Hätte er einen Wunsch frei, er würde Tomma wegzaubern. Aber das gab es nur in Märchen. Also musste er selbst Hand anlegen. Da kam ihm die Idee mit der Biokiste sehr gelegen.
Er griff zu seinem Handy und simste Tomma, dass ihn der Bärlauch so erregt hätte, und ob sie wohl in der Gegend etwas Bärlauch pflücken könne. Da wuchs überall was, das wusste er wohl.
Bevor er Freitag nach Hause kam, hatte er ein Maiglöckchen-Blatt besorgt. Nachdem er das tolle Essen von Tomma bestaunt hatte und die Schälchen neben den Tellern mit dem Bärlauch-Salat und der Rauke sah, bat er noch um etwas Cayenne Pfeffer. Er nutzte Tommas Abwesenheit, um ihr klein geschnittenes Maiglöckchen-Grün in den Salat zu mischen.
Nach dem Essen schlug er zunächst einen Verdauungs-Spaziergang vor. Noch bevor sie wieder zu Hause ankamen, wurde Tomma übel. Onno stützte sie liebevoll und schleppte sie die letzten Meter ins Haus. Dort übergab sich Tomma mehrfach. Später setzte furchtbarer Durchfall ein und ihr Herz raste wie wild.
Mit gespielter Sorge in der Stimme rief Onno den Krankenwagen und begleitete seine Frau bekümmert ins Krankenhaus. Dort wartete er, wie es sich gehörte, im Vorzimmer auf das Ergebnis.
Es dauerte fast zwei Stunden, und Onno hatte gute Lust, einfach zu verschwinden, aber der Anstand gebot es, durchzuhalten.
Dann endlich kam der Arzt und berichtete ihm, dass das Kind leider nicht mehr gerettet werden konnte, aber Tomma sei in Ordnung.
Mit vorgespielter Verzweiflung warf Onno seine Hände vor sein Gesicht. Dabei dachte er, dass ein Kind ihm gerade noch gefehlt hätte. So ein schreiendes Blag, das immer nur futtern wollte oder nach Scheiße stank. Warum Tomma wohl nichts gesagt hatte? Na, schade wär’ auch nicht gewesen, wenn Tomma gleich mit ihrem Blag ins Jenseits abgedriftet wäre.
Der Arzt riss ihn aus seinen Träumen. „Sie können jetzt zu Ihrer Frau.“
Noch bevor Onno das Zimmer betrat, dachte er an die Herbstzeitlose, die sah wie die Maiglöckchen dem Bärlauch zum Verwechseln ähnlich. Fünf Blatt waren schon tödlich, und es gab kein Gegengift. Schöne Aussichten für diesen Sommer.
Ilkea stand nackend vor dem großen Schlafzimmer Spiegel und schaute auf ihren Körper. Was für eine Klamotten-Größe hatte sie wohl? Darüber hatte sie nie nachgedacht. Immer, wenn sie was Hübsches sah, griff sie irgendwo hinein, und entweder es passte, oder es passte nicht. Dann nahm sie ein größeres oder kleineres. Größe 38 vielleicht? Oder 40, womöglich 42 oder 44? Sie wusste es nicht.
Nachdenklich durchsuchte sie ihren Kleiderschrank. Die Schilder in den Klamotten regten sie immer tierisch auf, deshalb schnitt sie sie gleich nach dem Kauf sofort raus, denn entweder sie schauten am Kragen hervor, oder sie piekten hinten am Hals. Also, nachschauen half nichts.
Pullover und Shirts glaubte sie in L oder XL gekauft zu haben. Sie mochte es schlabberig. Dann schwitzte man nicht so im Sommer, und im Winter passte immer noch was drunter.
„Besser zu groß als zu klein“, dachte sie sich, und entschied sich für Größe 44.
Es war gegen halb acht Uhr abends, als Eibe halb erfroren an Ilkeas Tür gongte. Sie öffnete und strahlte ihn an. „Schlüssel vergessen? Herrlich, der Schnee, oder?“, fragte sie ihn aufmunternd. Er knurrte nur leise was von Eises-Kälte und steif gefrorenen Fingern. „Aber das ist doch schön zu Weihnachten“, freute sie sich weiter, „das gehört dazu. Hast du Lust, mit auf den Weihnachtsmarkt zu gehen? Am Hafen soll ein zwanzig Meter hoher Weihnachtsbaum aus Glas stehen. Mitten auf dem Wasser, und lauter Zapfen aus Glas mit kleinen Glühbirnen darin. Das muss fantastisch aussehen.“
„Lass mich erst einmal wieder auftauen“, jammerte Eibe, „dann können wir immer noch gehen.“
Ilkea machte für jeden ein Glas Glühwein warm. „Vorglühen!“, rief sie aus der Küche und kam mit zwei randvoll gefüllten Gläsern heraus. „Ich hab’ übrigens Größe 44. Wolltest du doch wissen.“
Eibe wusste im Augenblick zunächst nicht, was Größe 44 mit dem Glühwein zu tun hatte, aber dann fiel ihm ein, dass er Ilkeas Kleidergröße wissen wollte, weil er ihr was Nettes zu Weihnachten schenken wollte. Was in Richtung Dessous. Aber 44? Hätte er jetzt nie vermutet. Sie war ganz schlank. Aber vielleicht wegen der dicken Busen.
