: Was ist mehr: 85 % von etwas oder 100 % von nichts?Diese Rechnung ist immer dann gültig, wenn ein Agent einen Verlag gefunden hätte, Sie selbst aber nicht. Ob der Agent das tatsächlich schafft, steht auf einem anderen Blatt. In vielen Fällen tut er das, sonst würde er umsonst arbeiten.
Richtig ist: Die meisten Agenturen verlangen 15 % Provision. Die bezieht sich auf alle Einkünfte, die sich aus dem durch die Agentur vermittelten Verlagsvertrag ergeben: Einkünfte aus Vorschüssen, Rechten für eine Hörbuchlizenz, Auslandslizenzen, bibliophile Sonderausgaben usw. Die Provision wird auch dann noch fällig, wenn Sie sich von der Agentur getrennt haben oder sogar mit ihr im juristischen Clinch liegen!
Doch keine Panik. Die Provision bezieht sich nur auf bestimmte Bücher. Bei anderen, nicht von der Agentur vermittelten Werken brauchen Sie nichts von Ihren Einkünften abzugeben. Wie das im Einzelnen aussieht, entnehmen Sie bitte dem Agenturvertrag.
Für die Suche nach einem Agentengilt im Groben das Gleiche wie für die Suche nach einem Verlag: Suchen Sie die Agenturen für sich heraus, die seriössind und zu Ihnen und Ihrem Manuskript passen. Nicht jede Agentur vertritt alle Genres, manche spezialisierensich auf Sachbücher oder Kinderbücher.
Seriös sind auf den ersten Blick die, die erst und nur dann Geld von Ihnen wollen, wenn sie Ihr Manuskript vermitteln. Das ergibt Sinn. Denn warum sollte eine Agentur noch Mühe in die Vermittlung Ihres Manuskripts stecken, wenn sie schon reichlich Geld an Ihnen verdient hat – und zwar ohne Arbeit? Finger wegvon allen Angeboten, bei denen Sie schon vor Vermittlung zahlensollen. Egal, unter welchem schönen Namen Ihnen diese Kosten untergejubelt werden.
Achtung: Lassen Sie sich nicht von einer Liste angeblich vermittelter Manuskripte täuschen! Gerade die unseriösen Anbieter brüsten sich gerne mit erfundenen Erfolgen. Fragen Sie im Zweifel doch einfach direkt bei einem der dort angeblich vertretenen und vermittelten Autoren nach. Die meisten Autoren sind nette Menschen und auskunftsfreudig. So wie Sie.
Haben Sie sich die Agenten herausgepickt, denen Sie Ihr Roman- oder Sachbuchmanuskript anbieten möchten, beginnt die eigentliche Arbeit: Schreiben Sie ein knackiges Exposéoder bringen Sie das vorhandene auf Hochglanz. Dito den Anfang Ihres Manuskripts. Die ersten Seiten des Manuskripts, die Leseprobe, sollten Sie nur in möglichst perfektem Zustand (das heißt, so gut, wie Sie das eben hinkriegen) an die Agentur schicken.
Achten Sie darauf, wasgenau die Agentur will – und wiesie es will. Sehen Sie sich auf der Website der Agentur an, was dort zur Kontaktaufnahme steht. Manche Agenten bestehen auf einem Erstkontakt per Telefon oder Mail, bevor Sie Ihr Exposé oder gar das komplette Manuskript hinschicken. Manche wollen nur zehn Seiten Leseprobe, andere wollen fünfzig. Einige möchten einen kurzen, andere einen ausführlichen Lebenslauf, wieder andere wollen, dass Sie einen Fragebogen ausfüllen.
Was für die Verlagssuche gilt, gilt auch hier: Die Suche nach einem Agenten macht keinen Spaß, sondern Arbeit. Und sie erfordert viel Geduld. Ein kleiner Trost: Die Agenten antworten meist schnellerals Verlage.
Dem steht jedoch eine unschöne Entwicklung sowohl bei Verlagen als auch bei Agenten entgegen: Viele von ihnen schicken nicht mal mehr Absagen, auch keine Standardabsagen. Doch wenn sie das nicht tun, sagen sie das in den meisten Fällen auf ihrer Homepage. Etwa so: »Wir melden uns nur bei Ihnen, wenn wir an Ihrem Manuskript interessiert sind. Wenn Sie nicht innerhalb von sechs Wochen von uns hören, betrachten Sie das bitte als Absage.«
Das ist verständlich angesichts der Vielzahl von Angeboten, die bei den Agenten eingehen. Höflich oder gar freundlich ist es nicht. Vor allem sorgt es dafür, dass sich Autoren heute mehr als je zuvor wie Bittstellerfühlen statt wie die Schöpfer der Inhalte und Geschichten, von denen eine ganze Branche lebt.
In der Praxis:Verlagsautor Volker hatte Glück. Er hat ohne Agentur einen Verlag gefunden, sogar einen der größeren. Das Geld für eine Agentur will er sich sparen. Er kann gut verhandeln, scheut sich auch nicht, um Nachkommastellen zu feilschen, er ist lange genug in der Branche, um sich auszukennen, hat Kontakte zu Autoren, Institutionen, Verlegern.
Da ist aber noch ein Argument, warum Volker sich entschieden hat, es ohne Agentur zu versuchen. Er ist überzeugt, Agenten wählen sich ihre Autoren noch stärker nach Verkäuflichkeit aus, als dies selbst die großen Verlage tun.
Volkers Argument: Die Agenten arbeiten unter dem Motto vorauseilenden Gehorsams. Sie nehmen nur Autoren, von deren Verkäuflichkeit an Verlage sie überzeugt sind. Daher gehen Sie noch weniger Risiko ein als die risikoscheuen Publikumsverlage. In einem Verlag kann sich der Lektor für ein Manuskript entscheiden, weil er glaubt, es passe zum Verlag oder dieses Buch müsse einfach erscheinen.
Solche Gedanken sind für einen Agenten Luxus. Ein Luxus, den sich die Wenigsten leisten und leisten können. Wie Verlagen werden auch Agenturen weit mehr Manuskripte angeboten, als sie bewältigen können – und angesichts der zumeist mäßigen Qualität bewältigen wollen. Alles, was nicht nach sehr wahrscheinlichem Verkauf aussieht, wird abgelehnt. So frustrierend das für Autoren ist, so verständlich und richtig ist das aus Sicht der Agenturen. Sie arbeiten schließlich so lange unentgeltlich für einen Autor, bis sie die Rechte an seinem Manuskript einem Verlag verkauft haben.
Es gibt Ausnahmen. Manche Agenturen erkennen ein Potenzial in einem Autor und wollen das entwickeln. Aber darauf vertrauen, dass ausgerechnet Sie und Ihr Manuskript zu diesen Auserwählten gehören, sollten Sie nicht.
Für einen Autor, der nicht ganz klar und breit in einer bestimmten Schublade schreibt, gestaltet sich die Suche nach einem Agenten besonders schwierig. Alles, was nicht gleich auf den ersten Blick kommerziell wirkt, wird abgelehnt.Hinzu kommt: Agenten vermitteln in der Regel nur an Verlage, die ihren Autoren Vorschusszahlen. Und das tun eben nur die großen und manche der mittelgroßen Verlage. Bei Kleinverlagen sind Vorschüsse in mehr als symbolischer Höhe, also solche, die zumindest in den unteren vierstelligen Bereich kommen, selten.
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