Mika M. Krüger - Totenläufer

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Rina gehört zu jenen in Red-Mon-Stadt, die keinen Wert haben. Sie gilt als nutzlos, wird verfolgt und lebt in ständiger Angst um sich und die Menschen, die sie liebt. Als sie dann in die Mündung einer Waffe blickt, glaubt sie, den Kampf ums Überleben verloren zu haben. Doch der Soldat mit dem Schießbefehl lässt sie laufen, zeigt ihr sogar den Weg zu den Rebellen. Nur wieso hat er seinen Befehl missachtet? Wieso hat er sich gegen die gewandt, die ihm Sicherheit garantieren? Diese Fragen rotieren in Rinas Kopf, bis sie erfährt, wer sich hinter der Uniform verbirgt.

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Mika M. Krüger

TOTENLÄUFER

Auftakt der Reihe Silver Coin 203

»Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren.«

Benjamin Franklin

Inhalt

Worte aus Red-Mon-Stadt Worte aus Red-Mon-Stadt Ausschnitt aus der Kolumne: »Der Totenläufer, ein Held der Sicherheit«. Entnommen aus der Tageszeitung Red-Mon-Aktuell vom 24.10.2075. »[…] Die Mitglieder der REKA bezeichnen den Totenläufer als unmenschlichen Schlächter. Als Monster, das kaltblütig mordet. Doch ist es Mord, wenn wir zur Verteidigung unseres Selbst zur Waffe greifen? Gewiss nicht. Und nichts anderes tut er. Im Namen der Bewohner unserer herrlichen Stadt riskiert er täglich sein Leben, um uns vor der gefährlichsten aller Seuchen zu bewahren: der Lorcakrankheit. Er ist ein einsamer Wolf in der Uniform eines Soldaten, der die Verantwortung für jeden von uns auf den Schultern trägt. Die Stadtverwaltung unterstützt sein Vorgehen und möchte den Bürgern mitteilen: Der Totenläufer ist ein Held und kein Monster. Wir sollten ihm dankbar sein. […]« Ausschnitt aus der Rebellenzeitschrift Kalter Sturm, die im Geheimen von der REKA veröffentlicht wird. Artikel vom 25.10.2075 »[…] Es ist wahr. In der Nacht vom 23. zum 24. Oktober sind nicht nur drei unserer treuesten Anhänger vom so genannten Totenläufer exekutiert worden, sondern mit ihnen fünf Lorca, die sich unter unserem Schutz befanden. Die Gruppe versteckte sich in einer unterirdischen Notunterkunft in Nordend. Bisher ist unklar, wie sie entdeckt werden konnten. Wir betrauern den sinnlosen Tod dieser Menschen. Es ist der schwärzeste Tag in der Geschichte unserer Organisation. Doch wir werden uns von dieser Brutalität nicht abschrecken lassen. Der Totenläufer und die Verwaltung werden für diese Taten zur Rechenschaft gezogen. […]« Leserbrief an den Totenläufer vom 25.10.2075 »Sehr geehrter Totenläufer, Sie haben meine Familie gerettet. Durch Ihr Zutun konnten die Lorca, die sich unter unserem Wohnhaus versteckt gehalten haben, ausfindig und unschädlich gemacht werden. Meine Familie musste sich medizinischen Tests unterziehen, aber die Lorcakrankheit konnte nicht diagnostiziert werden. Ihr Scharfsinn, Ihr Einsatz, Ihre Liebe zu Red-Mon-Stadt hat uns gezeigt, welchen Wert Treue hat. Im Namen meiner Frau, meiner Tochter, meinem Sohn und meinen zwei kleinen Enkeln möchten wir uns bei Ihnen bedanken. Wir verneigen uns in tiefer Demut.« Antwort des Totenläufers in handschriftlicher Signatur Es war mir eine Ehre.

Kapitel 1

Kapitel 2

Kapitel 3

Kapitel 4

Kapitel 5

Kapitel 6

Kapitel 7

Kapitel 8

Kapitel 9

Kapitel 10

Kapitel 11

Kapitel 12

Danksagung

Das Buch

Die Autorin

Worte aus Red-Mon-Stadt

Ausschnitt aus der Kolumne: »Der Totenläufer, ein Held der Sicherheit«. Entnommen aus der Tageszeitung Red-Mon-Aktuell vom 24.10.2075.

»[…] Die Mitglieder der REKA bezeichnen den Totenläufer als unmenschlichen Schlächter. Als Monster, das kaltblütig mordet. Doch ist es Mord, wenn wir zur Verteidigung unseres Selbst zur Waffe greifen? Gewiss nicht. Und nichts anderes tut er. Im Namen der Bewohner unserer herrlichen Stadt riskiert er täglich sein Leben, um uns vor der gefährlichsten aller Seuchen zu bewahren: der Lorcakrankheit. Er ist ein einsamer Wolf in der Uniform eines Soldaten, der die Verantwortung für jeden von uns auf den Schultern trägt. Die Stadtverwaltung unterstützt sein Vorgehen und möchte den Bürgern mitteilen: Der Totenläufer ist ein Held und kein Monster. Wir sollten ihm dankbar sein. […]«

Ausschnitt aus der Rebellenzeitschrift Kalter Sturm, die im Geheimen von der REKA veröffentlicht wird. Artikel vom 25.10.2075

