Hayley erklärt das lernwilligen Autoren sogar:
»Ich habe dir einen Schuhkarton mit einem toten Vogel drin zum Valentinstag geschenkt. Du weißt schon, weil dein Vater Bestatter ist.«
Sollten Sie die Backstory vor der Handlung kennen, setzen Sie beim dramatischsten Moment der Backstory an und fragen sich, was in der Erzählgegenwart geschehen müsste – besser, da aktiver: was der Held tun müsste –, um diese Dramatik wiederzuspiegeln und die dazugehörigen Gefühle zurückzubringen.
Dieser dramatische Moment hängt häufig mit der Verletzung des Helden oder seinem tiefsten Bedürfnis zusammen.
Falls Sie, in unserem Beispiel aus Jacobys Roman, als Erstes dieses Bild mit dem toten Vogel im Karton vor Augen haben, fragen Sie sich: Wie kann die Erzählgegenwart dem am besten angepasst werden? He, ich könnte die Mutter des Jungen zu einer Schuhverkäuferin machen. Weil der Vogel in einer Schuhschachtel lag. Oder, hm, nein, noch besser: Ich mache den Vater zu einem Bestattungsunternehmer!
Ganz wichtig: Die Ereignisse in der Erzählgegenwart des Romans sollten die Backstory an dramatischer Wucht und Intensität von Gefühlen (auch denen, die Sie beim Leser hervorrufen) übertreffen. Und wenn nicht? Dann überdenken Sie Ihren Roman und fragen Sie sich, ob Sie ihn nicht besser zur Zeit der Backstory spielen lassen sollten.
Sie wollen ja nicht bloß das zweitschlimmste Ereignis im Leben des Helden ins Zentrum Ihres Romans stellen.
Schneller-Bestseller-Trick:Was sind die schlimmsten Ereignisse im Leben Ihrer Heldin? Schreiben Sie sie auf und bringen Sie sie in eine Reihenfolge, sortiert danach, wovon die Heldin am heftigsten mitgenommen und berührt wurde.
Überlegen Sie sich zu jedem Ereignis, zu jeder Tat eine glaubhafte Steigerung. Schieben Sie alle Ereignisse in der Chronologie nach vorne. Gibt es welche, die von der Backstory, von der Erzählvergangenheit in die Erzählgegenwart rutschen können? Beginnen Sie bei dem am wenigsten schlimmen Ereignis. Wie macht es sich als Anfang Ihres Romans?
Warum Bezüge wichtig sind und wie Sie sie herstellen
Das verstopfte Ohr des Informanten
Alvin Anderson ist nicht besonders helle – wie übrigens die meistens Kleinganoven keine Einsteins sind. Zumindest Alvins Aufmerksamkeitsspanne lässt zu wünschen übrig, vielleicht auch seine Ohren. Da man sich von Alvin Hinweise auf einen Mordfall erwartet, vielleicht nur den Namen von jemandem, der jemanden kennt, wird er eines Abends von drei Detectives der New Yorker Polizei besucht.
In der Szene, die dann in Richard Prices herausragendem Krimi » Lush Life « (Bloomsbury 2008 / dt. » Cash « / eigene Übersetzung) folgt, geht es vor allem um dieses Herauslocken von Namen und Informationen.
Nachdem Alvin den Detectives versichert hat, er wäre sehr bemüht bei der Stellensuche, mischt sich Yolonda, eine der Detectives ein:
»Transit Authority stellt zur Zeit Gepäckträger ein«, sagte Yolonda. »Ihre Vorstrafen würden da niemanden stören.«
»Ach ja?« Alvin versuchte zu klingen, als hätte man ihm geholfen. »Okay, okay.«
Kurz vor Ende der Szene kommt Detective Mullins noch einmal deutlich auf den Zweck ihres Besuchs zu sprechen:
»Der springende Punkt ist«, sagte Mullins, »ein Bursche wie Sie könnte in einer guten Position sein, etwas zu hören, sich ein bisschen was an gutem Willen zu erarbeiten.«
»Okay«, sagte Anderson. »Das ist vertraulich, ja?«
»Immer.«
»Okay, also dann.« Er schlug auf sein Knie und erhob sich halb, als ob es von ihm abhinge, wann sie gingen. »Ich halte die Ohren offen.«
Dann folgt sofort die Pointe am Ende der Szene:
»Gut«, sagte Yolonda und stand auf. »Und vergessen Sie nicht, was ich über die Transit Authority gesagt habe.«
»Die Transit Authority?« Alvin blinzelte.
Price arbeitet hier mit Bezügen beziehungsweise mit einer Wiederholung. Er greift für die Pointe eine andere Stelle der Szene auf, die über die Verkehrsbetriebe der Stadt, die Transit Authority.
Solche Bezüge wirken nur auf den ersten Blick banal bis unspektakulär. Genauer betrachtet aber sorgen sie für mehr als gelungene Pointen und starke Szenenenden: Zum einen halten sie die Szene zusammen und lassen sie zum anderen lebensnäher wirken. Dieser Zusammenhalt ist besonders wichtig.
Stellen Sie sich Ihren Roman als Gespinst aus solchen Bezügen vor. Je dichter das Gespinst, desto dichter auch Ihr Roman. Jeder Bezug bedeutet für den Leser etwas Vertrautes. Jeder Bezug macht ihn zum Insider in Ihrem Roman. Die Folge: Er fühlt sich der Geschichte enger verbunden. Es ist, als ob sie ihn selbst in das Gespinst Ihrer Story einweben.
Das ist mit ein Grund, warum Fernsehserien so gut funktionieren: weil die meisten voller Bezüge stecken, die man nur als Insider, sprich: als regelmäßiger Zuschauer, versteht. Was wiederum dafür sorgt, dass man möglichst keine Folge verpassen will.
Running Gags etwa sind nichts weiter als eine Sonderform eines Bezugs. Sie schaffen ein besonders starkes Insider-Gefühl.
Denken Sie mal darüber nach, wie Kommunikation in einer Familie funktioniert. Oder in einer Clique von Freunden. Für Außenstehende sind die meisten Gespräche nur unvollständig oder gar nicht zu verstehen. Eben weil es so viele Bezüge gibt (vom Subtext mal ganz abgesehen).
Price schafft durch dieses unspektakuläre, aber sehr wirkungsvolle Szenenende sogar noch mehr: Da es in der Szene im Wesentlichen darum geht, was Alvin Anderson, als Informant, gehört hat und noch hören soll, konterkarieren seine Begriffsstutzigkeit und die kurze Aufmerksamkeitsspanne auf schön ironische Weise gerade die Absicht der Detective, Alvin Anderson als Informanten zu benutzen.
» Ich halte die Ohren offen «, sagt Alvin großspurig – um im nächsten Moment zu zeigen, wie es mit seinen Ohren wirklich bestellt ist.
Schneller-Bestseller-Trick:Betrachten Sie sich den Anfang der Szene, an der Sie gerade arbeiten. Was davon – ein starkes Bild, eine kraftvolle Emotion, ein bedeutungsschwangeres Wort – lässt sich am Ende der Szene wieder einbeziehen? Tun Sie es. Aber verwandeln Sie es am Ende. Geben Sie ihm eine neue Bedeutung, laden Sie es mit einem neuen Gefühl auf. Geben Sie dem Leser den Eindruck, in der Szene hätte sich etwas verändert.
Eignet sich etwas davon, ein besonders ausdrucksstarkes Element, als Symbol für weitere Szenen?
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