Andrea Lieder-Hein
Meine Miesen Morde
Dieses ebook wurde erstellt bei
Inhaltsverzeichnis
Titel Andrea Lieder-Hein Meine Miesen Morde Dieses ebook wurde erstellt bei
1. Beeke
2. Die Biokiste
3. Weihnachtsgeschenk
4. In der Karibik
5. Kayas Plan
6. Männer und Ärzte
7. Klebsiella
8. Die Internet-Bekanntschaft
9. Perlen löschen Seele aus
10. Deichland
11. Der kleine Snack
12. Ganz der Papa
13. Tod auf dem Eis
14. Marike
15. Ich Hol Dich!
16. Wie zu Hause
17. Die eigene Homepage
18. Das kleine Biest
19. Liebe Macht Mörder
Impressum neobooks
Die Faust traf sie völlig unerwartet, aus dem Nichts, wie immer. Aber sie hatte gelernt, keinen Ton zu sagen, auf keinen Fall zu schreien, und keine Hilfe zu holen.
Beeke fasste sich vorsichtig an ihr linkes Auge und fühlte das feuchte Blut an ihrer Wange. Schmerzen hatte sie keine, keine körperlichen, die kamen erst später. Die seelischen hatte sie schon lange. Die konnten nicht schlimmer werden.
Warum er das tat? Sie wusste es nicht. Sie hatte auch in den sieben Ehejahren nie ein Muster erkennen können, wann und warum er zuschlug.
Weert sah ihr direkt in die Augen, und Beeke senkte artig ihren Blick nach unten. „Nur nicht auffallen, nur nicht aufmüpfig sein“, dachte sie.
„Schlampe. Siehst aus wie ‘ne Nutte. Warst wieder in der Stadt? Mit dem Flittchen von nebenan? Männer aufgeilen?“
Beeke verletzten die Anschuldigungen.
„Immer diese nuttigen kurzen Röcke. Kann man deinen ganzen Arsch sehen. Geht das nicht etwas keuscher? Oder mal ‘ne Jeans? Wie andere? EH? ANTWORTE!“
Aber ehe sie antworten konnte, ließ er sein Knie hochschnellen und traf genau in ihren Bauch. Dann trat er zu, einmal, zweimal, dreimal. Beeke spürte keinen Schmerz. Wie ein nasser, gefühlloser Sack lag sie inzwischen auf dem Boden vor ihm, hilflos und ausgeliefert.
Dann klingelte es an der Tür.
Weert öffnete die Haustüre. Vor ihm standen zwei Polizisten, nein, ein Polizist und eine Polizistin.
„Wir sind von Nachbarn gerufen worden. Die wollen gesehen haben, dass Sie Ihre Frau geschlagen und getreten haben?“
„WAS? Ich? Meine liebe Beeke? Kommen Sie nur herein, meine Frau ist im Wohnzimmer.“ Damit ging Weert voran und die beiden Beamten folgten ihm.
Im Wohnzimmer lag Beeke inzwischen auf der Couch, in eine Decke gehüllt. Über ihr Gesicht konnte sie nichts legen, das hätte komisch ausgesehen. Die Polizistin kam zu ihr und sah sie an.
„ Was ist passiert?“, fragte sie besorgt, während ihr Kollege mit Weert über Fußball plauderte.
„ Nichts. Ach, die Beule am Auge? Ich bin gegen die Tür gestolpert. Nichts Schlimmes.“
„ Andere Frauen sagen meistens, sie seien die Treppe runtergefallen oder gegen den Schrank gelaufen. Aber wenn Sie nichts sagen, werden Sie es Ihr ganzes Leben ertragen müssen. Er wird NIE aufhören. Ich kenne das. SAGEN Sie was. TUN Sie was.“
„ Wirklich, Sie irren sich. Die Nachbarn haben angerufen? Meine Freundin wohnt nebenan. Sie sorgt sich dauernd um mich, weil ich schwanger bin. Im vierten Monat. Und wenn mein Kreislauf runtersackt, dann stützt mich mein Mann, und er schreit dann auch ganz verzweifelt, denn wir haben uns dieses Kind sehr gewünscht. Als ich fiel, da habe ich mich an der Tür verletzt. Weert, mein Mann, war so verzweifelt, weil ich mir weh getan hatte.“
Weert kam mit dem Beamten dazu. „Na, alles geklärt? Und du hast Fremden erzählt, dass wir ein Kind erwarten? Sollte doch noch ein Geheimnis bleiben. So, ich bringe Sie jetzt zur Türe. Ist doch alles klar?“
Es war alles klar. Die beiden Polizisten gingen. Weert kam zu Beeke und krabbelte unter ihre Decke.
