Nun mussten wir zu zweit leben und auskommen.
Ich wollte nicht umziehen. Ich sah in dem neuen Haus einen Fluch. Erst nachdem das Haus gekauft worden war, fing es an Tote in der Familie zu geben. Dieses Haus brachte nur Pech und Unglück. Mein Vater glaubte, ich würde lieber gestern als heute das Haus wieder verkaufen.
Dann fanden wir einen Brief meiner Mutter, der uns 2 Monaten nach ihrem Tod zugestellt wurde. Der Brief war ein Schock, aber auch eine Befreiung. Meine Mutter hatte schon gewusst, dass sie Krebs hatte und bald sterben würde. Sie hatte uns nicht Bescheid gesagt, damit wir uns keine Sorgen machen mussten und außerdem, weil sie unbedingt wollte, dass das Haus blieb, das Haus, für das sie so viel getan hatte, so viel angekauft hatte. In dem Brief bat sie meinen Vater, das Haus nicht zu verkaufen und noch im gleichen Jahr einzuziehen. Also zogen wir ein paar Monaten später in das Haus ein und lebten nun zu zweit darin weiter.
Ich war eigentlich schon zu alt, um noch bei meinem Vater zu leben, aber ich wollte ihn nicht alleine lassen. Er wollte keine andere Frau haben, was ich nicht gut fand. Ich dachte immer, dass vielleicht eine neue Frau ihm das Lachen wieder bringen könnte.
Ehrlich gesagt, jetzt, da ich sehr oft alleine mit meinem Vater war, fragte ich mich, ob sie sich wirklich geliebt hatten. Ich meine, er und meine Mutter. Ich hatte ein komisches Gefühl, dass meine Mutter zu dominant war und mein Vater doch nicht ganz glücklich mit ihr war, aber trotzdem mitgemacht hatte, weil es so für ihn einfacher war.
Auf jeden Fall war ich fertig mit meinem Jurastudium und arbeitete nun in einer Anwaltskanzlei in Frankfurt. Ich musste jeden Morgen hin und kam erst wieder abends zurück nach Hause. Das tat mir gut, weil ich so wenig Zeit zu Hause verbrachte. Aber gleichzeitig ärgerte mich genau das sehr, weil ich, wie mein Vater früher, nur noch an die Arbeit dachte. Aber ich beruhigte mich damit, dass ich Single war und niemand darunter leiden musste. Die Anwaltskanzlei gehörte einem Freund meines Vaters. Deswegen wollte ich so schnell wie möglich da weg, um mein eigenes Ding zu machen. Ich wollte nicht mehr von Papa abhängig sein und ihm alles verdanken. Aber irgendwie schaffte ich es nicht. Ich war am Ende doch viel abhängiger von meiner Familie, als ich es gedacht hatte.
Eines Tages kam eine Klientin in die Kanzlei, um die ich mich kümmern sollte. Sie kam wegen eines Scheidungsfalls zu uns. So lernte ich meine zukünftige Frau kennen.
Herr Walker nahm einen Bleistift, legte ihn zwischen die Seiten und sagte:
„ Frau Schmidt, ich glaube, das war es erst mal über mich und meine Frau. Ich würde jetzt doch gerne eine Pause machen, ein bisschen im Garten spazieren gehen und frische Luft schnappen, kommen Sie doch mit“, bat er.
„ Okay, gerne. Lassen Sie mich vorher kurz meinen Kollegen anrufen“, antworte sie.
Nach dem Telefonat ging Anne Schmidt zu Herrn Walker, der im Garten dabei war, an den Blumen herum zu zupfen.
Als er sie bemerkte, drehte er sich zu ihr um und lächelte sie an.
„ Sie sind schon da? Das ging aber schnell“, sagte er.
„ Ja, ich habe meinen Kollegen gar nicht erreicht. Ich habe ihm aufs Band gesprochen. Es ist schön hier bei Ihnen. Ein schöner Garten. Alles ist sehr ordentlich, aber wild. Ich liebe es, wenn ein Garten wild ist“, sagte Anne Schmidt.
„ Alles steht noch, wie meine Frau es wollte. Jedes Jahr habe ich mir gesagt, dass ich hier endlich mal umkrempeln sollte, um mit der Vergangenheit abzuschließen, aber, wie Sie sehen, es sieht immer noch so aus. Jetzt, wo er nicht mehr da ist, werde ich es vielleicht doch nie mehr tun. Er wollte auch nie, dass ich etwas ändere. Er sagte, wenn er im Garten saß und sich sonnte, hatte er den Eindruck, dass seine Mama bei ihm wäre. Der Garten wird meine einzige Erinnerung an meine Familie bleiben“, erklärte er.
