Und fuhr fort –
„Es würde Ihnen nicht helfen. Sehen Sie, ich habe dieses Haus mit meiner Frau gekauft. Sie hat alles entworfen. Viel gekauft, bestellt. Tag und Nacht sich Gedanken gemacht. Sie ist um die Welt gereist, um Kleinigkeiten für das Haus zu ersteigern. Unsere Ehe wäre fast in die Brüche gegangen, nicht weil es am Geld mangelte, nein, gerade weil es zu viel Geld gab. Wir wollten einfach alles kaufen und auch immer genau das, was man hier nicht hatte. Es war einfach Stress, Stress und wieder Stress. Und nun? Sie hat nicht einmal eine Nacht hier verbracht. Sie ist weg und das Haus steht immer noch.
Mein Sohn wollte vor einem halben Jahr auch so ein Haus wie meines kaufen, hier in der Nähe. Er kam und bat mich, ihm dabei zu helfen. Er wollte nicht mehr am Woog leben. Als anerkannter Rechtsanwalt aus einer reichen Familie wollte er gern ein prestigeträchtiges Haus kaufen. Er hoffte auch, dass er damit seine Ehe festigen könne. Er verstand nichts, als ich ihm sagte: „Weil ich dich liebe, mein Sohn, kann und werde ich dir nicht helfen. Wenn es um ein Familienhaus für 500.000€, oder auch 800.000€ ginge, würde ich dir das Geld sofort geben. Geld ist ja genug da. Aber eine Villa für fast 3 Millionen Euro, 3 Stockwerke plus Dachboden, mit 6 Schlafzimmern, 5 Bädern, 3 Gästetoiletten, 6 Balkons, 2 Küchen, 3 Wohnzimmern und so vielem mehr, für nur 4 Personen? Nur weil du Prestige willst? Das kann dir nicht guttun, sogar wenn du selbst das Geld dafür hättest.“
Er verstand nicht und war wütend auf mich. Er verstand nicht, dass gerade so ein Haus seine Ehe zerstören würde. Er verstand nicht, dass gerade so ein Haus seine Seele vergiften und verwirren und ihn sehr einsam machen würde. Sein schon leerer Körper würde noch leerer sein. Er war wütend und ist ausgerastet und einfach gegangen. Er war 6 Monaten lang sauer und wollte nicht mit mir reden. Er wollte mich auf diese Weise erpressen. Aber da ich ihn liebte, blieb ich hart, und das Haus wurde an jemand anderen verkauft. Der Käufer will aus dem Haus nun mehrere Wohnungen machen und vermieten. Ich habe gerade mit ihm geredet, als Sie kamen. Ich habe ihn gefragt, warum er das Haus umbauen und mehrere Wohnungen daraus machen will. Wissen Sie, was er gesagt hat? Er hat gesagt: „Herr Walker, seien Sie ehrlich, wer kann in so einem Haus glücklich sein? Wenn vielleicht eine Familie mit 8 Kindern Interesse und Geld dafür hätte, okay. Aber so ein Haus für nur 3 Personen? Für mich, meine Frau und mein Kind? Nein, das kann nicht glücklich machen. Ich spreche aus eigener Erfahrung. In 3 oder 4 Zimmerwohnungen mit großem Garten werden Familien glücklicher.“ Sehen Sie? Das ist ein Mann mit Lebenserfahrung. Er meinte genau das gleiche wie ich.“
Er machte eine Pause und goss sich eine Apfelschorle ein.
„Hätten Sie sich vor zehn oder zwanzig Jahren auch so entschieden, ich meine für die Familie, für Ihren Sohn? Hätten Sie damals das Geld und den Ruhm fallen lassen, für Ihre Familie?“, wollte Anne Schmidt wissen.
„Ich weiß es nicht. Leider weiß man das erst, wenn es zu spät ist, uns das Glück verlassen hat und die Traurigkeit dein Freund geworden ist. Sehr wahrscheinlich, sehr, sehr wahrscheinlich hätte ich mich nicht für meine Familie entschieden. Aber ich hätte doch als Ausrede genommen, dass ich gerade wegen der Familie nicht auf Geld und Ruhm verzichten könne. Ja, das wäre wohl die Antwort gewesen, glaube ich. Ich weiß jetzt, dass eine Familie schon Geld braucht, aber erst glücklich ist, wenn es mehr Liebe, mehr Zusammenhalt, mehr gegenseitige Unterstützung gibt und die Familienmitglieder mehr Zeit füreinander haben und der eine für den anderen da ist, wenn es ihm schlecht geht. Ja, das braucht eine Familie viel mehr als großes Geld. Geld allein, ohne Zeit füreinander, ohne ein feinfühliges Ohr ist Gift für die Familie. Das verleitet zu Exzessen und erzeugt eine innere Leere. Alles, was zu viel oder zu wenig ist, tut nicht gut. Genau das wollte ich Johnny ersparen. Den gleichen Fehler wie ich sollte er nicht machen. Aber er verstand das nicht. Ich bin selbst schuld, dass er nicht verstanden hat, warum sollte er es denn auch verstehen? Durch welches Beispiel? Von welchem Vorbild hätte er lernen sollen? Sein Vorbild war Geld, Geld und nochmals Geld. Das war mein Fehler“, antwortete er ganz ehrlich.