In den nächsten Wochen schlenderte Eibe öfter mal durch die Fußgängerzone und schaute sich BHs und Slips an. Ihm schienen die Slips viel zu groß. Mit den BH Cups konnte er sich schon eher anfreunden. Aber der ganze Kick verwandelte sich in Luft, wenn Ilkea mit sexy Oberteil und schlabberigem Slip vor ihm stehen würde. Vielleicht war da ein Body die elegantere Lösung. Nicht so viel Fleisch, aber man konnte ja öffnen oder ausziehen.
Beim Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt hatten sie so manche schöne Stunde verbracht, hinterher oft eng umschlungen im Bett, und Eibe hatte manches Mal davon geträumt, Ilkea würde mal so richtig abgehen. Aber sie war eher zärtlich, ruhig und liebevoll. „Auch schön“, dachte er, „aber vielleicht geht da noch was.“
Die Zeit verging wie im Flug und plötzlich waren es nur noch wenige Tage bis zum Fest. Höchste Zeit, das Geschenk zu besorgen. Ilkea hatte am letzten Wochenende vor Weihnachten noch ein Freundes-Treffen am Hafen, wie jedes Jahr. Diese Zeit nutzte er, um mit dem Auto ein wenig weiter weg zu fahren, falls jemand ihn bei der Dessous-Suche beobachtete.
In einer kleinen Boutique fand er alles, was er sich erträumte. Ein Teil schöner als das andere. Die Verkäuferin beriet ihn in der Body-Frage. Er nahm ein auch in 44 zartes, kleines Etwas in schwarz mit roter Spitze in die Hand. Im Schritt befanden sich drei Druckknöpfe, die BH-Cups waren niedlich verziert. Das würde Ilkea mögen. Nichts gewollt Geiles, mehr das zarte, verführerische Etwas.
Er ließ es sich einpacken und fuhr zufrieden nach Hause.
Ilkea lag ein wenig angeschwipst auf der Couch und erzählte angeregt von den Mädels aus ihrer Schule, was sie inzwischen gemacht hatten, wer geschieden war, wo es Babys gab und vieles mehr. Den gläsernen Weihnachtsbaum im Hafenbecken hatten alle bestaunt und Ilkea war richtig stolz auf ihre kleine Stadt gewesen.
Am Heiligen Abend hatte sich die ganze Familie bei Ilkeas Eltern getroffen. Auch Eibes Eltern und Geschwister waren angereist und hatten sich am Bahnhof ein Hotel gesucht. Es war ein wunderbar fröhliches und entspanntes Fest gewesen und den Geschenken sah man es an, dass sie mit Liebe ausgesucht worden waren. Eibe flüsterte Ilkea in einer stillen Minute ins Ohr, dass da noch was Kleines für sie zu Hause läge.
Nach der Mitternachts-Messe fuhren alle nach Hause oder ins Hotel.
Ilkea staunte nicht schlecht, als sie in ihrem Schlafzimmer ein komplett rot eingepacktes und mit einer schwarzen Schleife verziertes Geschenk auf ihrem Platz im Bett liegen sah. War das die Größe 44?
Eibe hatte noch schnell den Wagen in die Garage gefahren und kam nun fast etwas außer Atem ins Schlafzimmer gestürmt.
„Zieh es an“, flüsterte er heiser, „ich freu mich schon drauf.“
Vom weihnachtlichen Sekt etwas ermutigt, ging Ilkea ins Bad und zog sich aus. Dann öffnete sie das Päckchen. Ein roter Body mit wunderschöner schwarzer Spitze fiel ihr in die Hände und sie schaute amüsiert und liebevoll auf das Geschenk. Das waren also seine Träume. Das Teil sah teuer aus und niedlich dazu. Langsam zog sie es über die Beine auf ihren Körper und legte die Träger über ihre Arme. Dann ging sie vor den großen Spiegel.
Als sie sich in voller Größe sah, stiegen ihr die Tränen in die Augen. Der Schritt des Bodys baumelte in halber Höhe ihrer Oberschenkel unelegant hin und her. In die Beinlöcher hätte noch jeweils ein Bein dazu gepasst. Einzig am Busen saß das hübsche Teil einigermaßen passend.
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