„Meine Liebe, du bist schwanger? Oh, wie schön, ich freue mich. Endlich mal eine gute Nachricht.“
Er strich ihr zärtlich über das Gesicht, über ihre Lippen, über das verletzte Auge und dann über ihren Bauch.
„Weißt du schon, was es wird? Ein Junge?“
Beeke nickte und er küsste sie jubelnd, überglücklich und ganz zärtlich.
„Entschuldige, Beeke, dass ich dir weh getan habe. Es passiert manchmal. Du weißt das. Ich will es nicht, aber ich liebe dich so sehr. Und wenn ich dich dann in so einem aufreizenden Rock sehe, dann bin ich sehr eifersüchtig. Du bist doch mein Goldstück, mein Alles. Verzeihst du mir? Ich liebe dich doch so. Dich, nur dich.“
Beeke konnte seine Tränen sehen und streichelte seine wunderschönen Haare.
Der folgende Tag war ein Freitag und Beeke sprang beim Klingelton des Weckers aus dem Bett. Es war erst sechs, aber die Sonne schien schon ins gemeinsame Schlafzimmer. Weert öffnete verschlafen die Augen, sprang ebenfalls aus dem Bett und lachte seine Frau an. „Bleib noch ein wenig liegen, Süße, heute mache ich Frühstück.“ Dabei legte er ihr zärtlich seinen Arm um die Schulter und drückte sie an sich. „Hast du dir verdient. Bist doch meine Beste. Und den Jungen nennen wir Tamme, wie Papa. Gefällt dir doch auch?“
Ausgerechnet den Namen ihres feisten Schwiegervaters? Ihr wurde ganz übel, aber neue Schläge, bevor die alten verheilt waren, wünschte sie sich nicht. Außerdem war sie schwanger. Da war alles anders. Im Grunde glaubte sie ganz fest, dass Weert sich ab jetzt ändern könnte. „Tolle Idee, das mit Papa. Tamme ist ein schöner Name für einen Jungen. So männlich, finde ich“, lächelte sie ihn an. Damit waren diesmal die richtigen Worte getroffen.
Nach dem Frühstück verließ Weert das Haus pünktlich um 7:15 Uhr, denn dann holte Joost ihn ab. Joost und Weert arbeiteten beide beim Optiker Heyen. Müde und traurig schleppte sich Beeke ins Bad, duschte länger als sonst, streichelte ihren Bauch und zog sich mühselig an. Ihre linke Gesichtshälfte tat nun weh und der Stoß in den Unterleib machte sich auch bemerkbar. Aber zum Arzt traute sie sich nicht.
Mit etwas Make Up und Puder kaschierte sie den blauen Fleck im Gesicht und kämmte ihren Pony lässig über ihr Auge. Noch während sie das gelungene Ergebnis bewunderte, klingelte es an der Tür.
Es war Fenna, ihre Freundin. Fenna nahm Beeke in den Arm und versuchte sie zu trösten.
„Ich habe alles mit angesehen, gestern, durchs Fenster. Ich habe auch die Polizei gerufen. War das falsch? Aber du bist schwanger. Willst du, dass er euch beide tot schlägt?“ Fenna schaute auffordernd auf Beeke. „Tu was. Geh in ein Frauenhaus, geh zur Polizei, geh’ zu deinen Eltern, egal, aber TU WAS.“
Insgeheim wusste Fenna, dass Beeke nichts tun würde. Sie liebte diesen Schläger tatsächlich. Wenn man das Liebe nennen konnte.
Während Beeke Tee kochte, wechselten beide das Thema und schwatzen und lachten ganz wie in alten Zeiten.
Es folgten zwei unbeschwerte, wunderschöne Wochen im August, in denen Weert seine volle Aufmerksamkeit auf Beeke und den ungeborenen Tamme richtete. Fröhlich pfeifend kochte er, half ihr sogar beim Putzen am Wochenende, brachte ihr rote Rosen und hielt immer zwischendurch ihre Hände an seinen Mund. Zärtlich berührte er sie mit seinen Lippen und flüsterte liebevolle Worte. Ja, das Kind hatte wohl alles geändert. Ein warmes, sicheres Gefühl durchflutete Beeke.
Im September hatte Weert Urlaub, und beide hatten sich für zwei Wochen Norderney entschieden. Norderney war zwar teuer, aber so schlecht verdiente Weert bei Optiker Heyen nicht, und auf Norderney war immer was los. Beeke hätte gerne auch gearbeitet, aber das hatte ihr Weert streng verboten. „Eine Frau arbeitet im Haus, für ihre Kinder und ihre Familie“, sagte er immer. Und jetzt, wo sie bald Mutter werden würde, da hatte er sogar recht.
Читать дальше