„ Haben Sie das Buch von dem Autor…? Hmm. Der Name fällt mir gerade nicht ein. Das Buch heißt auf jeden Fall „UMZUG: Ziehen Sie um für ein erfolgreiches, gesundes und glückliches Leben. Durch Umzug Lösungen und Wege sehen.“ Das Buch sollten Sie lesen. Ich fand es sehr gut, es hat mir geholfen“, schlug sie vor.
„ Umziehen? Oh, nein. Ich will gar nicht umziehen. Nein, natürlich war ich nicht unbedingt dafür, dieses Haus zu kaufen oder auch hierher umzuziehen. Aber jetzt ist das hier mein Zuhause. Ich fühle mich hier wohl und habe sehr viel, nicht nur finanzielles, hier reingesteckt. Viele Emotionen und Erinnerungen stecken in diesem Haus. Oh nein, Frau Schmidt, schlagen Sie mir nicht wieder vor, hier auszuziehen“, antworte er lächelnd.
Anne Schmidt lachte, weil sie die Antwort von Herrn Walker sehr amüsant fand.
„ Nein, nein, Herr Walker. Es geht nicht um den Umzug im praktischen Sinn. Es geht nicht darum, ihr Haus praktisch zu verlassen, obwohl ich das auch als eine Möglichkeit ansehen würde. Sich an Sachen festzuhalten, macht nicht frei und versperrt den Blick. Es geht in dem Buch um etwas anderes“, sagte sie.
„ Worum geht es dann? Ich glaube, so hätte ich anfangen müssen. Immer zuerst fragen, worum es geht und danach antworten. Stimmt doch, oder?“, erkannte Herr Walker.
„ Ja, es wäre gut, wenn Menschen zuerst fragen würden, worum es geht, bevor sie antworten. Das würde uns so manche Missverständnisse ersparen. In dem Buch wird beschrieben, wie man durch Umzug Lösungen und Wege findet bzw. sieht. Der Autor meint, Lösungen sind schon da, direkt vor uns, sind aber durch den vielen Müll versteckt. Der Umzug hilft, diese unsichtbare Barriere, den Müll, weg zu schaffen. Was macht man vor einem Umzug? Man zieht um, weil man seine Wohnung verlassen muss oder verlassen möchte. Es wird zuerst die neue Wohnung, ein Lager oder eine Garage ausgesucht. Dann wird der Umzugszeitraum festgelegt, dann ein Umzugsunternehmen oder Freunde organisiert, oder man macht auch alles allein, und dann wird gepackt. Vorm Packen wird aussortiert, umgekrempelt, entrümpelt und hier entscheidet sich, was man in die neue Wohnung mitnimmt und was weggeschmissen wird. In der neuen Wohnung wird wieder ausgepackt, und vielleicht werden neue Sachen gekauft und andere Sachen landen zuerst im Keller. Das ist das Prinzip des allgemeinen Umzugs. Basierend auf diesem Prinzip hat der Autor ein neues Prinzip entwickelt, wie man durch einen eigenen inneren Umzug je nach Thema und je nachdem, was uns gerade wichtig ist, Erfolg und Glück finden und vor allem behalten kann. Das könnte Ihnen helfen, gerade jetzt in ihrer Situation“, erläuterte Anne Schmidt.
„ Ist das so etwas wie Feng Shui? Meine Frau war ein Adept von Feng Shui“, bemerkte er.
„ Vielleicht ist Feng Shui ein Teil dieses Prinzips. Feng Shui bezieht sich mehr auf die Gestaltung der Wohn- und Lebensräume. Da sein Ursprung umstritten ist und eines der traditionellen Anwendungsgebiete des Feng Shui in China die Planung von Grabstätten ist, ein Ahnenkult, lehnen es viele ab und meinen, es sei esoterisch und auf einem Glauben basierend, der mit dem Christlichen nicht vereinbar sei. Aber UMZUG basiert auf einfachen, logischen und natürlichen Gesetzen, die wir nur nicht wahrnehmen. Sehr interessantes Buch. Sie sollten es lesen“, erklärte sie.
„ Wenn Sie so überzeugt davon sind, werde ich es garantiert tun. Sie sind noch so jung. Wie lange arbeiten Sie schon bei der Zeitung?“, fragte er und wechselte somit das Thema.
„ So jung bin ich dann doch nicht, aber ich fühle mich wohl und das ist das Wichtigste. Ich arbeite seit drei Jahren in der Redaktion, aber seit fünf Jahren bei dem Medienunternehmen“, antwortete sie.
„ Es muss spannend für Sie sein. Ich meine, neue Stories zu recherchieren und darüber zu schreiben“, sagte er.
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