„Heißt das, dass Sie seit dieser Diskussion bis zu seinem Tod keinen Kontakt mehr mit ihm gehabt hatten?“, fragte sie.
„Ja, das stimmt leider. Er war ein zerrissener Junge, trotzdem kann ich nicht verstehen, warum er das gemacht hat“, lamentierte er.
„Wann haben Sie das Tagebuch bekommen?“, fragte sie.
„Vor drei Tagen erst“, antwortete er.
„Von wem denn?“, wollte sie wissen.
„Von einem Mann, der behauptet, mit ihm im gleichen Gefängnis gewesen zu sein. Ein Däne. Er ist vor einer Woche raus gekommen und extra hierher gefahren, um den Umschlag persönlich abzugeben. Er wollte nicht, dass er in der Post verloren geht. Johnny hätte ihm gesagt, dass das lebenswichtig für mich wäre“, antwortete er fast kindlich.
„Warum haben Sie es dann nicht gelesen?“, fragte sie noch.
„Er hat mir eigentlich nicht geschrieben. Ich habe nur die ersten Seiten gelesen und wusste schon, dass ich Ihren Beistand brauche. Ich habe nicht viel mehr gelesen. Ich wollte nicht allein sein, wenn ich erfahre, ob es stimmt, dass er gemordet hat und ob es stimmt, dass er sich selbst getötet hat. Aber nun bin ich bereit, weil Sie da sind“, sagte er.
Er holte einen Schlüssel aus seiner Tasche, stand auf und ging zum Tresor hinter der Tür. Er kam mit einem grünen Buch zurück und legte es auf den Tisch.
„Wollen wir nun wissen, warum er es getan hat?“, fragte er.
„Wenn Sie bereit sind. Soll ich lesen?“, fragte sie.
„Nein, ich will selbst lesen. Ich werde laut vorlesen, wie eine Geschichte. Sie können mich jederzeit unterbrechen, wenn Sie eine Frage haben. Jetzt gibt kein Zurück mehr. Mein lieber Sohn Johnny, warum hast du das getan? Wollen wir?“, fragte Herr Walker.
„Ja, das wollen wir“, antworte Anne Schmidt entschieden.
Warum tötete Johnny M. Walker die schöne dänische Frau mit dem Teufel im Blut?
Das Tagebuch von Johnny M. Walker aus dem Gefängnis von Sonderborg.
Mein Zerwürfnis, meine Zerrissenheit, die Suche nach Liebe und Glücklichsein, meine Tat und mein Tod, meine Erlösung oder die Hoffnung, es danach zumindest besser zu haben.
Als ich geboren wurde, wurde mir der Name Johnny Mackebrandt Walker gegeben. Man sollte stolz sein, diesen Name zu tragen, würden viele Leute sagen, aber dieser Name wurde zu meinem Verhängnis.
Mein Vater heißt Walker und meine Mutter Mackebrandt. Wie ich mitbekommen habe, wollte die Familie Mackebrandt unbedingt, dass dieser Name auch auf meiner Geburtsurkunde steht, aber meinem Vater gefiel das weniger. Am Ende stand er doch darauf, aber ausgesprochen wurde er nie. Überall stand immer nur Johnny M. Walker.
Mein Vater ist Halbamerikaner, mein Großvater war ein hoher Offizier der amerikanischen Armee und später Diplomat, und meine Großmutter war eine Deutsche.
Meine Großeltern lernten sich während eines Aufenthalts meiner Oma in Kalifornien kennen. Das war am Flughafen, auf dem Weg zurück nach Deutschland. Mein Großvater, der Offizier, wurde gerade als Diplomat nach Bonn beordert.
Zurück in Deutschland verliebten sie sich schnell und kurze Zeit später wurde meine Oma schwanger. Sie wollte den Mann aber nicht heiraten, weil sie keine Lust hatte, als Ehegattin eines Diplomaten gezwungen zu sein, ein Nomadenleben zu führen. Das Kind aber wollte sie und freute sie sich sehr darüber. Sie nannte den Jungen Willy Hans Walker und sie lebten zunächst als Familie in Bonn.
Als mein Vater 4 Jahre alt wurde, wurde mein Opa nach Ägypten versetzt. Meine Oma lehnte ab, mit ihm dorthin zu gehen, und so begann langsam die Trennung. Meine Oma zog mit meinem Vater nach Darmstadt, um in der Nähe ihrer Familie zu sein. So wurde Darmstadt zu unserer Heimat, in der mein Vater aufwuchs.
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