»[…] Es ist wahr. In der Nacht vom 23. zum 24. Oktober sind nicht nur drei unserer treuesten Anhänger vom so genannten Totenläufer exekutiert worden, sondern mit ihnen fünf Lorca, die sich unter unserem Schutz befanden. Die Gruppe versteckte sich in einer unterirdischen Notunterkunft in Nordend. Bisher ist unklar, wie sie entdeckt werden konnten. Wir betrauern den sinnlosen Tod dieser Menschen. Es ist der schwärzeste Tag in der Geschichte unserer Organisation. Doch wir werden uns von dieser Brutalität nicht abschrecken lassen. Der Totenläufer und die Verwaltung werden für diese Taten zur Rechenschaft gezogen. […]«

Leserbrief an den Totenläufer vom 25.10.2075

»Sehr geehrter Totenläufer,

Sie haben meine Familie gerettet. Durch Ihr Zutun konnten die Lorca, die sich unter unserem Wohnhaus versteckt gehalten haben, ausfindig und unschädlich gemacht werden. Meine Familie musste sich medizinischen Tests unterziehen, aber die Lorcakrankheit konnte nicht diagnostiziert werden. Ihr Scharfsinn, Ihr Einsatz, Ihre Liebe zu Red-Mon-Stadt hat uns gezeigt, welchen Wert Treue hat. Im Namen meiner Frau, meiner Tochter, meinem Sohn und meinen zwei kleinen Enkeln möchten wir uns bei Ihnen bedanken. Wir verneigen uns in tiefer Demut.«

Antwort des Totenläufers in handschriftlicher Signatur

Es war mir eine Ehre.

Kapitel 1

Die Welt drehte sich rückwärts. Sie waren tot. So tot wie zertretenes Ungeziefer oder Ratten mit Genickbruch. Keiner von ihnen würde erneut aufstehen, den Himmel sehen, das Wasser rauschen hören, atmen. Allein Rina hatte es geschafft, so wie immer.

Doch dieses Mal war sie nicht unbemerkt entkommen, denn ein SDF-Soldat folgte ihr. Seine vagen Schritte zwischen Regen und Wind glichen der Präsenz eines Raubtiers auf der Jagd. Niemals würde er sie laufen lassen. Dabei konnte sie nicht sterben. Nicht jetzt, wo alle anderen gegangen waren. Sie musste sich an ihre Überlebensformel erinnern: Schau niemals zurück, sprinte in die Zukunft, denn alles andere hat keine Bedeutung.

Rina rannte über die hohen Metallbrücken des Wohnviertels, die über ein weit verzweigtes Netz aus Straßen und Fußwegen führten und ließ silbergraue Hochhäuser hinter sich. Sie musste zum Stadtrand. Dort gab es ein Versteck, wo sie bis zum Morgengrauen sicher war. Wenn sie schnell genug dorthin gelangte, hatte sie eine Chance.

Hastig sprang sie die Treppen zum tiefergelegenen Stadtteil herunter, überquerte den Fußgängerweg, sah einen Monorailzug an sich vorbeirauschen, hörte, wie sich ihr Atem gehetzt aus der Lunge presste. Kalter Regen peitschte ihr ins Gesicht und sie glaubte, das Salz des Meeres zu schmecken. Ganz gleich, ob das Meer noch viel zu weit entfernt war.

Sie zwängte sich an Passanten vorbei, die sich angeregt unterhielten und richtete den Blick starr auf den Boden, um nicht erkannt zu werden. Hoffentlich tat man sie als verwirrte Person ab und ging nicht von einer Bedrohung aus.

Plötzlich stieß jemand heftig gegen sie. Rina stolperte und prallte gegen eine Frau, an der sie sich festklammern musste. Etwas ging zu Boden und zerbrach scheppernd.

Vor Schreck entfuhr der Frau ein erstickter Schrei und sie stieß Rina von sich weg.

»Pass doch auf, wo du hinläufst«, schimpfte sie, doch Rina gab nichts darauf, wandte sich ab und wollte fort. Sie durfte auf keinen Fall stehen bleiben und schon gar nicht diesen Leuten zu nahe kommen. Wenn sie ihr ins Gesicht sahen, dann …

Jemand packte ihren Arm und riss sie herum. Der Soldat? Nein, er hätte sie erschossen, wäre er schon so dicht bei ihr gewesen.

»Kannst du nicht die Augen aufmachen?«, fauchte ein Mann in blauem Overall. »Das Monotab wirst du mir ers…«

Er brach ab, sah sie an, lang und ausdauernd, bis er begriff, was da vor ihm stand. Ihre schneeweiße Haut und die goldenen Fäden in ihrer Iris ließen sich nicht verbergen. Sofort löste er seinen Griff und in seine Miene schlug sich blutrote Panik.

»Ein Lorca!«, brüllte er, »Sie ist ein Lorca! Und ich habe sie angefasst!« Ungläubige Blicke streiften sie, fühlten sich an wie heißes Metall auf nackter Haut. Einem Sicherheitsrisiko wie ihr auf offener Straße zu begegnen, waren die Stadtbürger nicht gewohnt, denn normalerweise entsorgte die Verwaltung jemanden wie sie. Da gab es keine Ausnahmen.

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